Phillip Boa im Pulp, Duisburg, 07. Oktober 2004

"Ihr glaubt, die Zeit der Beleidigungen sei vorbei? Sie hat gerade erst angefangen", lapidarte Boa lässig ins Pulp. Irgendwann, mittendrin sprach er diesen Satz, als die Stimmung zwar nicht gerade überkochte, aber doch Fahrt aufnahm. Boas Agitation war schon immer subtil und frei von unglaubwürdigen Effekten. Cool eben. So cool wie dieses Konzert.

BoaZugegeben, der Gig verbreitete eine Art von Best-of-Atmosphäre gemischt mit Deja-vu-Ambiente und schlug einen Bogen von "Skull" aus Boas Debüttonträger bis hin zum "Himmel", einem neuen, überwiegend von Pia geschriebenen Song (O-Ton Boa). Dazu fast alles an Zutaten, was wichtig und gut ist, mit einem fulminanten Finale aus "Container Love" und "Kill your ideals". Spätestens hier jedoch war jedem klar, dass Boa eben nicht irgendwer, sondern Boa ist. Klar, deswegen war man gekommen. Aber erst, wenn man Boas bizarres Zucken, Boas unaufdringliche Aura und seine tiefe Beziehung zur eigenen Musik in eine Live-Performance gegossen sieht, versteht man endgültig, dass hier kein genmanipulierter Musikkklon steht, sondern ein Mensch. Welcher Künstler kann das schon noch von sich behaupten?

Es ist ja nicht nur seine musikalische Brillanz, die sich an diesem Abend aufdringlich ins Bewusstsein pöbelte, sondern seine ganze Art, bei sich zu bleiben und unkorrumpiert durchs Leben zu kämpfen. Egal, ob es gegen Universal oder das Arschloch von nebenan geht. Und wenn man dabei selbst das Etikett eines Arschlochs angehängt bekommt? Um so besser. Da verwundert es nicht, dass man Boa noch am Sonntag vor seinem eigenen Auftritt bei The Fall im FZW sah, "White Lightning" grölend. Mark E. Smith und Phillip Boa: Seelenverwandte?

BoaDas Publikum wirkte ein wenig so, als hätte es Boa all die Jahre treu begleitet - als personifiziertes und musikalisiertes gutes Gewissen. Wenn ich mir selbst schon nicht treu geblieben bin, so hat Boa es wenigstens für mich getan - trotz, oder gerade wegen, der Brüche im Lebenslauf. "Kill your ideals!" würde Boa wohl dazu sagen. Also bleiben wir auf dem Teppich und sehen in Boa das, was er ist: eine coole Sau mit saucooler Musik.


Links:
www.boamania.de
www.pulp-duisburg.de


Fotos: mh