nadja “autopergamene”

nadja_autopergamenenadja, once again.

aber bevor wir hier (ganz subjektiv, versteht sich) die (berechtigte) frage angehen, ob ein duo mit diesem output überhaupt noch in der lage ist, neue nuancen zu besetzen, zu überraschen, etc. und dabei trotzdem sich selbst treu zu bleiben, mal (nicht zum ersten mal hier) ein blick auf die optik: „autopergamene" erscheint auf dem brasilianischen label essence und auch wenn brasilien für einige jetzt in diesem zusammenhang erst mal mehr als far-out klingen mag, essence ist ein label, das sich seit längerem ganz der experimentelleren seite der musik verschrieben hat und im laufe der jahre bereits eine ganze menge von VÖs unterschiedlicher genregrößen produziert hat. und dabei so eine art labeleigene flagship-VÖ für einzelne der releases definiert hat: die CD-box. und so erscheint nadjas „autopergamene" nicht nur in der (schon sehr aufwendigen) „normalen“ doppel-gatefold-pappschuber-ausgabe mit einem gleichermassen extrem bunten wie hintergründigen artwork plus auf dem ersten blick rorschach-artigen, jedoch visuell über den stempeleffekt hinaus ergänzten minipostern/karten, sondern auch als eine solche box.
nadja_autopergamene_box_soloextrem aufwändig (mal wieder) und nicht billig. und vor einem genaueren blick auf den inhalt maybe ein paar gedanken zu solchen boxen an sich: wofür? lohnt sich das? brauchen leute (ihr; ich; sonstwer) derartiges? schwer zu sagen. und, ehrlich gesagt, eigentlich doch auch völlig irrelevant: wen nur die musik interessiert und wer sein leben schon maximal digitalisiert hat, der findet „seine" musik doch ohnehin irgendwie, hardwarebereinigt im irgendwo. ob legal oder anders, sie muss „nur" in einem digitalem format vorliegen. auf der anderen seite: die spezies derer, die nicht müde werden, zum vollen genuss auch noch was zum anfassen und angucken zu benötigen, scheint auch nicht auszusterben. und wenn selbst deutlich massenkompatibles wie „(setze hier deinen lieblings-mainstream-künstler ein)" neben dem obligatorischen download und der (tatsächlich immer noch) obligatorischen CD limitierte doppel-vinyls oder ähnliches veröffentlicht, dann scheint sich dieser wunsch doch auch noch jenseits aller genregrenzen zu manifestieren. wenn auch, zugegeben, eine solche VÖ-politik in den obskureren bereichen deutlich häufiger anzutreffen ist. und dort mit sicherheit auch mehr leute beheimatet sind, die derartiges nachfragen und, auch trotz möglicherweise begrenzter mittel, tatsächlich kaufen. kein wunder also, wenn die boxen von essence immer schnell sold out at the label sind. zumal: mit ihrer oft poetischen (ich denke da an die getrockneten blumen in der boris-box) aufmachung bekommt das ganze bei essence schon fast so eine art manifest-charakter; der versuch, einen meilenstein zu formen innerhalb der kette von releases einer band oder projektes. hier, mit der „autopergamene" box ist das nicht anders: holzschachtel, in einer art bemalt und beklebt, die (nur mich?) an zusammengenähte häute denken lässt. mit der „normalen" „autopergamene" CD als zentralem bestandteil. mit einer weiteren doppel-CD, ebenfalls im doppel-aufklapp-pappschuber mit einer alternativen version der drei tracks der original CD plus einem remix plus DTS 5.1 mix. plus eine live CD, aufgenommen in toronto. plus ein buch mit (jetzt tatsächlich) rorschachbildern (und der abstraktion eines stifts). farblich wie gesamtästhetisch mit rotem faden. manifest, in der tat.
nadja_autopergamene_boxihr hört schon, ich bin begeistert; von der optik und dem füllhorncharakter. und nicht nur das: auch, und gerade, von der musik. innerhalb all der nadja-VÖs definitiv eine derer, die aufhorchen lässt. die mehr als zufriedenheit und erwartungserfüllung bietet. und damit ihren platz im kopf der hörer besetzt. wie (nur meine meinung? subjektiv; ok?) z.b. das alien8-debüt „truth becomes death" oder „the bungled and the botched" oder „taumogenesis". hier, als „autopergamene", nicht irgendwie sludge-interpretation oder abstrakt-heavy-folk oder endloswand, sondern, schwer beschreiblich, eine immer wieder homophon rollende (und, besonders bei der #3, „you write my name in your blood") sich immer wieder brechende welle aus tonkaskaden (erstmal unter benutzung von posaune; natürlich auch gespielt von aidan baker). unglaublich zäh fließend und breitwandig, fast orchestral (mit lucas baker, sarah gleadow und nick storring sind dann auch noch streicherpositionen besetzt) mit mantra-artigem schluss. dabei ganz anders als die ebenfalls opulent besetzte „liminoid lifeforms" (von aidan baker solo); komponierter, böser und offener zum hörer zugleich. „you write your name in my head", die #2 übernimmt dabei die rolle des typischen nadja stücks, hier jedoch extrem nihilistisch-düster während die #1, „you write your name in my skin" nach geradezu endlosem (aber sehr schönem) vorspiel so etwas wie die flüssigere version des abschlusstracks darstellt. viel mehr perfektion erscheint nicht möglich.

nadja_autopergamene_box_buch...oder muss man bei nadja dann doch, ehrlicherweise, fragen: wieviel potenzial für perfektion ist da noch in reserve; für die zukunft?

schöne grüsse

N

www.nadjaluv.ca

www.essence-music.com