Klangraum Phönix: Moderne Performer, Postmaterielle und Hedonisten

PhönixPhönix fliegt wieder. Schon der erste Abend des Klangraum Phönix verharrypotterte seine Gäste, ganz so wie im letzten Jahr. Höhepunkt des diesjährigen Freitag: Der Auftritt von Owen Pallett, aka Final Fantasy, der mit seiner Violine - wie einst der Rattenfänger mit seiner Flöte - die Kinder von Dorf Ruhr in seinen Bann zog und sie ins musikalische Nirwana führte.

Selten hat ein Publikum einem Künstler so andachtsvoll gelauscht, zugehört und -gesehen, wie er dort stand, ohne Schuhe, um mit seiner Violine und den Füßen auf den Pedalen eine kunstvoll verschachtelte Effektmelodik zu schaffen und dazu melancholisch oder zornig zu singen. Manchmal bedarf es wenig, um zu verführen.

PhönixAuch Donna Regina nutzten die Gunst der Stunde, bauten Owen Pallett gleich in ihre Band ein, um den schon von Steffen Irlinger elektronisch aufgeknarzten Chansonsound zusätzlich zu veredeln. Es sah manchmal so aus, als seien sie selbst ein wenig überrascht, was aus ihren Stücken noch rauszuholen ist. Regina Janssen wurde denn auch nicht müde ihren Owen zu preisen.

Zuvor hatten schon Dictaphone und Marsen Jules mit dem Trio Jara die emotionale Basis für die Tiefe des Raumes gelegt. Ambiente Klänge auf der einen Seite, die ans Kammerflimmer Kollektief erinnernde Zisseligkeit über elektronischen Akkord- und Geräuschwolken auf der anderen Seite. In den Pausen verstörte Jim Campbell mit seinen Geräuschkulissen die Halle und schuf den kongenialen Soundtrack zu parallel laufenden Gesprächen der versammelten „IchbinSzeneIchbinSzeneIchbinSzene“. Moderne Performer und Postmaterielle unter sich.

Nicht so am Samstag – zweiter Tag: Das kalkulierte Tanzgewummer stand ganz im Zeichen der eher hedonistischen Gesellschaftsfraktion. Publikumswechsel. Partypeople. Technoider Sturm.

PhönixIm Mittelpunkt nach einigem Vorlauf in leider noch etwas leerer Halle: Egoexpress. Prinzip: Die Neue Techno Welle - NTW. Kurzfristig sprang dann auch der Funke über und es ekstatisierte. Allerdings konnten die senioresken Hanseaten den Level nicht ganz halten: „Wir sind vielleicht langsamer, aber laut“, überzeugte nicht jeden. Erst bei Knartz IV rumpelte die Nebennierenrinde noch einmal los und schüttete Adrenalin in die Tanzkessel. Marcel Janovsky legte später dann noch einmal nach. Aber man hat schon brodelndere Tanzflächen erlebt.

Auch wenn am zweiten Tag nicht ganz die runde Stimmung des ersten Tages erreicht wurde, hätte das Programm etwas mehr Publikumsfeuer verdient gehabt. Vielleicht aber ist dieses Rave-Konzept im Vergleich zum Gesamtanspruch des Festivals – elektronische Popkultur – einfach zu karg, woran auch Heroen wie Egoexpress nicht viel ändern können. Schließlich kann man Party an jedem Wochenende fast überall haben. Schwer sich da intellektueller zu positionieren.
Tanz oder Tiefe - in diesem Spannungsfeld bewegt sich so etwas wie elektronische Popkultur, wenn es sie denn überhaupt in reiner Form gibt. Denn längst ist diese Szene so ausdifferenziert, dass niemand den Überblick haben kann und will. Künftige Festivals müssen sich vielleicht klarer entscheiden, an wen sie sich richten, abgesehen vielleicht von den großen Treffs a la c/o pop.

Nichtsdestotrotz: Der Klangraum gehört zu den ambitioniertesten Festivals in der Unruhrzone, Mal Hoeschen und Martin Juhls sei Dank. Neuauflage erwünscht.