CULCHA CANDELA in der Zeche Carl Essen 09/10/05

Beginnt diese unsere Republik der hängenden Mundwinkel und obligaten Ruckreden eine Jetzt-erst-recht-Leidenschaft zu entwickeln? Man gewinnt diesen Eindruck, hört und sieht man eine Performance wie sie derzeit Culcha Candela auf ihrer Next generation tour zu bieten haben. Ein soundtrack, der so gar nicht zur aktuellen Miesepetrigkeit unserer Heimat passt.

In der Essener Zeche Carl startet zunächst jedoch Martin Jondo. Ein kleiner, properer Mann führt die Songs seiner ersten EP Rainbow Warrior vor und veranlasst das Publikum zum aufwärmenden, gemeinsamen Arme waven und Feuerzeuge zünden.

Diese Beschaulichkeit ersäuft allerdings in einem Schwall von Hyperaktivität als die sieben Jungs von Culcha Candela die Bühne bespringen. Der DJ und die sechs Rapper regeln die Betriebstemperatur in der Zeche mal ganz nach oben, so dass die kleinen Mädchen kreischen. Auch wenn das typische Hiphop line up showtechnisch eigentlich nicht viel hergibt, verstehen es die Jungs, es nie langweilig werden zu lassen. Das liegt bestimmt auch am eigenen Spaß, den die Culchies gutgelaunt verbreiten. Man merkt der Combo an, dass sie die Zeiten als sie vor 30 Leuten spielten noch nicht vergessen hat. Die Freude auf der Bühne, so viele Leute da unten zu sehen, ist bestimmt genauso groß wie die des Publikums, die sieben Berliner dort oben zu sehen.

Culcha Candela ist weit weg von dem Goldkettenscheiß, der die Klingeltonwerbung des Monopolsenders MTV häufig unterbricht. Aus der Konservenbüchse des DJs wummert Hiphop, Reggae, Reggaeton und Soca, gerappt wird in deutsch, englisch und spanisch. La Bicycletta macht mehr her als die deutsche Entsprechung, da zeigt sich, dass es nicht doof ist, all seine sprachlichen und musikalischen Fähigkeiten zum Wohle des großen Ganzen zu nutzen.

Und als dann sogar noch ein richtiges Instrument gespielt wird, steht die so etwas nicht gewohnte Hiphop-Crowd Kopf und alle Fotohandys recken sich nach oben, um Larsitos Percussionsolo für ewig auf die Festplatten zu bannen.

Wim Wenders und den anderen Alten sei erklärt, dass Culcha Candela sozusagen die moderne und quicklebendige Variante des Buena Vista Social Club ist. Denjenigen, die das bereits wissen, glauben mir, und gehen jetzt endlich hin und ihr, die ihr dort seid, hört auf die Jungs und bewegt euer’n Arsch.

Die weiteren Tourdaten findet ihr auf der homepage der Candelaber.