Brett Anderson – Wilderness (2008 Edel)

Brett Anderson - WildernessDas ist es dann wohl, was Brett Anderson im Sinn hatte, als er sich im Dezember 2003 anlässlich des bis dato letzten gemeinsamen Live-Aufritts seiner ehemaligen Band Suede von seinen Fans mit den Worten verabschiedete: „See you in the next life!" Mit seinem neuen und damit zweiten Soloalbum „Wilderness", das letzte Woche erschienen ist, kehrt er - bildlich umgesetzt auf dem Plattencover - jeglichem Mainstream und jedweden Erwartungen von Fans und Medien den Rücken und folgt einem Pfad, der ihn in die tiefsten von Gefühlen überwucherten Regionen seiner Seele führt.

Er ist im nächsten Leben angekommen, einem Leben jenseits des Britpop, den er mitbegründet und populär gemacht hat, jenseits der von elektrischen Gitarren getriebenen Melodien und fast übersteigerten Selbstinszenierungen. Das braucht er dort, wo er nun ist, nicht mehr. Doch wo genau befindet sich Mr. Anderson jetzt, und wird ihm sein Publikum dorthin folgen?

Mit seinem im letzten Jahr erschienenen selbstbetitelten Debütalbum als Solokünstler hat er bereits den nun weiterverfolgten Pfad eingeschlagen: balladeske Arrangements, zurückgenommene Instrumentierung, seine im Vordergrund stehende Stimme. Doch wo sich damals noch unterschiedliche Schattierungen zeigten - mal erinnert ein Song schemenhaft an eine 80er-Jahre Hardrockballade („Scorpio Rising"), mal blitzt kurz der typische Suede-Sound durch („Dust And Rain") oder zeigt sich der Songwriter in der Wahl seiner Instrumente etwas experimenteller („Intimacy") - da ist heute nur ein Sound, eine Stimmung, eine Stimme.

Minimalistisch arrangiert - allein Klavier, Cello und vereinzelt gezupfte Akustikgitarren - klingen die neun auf dem Album vorhandenen Lieder wie eines - in verschiedenen Interpretationen. Andersons Stimme steht im Vordergrund, und das sollte sie auch, denn sie ist einzigartig und unverkennbar, doch niemals erreicht sie dieses eindringliche Flehen, diesen Ausdruck purer Sehnsucht, den man von ihm kennt und den die Texte, die fast alle verlorene, enttäuschte oder unerwiderte Liebe thematisieren, durchaus zulassen, wenn nicht sogar erfordern würden. Sie wirkt im Gegenteil sehr zurückgenommen und verstärkt dadurch den Eindruck des Eintönigen, den die Instrumentierung schon hervorruft. Nichts, was man sich an einem tristen Herbsttag bei gedrückter Stimmung anhören sollte, außer, man will diese unbedingt mit einem guten Glas Wein zelebrieren - was ja durchaus mal vorkommt (hier spreche ich aus eigener Erfahrung).

Das Album, das in einer Rekordzeit von nur sieben Tagen entstanden ist, scheint unter dem Motto zu stehen: Grau in grau. Nichts da mit: Es werde Licht! Und so steht das Cover metaphorisch für den Rest: ein grauer Himmel drückt auf ihrer Blätter beraubte Bäume, die ähnlich skelettartig daherkommen wie die Stahlkonstrukte der sich vor dem tristen Horizont abzeichnenden Hochspannungsmasten und Brett Anderson, der sich - dem Betrachter den Rücken zukehrend - aufmacht über trockenes, verdörrtes Gras einen einsamen Weg zu beschreiten, der ihm einem möglichen Publikum nicht unbedingt näher bringen wird.


http://www.brettanderson.co.uk/

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