Klare Kante am Meer

Die Zahl der Sommersongs ist vermutlich deutlich höher als die der Wintersongs. Doch genau genommen, ist die Single von Nyle ebenfalls ein Sommersong, denn schließlich hat die Gute den Winter vergessen. Und nun isser da.
Die Erinnerung an Dinge, die wiederkehren, thematisiert Nyle in "I forgot about the winter". Ein feiner Song mit unaufdringlicher Akustikgitarre, verträumten Synths, einem Hauch Piano und einem Beat, der mehr erinnert an das, was man manches Mal auf die Tischkante klopft. Dadurch ist es ein ganz klarer Song, den man sofort versteht.
"I forget about the winter" ist vielleicht der sachte Auftakt einer Solokarriere, die Nyle nach einigen Jahren im Geschäft bereits 2020 anschob. Das alles ist im Schwange, Live-Daten sind geplant und natürlich irgendwann einmal ein Debütalbum. Warten wir ab und vergessen Nyle bis dahin nicht.

www.listentonyle.com

Slowe und unaufgeregt

In ihrem home studio steht ein Plattenregal. Und in Slowes erster Veröffentlichung für Tru Thoughts funkelt ein glänzendes Rhodes Piano. Dabei ist die Frau lange nicht so alt, dass sie Plattenregale und Fender Rhodes' aus ihrer Jugend kennen könnte.
Dennoch geht sie damit sehr elegant um wie der Track "WYLTK" beweist. Ein gediegendes Stück Soul mit einer sehr schönen vintage drum line, dem besagten, prickelnden Piano und zurück genommener Gitarre. Slowe spielt als bekennende Multiinstrumentalistin alles selbst ein, mischt und produziert ihre komplette Musik. Das alles mit einer gewissen Tiefenentspanntheit und warmen, melodischen Sounds.
Slowe ist damit absolut richtig aufgehoben bei Tru Thoughts, repräsentiert ihre Musik doch perfekt den Klang der Musikszene in Bristol. Betrachtet "WYLTK" als Aufforderung, die weitere Entwicklung der Newcomerin wohlwollend zu begleiten.

www.slowemusic.com

Hip Hop mit Krawatte

Er ist ein Alleskönner, denn Sly5thAve komponiert, arrangiert, spielt fast alles selbst und produziert. Sein neuester Output entstand gemeinsam mit MC JSwiss und operiert am Schnittpunkt zwischen Hip Hop und Jazz.
Aus der Zusammenarbeit der Beiden resultieren sechs Tracks, die gemeinsam mit den jeweiligen Instrumentals das Album "Somebody's gotta do it" bilden, welches kürzlich bei Tru Thoughts erschien. Das ist Hip Hop in ganz feinem Zwirn aus schmeichelndem Jazz, einem Kragen aus Soulgewebe und Einstecktuch von Prince.
Slys Hip Hop aus Brooklyn ist authentisch, macht Spaß und hat Substanz. Böse Zungen könnten behaupten, das sei Akademiker Hip Hop. Sei's drum: "Somebody's gotta do it" und seien wir froh, dass es Sly5thAve war, der den Job übernommen hat.

www.sly5thave.com

Saufen statt laufen

Friedemanns neuer Song "Ich liebe es zu wandern" ist seinem guten Freund Gabor gewidmet. Der Mann ist Punkrocker und durch einen Unfall hochgelähmt, lässt sich aber dennoch nicht unterkriegen. "Ein Beispiel für Lebenslust obwohl einem das Wasser bis zum Hals steht. Ein Vorbild und Antrieb für uns alle, in diesen Krisenzeiten mutig nach vorne zu schauen und zu gehen", beschreibt Friedemann seinen Freund.
Passend dazu kommt der Song mit einem leichten Skabeat rüber und feiert die Lebenslust von Gabor ab. "Ich liebe es zu wandern" ist auf dem kommenden Album von Friedemann, das "Naiß" heißt und Ende Januar 23 bei Dackelton Records erscheinen wird. Vorbildlich!

www.friedemann-ruegen.de

Von Grönemeyer bis Greshake

"Deine blaue Zahnbürste liegt noch hier" beginnt Barbara Greshake ihre neue Single zu ein wenig Gitarrengeklimper und ich denke: PeterLicht?!? Das bestätigt sich nicht im weiteren Verlauf von "Ich fühle, was du nicht fühlst". Dennoch: Barbaras Pop hat ein bisschen Schräge, ein Funken Abseitigkeit, was sie im Kern mit PeterLicht verbindet.
Auch der Sound ihrer Musik ist anders. Man höre nur einmal auf die Snare von "Ich fühle, was du nicht fühlst", die sich fast nach Spielmannszug anhört. Barbaras Ziel ist es, in ihre Songs den Sound Skandinaviens zu integrieren. Es schwebt ihr ein tiefer Sound vor, für den man auch auf eigenwillige Instrumentierung zurückgreifen kann.
Die Frau ist offensichtlich Fan von guter Musik, aber nicht von deutschem Geradeaus-Pop. Das ist vielsprechend im Hinblick auf das Solo-Debüt der Kölnerin, das unter dem Titel "Gemischte Gefühle" am 25. November bei Chateau Lala erscheinen wird. Und die Omas und Opas unter euch werden sich erinnern, dass es bereits schon einmal ein deutsches Album mit diesem Titel gab, das 1983 Auftrieb für die Karriere Grönemeyers bot. Ein gutes Omen.

www.instagram.com/barbara_greshake

 

Pssst...Jeb Loy bittet zum Tanz

Jeb Loy Nichols und Adrian Sherwood sind seit langem gute Freunde und diese Freundschaft manifestiert sich von Zeit zu Zeit in gemeinsamen Alben. In der Vergangenheit war Sherwoods große Reggae-Expertise oft dominant. Bei der neuesten Zusammenarbeit zu "United States of the broken hearted" steht nun Nichols' Folk und Country Sozialisation im Vordergrund.
"United States of the broken hearted" besteht aus zwölf Songs, in deren Mittelpunkt Jeb Loys Stimme und Akustikgitarre stehen. Diese Basis wird von Sherwood ganz sachte mit Bläsern, Streichern, Keyboards und einem sehr vorsichtigen Schlagzeug ergänzt.
Das Ziel war, viele unterschiedliche Einflüsse wie Folk, Bluegrass, Jazz und Soul zu diesem einzigartig amerikanischen Sound zu verschmelzen. Die Vermutung liegt nah, dass die Vinylausgabe von "United States of the broken hearted" aus Holz ist und gemütlich knisternd auf eurem Plattenspieler läuft.
Dieses sehr getragene Album wirkt abschnittsweise auf den ein oder anderen vielleicht einschläfernd. Sherwood und Nichols setzen einen ganz bewussten Kontrapunkt zur lauten Hektik der heutigen Musik und Jackson Mount greift das im Clip zur ersten Single "Big troubles come in through a small door" perfekt auf.
"United States of the broken hearted" ist ein Album, für welches das alte deutsche Wort erbaulich genau das richtige Adjektiv ist.

www.jebloynichols.co.uk