Benjamin Zephaniah - Naked (2004 One Little Indian Ltd.)

Du weißt, dass das kein Reggae mehr ist? fragte der Plattenhändler am Telefon, als ich die Neue von Benjamin Zephaniah orderte. Ich erwiderte: Aber Zephaniah ist groß, das reicht. Benjamin Zephaniah und sein neues Album würden mich und meine großkotzige, ahnungslose und in pubertärer Jungmannmanier hervorgegiftete Replik hoffentlich nicht Lügen strafen?

Ich liebe deine vier bisherigen Platten, Benjamin. Ich habe sie nicht alle gleich lieb, Back to the roots ist schon mein Ohrenstern. Doch alle vier haben dich als großen Dub Poeten etabliert, der den Vergleich mit Mutabaruka oder Linton Kwesi Johnson nicht scheuen muss. Dub Poetry bedeutet Lyrik zu Reggae Musik. Und nun sagt der Ochse, es ist kein Reggae mehr!

Doch ich wusste, du lässt mich nicht im Regen stehen. Ich wusste es in dem Augenblick, als ich deine neue CD aus der gepolsterten, durchfallfarbenen Versandtasche zog. Ich hielt ein kleines, weißes Buch in der Hand. Mit festem Einband, zum Aufklappen, mit 36 Seiten. 36 Seiten Text und Fotos, schöne Fotos. In einer Hülle am Ende steckte die kleine Musikscheibe. Also ein Hörbuch. Das Büchlein ist ganz weiß, erst wenn man es etwas ins Licht dreht, erscheint der Titel: Naked.

Kann in solch Verpackung böser Inhalt sein? Nein, es ist schweres Computergeplucker zur Untermalung von 12 Gedichten. 56 Minuten Lyrik über uns. Es sind Worte, die betreffen. Erzählend, wütend, verliebt, ironisch. Es ist Zephaniahs unnachahmliche Stimme, die berührt, auch wenn der Inhalt mal nicht verständlich ist. Und es ist egal, ob es Reggae ist oder nicht. „Is it Hip-hop, is it reggae, who really cares / The essence is loud, the anger is clear“ .

Ich habe es gehört, nun weiß ich, dass es kein Reggae ist. Aber es ist Zephaniah. Es ist gut, es ist geil. Es ballt sich die Faust in der Tasche.

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