fear falls burning, gaumen, strotter inst., tim hecker, cuba, münster 12/05/06

Venuegilden, bruder- + schwesternschaften (ja, entgegen hartnäckigen gerüchten ist die geschlechtliche verteilung innerhalb der besucherschaft solcher konzerte so einseitig nicht), geheimbünde: bei konzerten im cuba, münster, beschleicht mich oft das gefühl, das hier etwas unter ausschluss der öffentlichkeit stattfindet.
und ich bin sicher: weder der veranstalter noch die künstler wollen das so.
also: demnächst mal mehr, bitte.

fear falls....sehr attraktives, auf den ersten blick aber auch ebenso gegensätzliches wie internationales billing: fear falls burning (belgien), gaumen (deutschland), strotter inc. (schweiz) + tim hecker (kanada) im mikroskopisch kleinen cuba, und es gab wieder mal einen interessanten aufbau unter strikter umgehung traditioneller bühnenarchitekturen: direkt am eingang die 5 lenco-plattenspieler + die effektsektion von strotter inst., skulpturhaft aufgeständert und mit werkstattneonleuchten behangen. daran anschließend ein oktoberfesttisch mit laptop, mixer und effekten auf und unter dem tisch (gaumen). dann die nicht weniger als 3 floorboards von fear falls burning + 1 weiteres, aufgeständertes effekt- und mischpult extra (...es waren wohl so ca. 18-20 bodeneffekte insgesamt) und dahinter tim heckers vergleichsweise kompakter arbeitsplatz mit laptop, kurzwellenempfängern + mixer. für das werte publikum blieb dann der platz auf der den ganzen raum an der wand entlang umrundenden stuhlreihe, unterbrochen von den videokameras und weiterem aufnahmegerät......visuals, projektionen: nein danke; dunkelheit und ein paar ruhige lampen (inklusive der von strotter inst.) verstärken die atmosphäre des hautnahen kontaktes.

gaumenfear falls burning beginnt den abend und legt, wie sich später bestätigen wird, den grundstein für die zentrale gemeinsamkeit des abends: jedes set besteht ausschließlich aus einem sich aufbauendem stück, im fall von fear falls burning beginnend mit den ruhigen, leisen und harmonischen drones der debut-do-cd "he spoke in dead tongues" bzw. der "carnival of our souls". fear falls burning in der mitte des raumes, augen geschlossen, kopfhörer auf und barsockig die effekt-choreografie bedienend, als einziger am heutigen abend ein traditionelles instrument (elektro-gitarre) als alleinige soundquelle benutzend. nach der ersten hälfte ein eruptiver wechsel mit der hinwendung zu tiefer gelegten akkordwolken mit fetter distortion. dazu e-bow und echt-bow, teils in kombination mit slide, die akkordpatterns mit melodiefragmeten + noise gegen den strich bürstend. perfekter spannungsbogen und guter dj-hafter abgang mit beiden händen an der filterbank. fear falls burning erlebt derzeit anscheinend nicht nur den totalen veröffentlichungsrausch (nach den beiden lp's auf tonefloat / ikon kommt jetzt ja noch zügig die zusammenarbeit mit "nadja" of aidan baker fame auf conspiracy plus eine pic-10" und eine 6 konzerte-live-dvd-compilation...), sondern ist auch in der lage, die stimmung seiner platten eindrucksvoll live umusetzen.
sehr netter mensch übrigens auch, wie ich im gespräch vor und nach dem konzert erleben konnte.

gaumen 2extrem kurze pause (ohne umbau, stand ja alles schon bzw. blieb auch weiter stehen), in ihrer betonten hektik (wg. drohendem konzert mit geräuschemmission im benachbarten laden) eigentlich das einzig störende an diesem abend...........und dann gaumen: kannte ich noch nicht und ich bin auch kein grosser fan der plundertronix-heroen, ist mir viel zu hektisch + zerfahren, zuviel vordergründiges chaos unter dem konzeptuellen deckmäntelchen des aufbrechens irgendwelcher althergebrachter hörgewohnheiten oder so was.
nicht so bei gaumen: zurückhaltend, bruchstückhaft, fast zögerlich im beginn, einen geheimnisvollen holzkasten zu knirpseligen geräuschen verführend und über laptop / effekte mit einem fraktalen sound spiegelnd, baute gaumen eine unglaublich stringente collage aus samples verschiedener musik und aus nachrichtensendungen (?) usw. auf, mit live-verfremdungen (pitch + speed) und einem bühnengebaren, das gleichermassen höchste konzentration und sportlichen ergeiz sowie innere gespanntheit an der grenze zum ausbruch vermittelte. starker kontrast also zum konzert von fear falls burning, nicht nur in der musik, sondern auch gegenüber dem zwar auch im stehen spielenden fear falls burning, der aber durch die kopfhörer und seine nur durch socken bedeckte barfüßigkeit einen wesentlich entrückteren eindruck hinterlies.

strotterauch nach gaumen mikropause und direkt weiter mit dem plattenspielerdompteur strotter inst.: dieser, äußerlich wie eine sympatische mischung aus catweazle und an einer tagung teilnehmenden, eigentlich aber entrücktem forscher wirkend (inkl. nahmensschild am anzug angesteckt), vertiefte sich sofort in seine durch schraubzwingen, gummibänder und irgendwelche fortsätze an den tonarmen veränderten plattenspieler, um diese mit glaskugeln, messern, präparierten platten und plastiktöpfen zu beladen. im mix extrem stringent und oft schon fast ungewöhnlich gerade und technoid, aber dadurch auch sehr überzeugend, strotter-groove-inst., sozusagen; dj im echtest möglichen wortsinn. für den, der sich das nicht vorstellen kann: eine halbe zerbrochene platte auf der slipmat wird so zum hihat, ein auf dem plattenteller liegendes messer, das pro umdrehung einmal gegen das gebeutelte system haut, zur bassdrum.
durch effekteinsatz auch flächen aufbauend, konnte strotter inst. zwischen daniel düsentrieb getriebenen lofi-gestus bis hin zu groovenden minus-kompatiblen minimalsounds alles abdecken.

strotter 2letzte pause und dann tim hecker, im sitzen, aber sehr aufmerksam, kein müdes aufrufen von dateien, scheinbar den nachhall der boxen überprüfend oder auf die botschaften der von ihm live eingemixten kurzwellenempfänger hörend. auch tim hecker den focus zunächst auf eher fraktale soundgebilde setzend, die aber vom start an von einer inneren unruhe getrieben durch den raum driften und sich sehr schnell zu einer typisch-tim-hecker-soundwolke verdichten, die in ihrem eigentümlich mittigen sound dabei eine so packende grösse und intensität entwickelt; ich bin sicher, im cuba über die hausanlage noch nie so einen gleichermassen guten wie lauten sound erlebt zu haben.
und tim hecker hatte neue sounds an bord, ohne mit seiner ästhetik zu brechen und ein arragement voll innerer dichte, unruhig treibend und mit gehörig schub; am ehesten mit seiner "my love is rotten to the core" zu vergleichen, ohne deren plakativen zitatgestus innezuhaben. wenn das hinweise auf den charakter eines neues albums sind, dann wird dieses album schlicht fantastisch.

heckerbis dahin: eigentlich hätte ich gern einen mitschnitt des gesamten abends....chronologie + einzelleistungen AAA+++.............(mindestens).

schöne grüße
n

ps: schöne grüsse von thuja an mal + gärdy

http://www.aufabwegen.de
http://www.muenster.org/cuba
http://www.geraeuschwelten.de
http://www.fearfallsburning.be
http://www.strotter.org
http://www.gak-bremen.de/automatenmusik.htm
www.sunblind.net