Gepflegte Verarsche - PETERLICHT im domicil Dortmund 03/11

PeterLicht gesehenDa steht er nun. Einfach so. Nach dem ganzen Hokus Pokus der letzten Jahre. Keine Bilder, keine Auftritte. Im Halbdunkel bei Schmidt. Da isser nun. Im Dortmunder domicil. Vom greisen MC angekündigt als der aussagekräftigste Welterklärer unserer Zeit. Als er die Bühne betritt, wird sichtbar, er ist der Horst Hrubesch der Hornbrillenträger. Das leibhaftige Licht.

Zur Unterstützung sitzt zu seiner Linken ein Mensch am Flügel, rechter Hand der Schlagzeuger. Doch Peterchens Stern strahlte weniger hell, wenn das Schlagwerk ordinär daher käme. Stattdessen sind Snare und Tom durch Pappkartons und leere Plastikflaschen ersetzt. Die Besetzung und Instrumentierung bedingt, dass sich die Zuhörer über wirkliche Alternativversionen freuen können. Allen voran das balladesk wirkende Es bleibt uns der Wind und das an Joe Jacksons Live-Version von Stepping out erinnernde Sonnendeck. Was bei den meisten Live-Auftritten Usus sein sollte, aber leider nicht ist, bekam man von PeterLicht: Altbekanntes Neues! Mundwinkel und Daumen nach oben.

Zwischenzeitlich lässt PeterLicht immer wieder Auszüge aus seinem Buch einfließen. Nicht an das Versmaß gebundene Gedanken zu Berufen und Nationalitäten. Man lacht natürlich über den alten Arsch Himalaya, grinst über Tante Wohlfahrtsstaat, freut sich über den Schlawiner Kapitalismus und feixt über die lieben Achtundsechziger. Doch schon bald fällt der Groschen. Der meint uns! Unsere Beamtengesänge, unser Wettentspannen, unseren Fuzzipelz.

Der nette Mann mit der Gitarre stößt uns mit der Nase auf uns selber. Wir merken's nur sehr spät. Als er die Texte zu Wir sind jung zum gemeinsamen Singen verteilt, ist das Publikum bereits derart paralysiert, dass es inbrünstig den Refrain schmettert: Wir machen uns eben Sorgen über unsere Chancen auf dem Arbeitsmarkt.  Dazu klampft Herr Licht om-artig auf der Sitar. 

Er weiß nur zu genau, sein Publikum rekrutiert sich zum überwiegenden Teil aus Besitzern von Mehrzonen-Tonnentaschenfederkernmatratzen. Menschen, die ihre Sorgen sonst für durchaus erörterungswürdig halten. Zu Rotwein und Antipasti beim Lieblingsitaliener. Therapeut Licht bringt seine Patienten jedoch dazu, ihre Schrullen schaurig-schön hinaus zu trällern. Selbsterkenntnis ist der erste Schritt zur Besserung. Sie sagen es, Herr Doktor.

PeterLicht schickt die Dortmunder nach Hause mit diesem Gefühl, eigentlich alles verstanden zu haben, aber letztlich doch nicht ganz ausschließen zu können, dass man sehr gepflegt verarscht wurde. Das Gefühl, das einen mit debilem Grinsen auf den Lippen sanft in den Schlaf wiegt, wenn man erst einmal das Licht gelöscht hat.

www.peterlicht.de

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Foto: Katja Helten