Nichts wie's mal war - MARKSCHEIDER KUNST im Grend 04/05/06

 

Meine Omma hat irgendwann gemeint, sie müsse sich nun bald verabschieden, diese Welt sei zu chaotisch für sie geworden. Das ist unromantisch, aber mit 92 hat man das Recht dazu. Dagegen müssen junge Hüpfer wie wir uns damit arrangieren, dass eine Band aus St. Petersburg tut, als käme sie aus Havanna, Kingston oder Kinshasa.

Es war einmal einfacher. Zu Zeiten, da in der Karibik Salsa, Merengue, Rumba, Ska und in Afrika Soukous, Kwassa-kwassa, Juju und Mbalax gespielt wurde. Gegenwärtig spielt man eine leidenschaftliche Mischung daraus in Russland. So ist das. Und zählt wohl eher zu den Sonnenseiten der Globalisierung. Weiß der Himmel, weshalb eine Band mit diesem Portfolio einen deutschen Namen wählt. Zudem eine deutsche Vokabel nutzt, die - pisageerdet gemutmaßt - 80 % der Deutschen nicht einmal kennen.

Als die Band zum Kennenlernen auf die Bühne tritt, beginnt ein klassisch strukturierter Rockpopgig. MK bringt die Meute, die 100 Leute im Grend mit schnellen Skanummern auf Trab und lässt später die Betriebstemperatur stagnieren, indem man ruhigere Latinstücke in Serie schaltet. Das Tempo wird mit Hilfe einiger Funknummern erneut verschärft, bis man die Anfangsgeschwindigkeit und den Ska wiedergefunden hat. Nachdem das Publikum die Band in die Zugabe getrieben hat, lässt die Band ein kleines bisschen russische Herkunft durchscheinen und selbst Klezmerklänge meint man zu erkennen.

Markscheider Kunst heißt all-inklusive. Diese Kapelle stillt in 90 Minuten den Multikultidurst des Auditoriums vollständig. Die soziokulturellen Thirtysomethings im Grend bewegen ihre müden Feierabendbeine, dass man sieht, warum das vor 150 Jahren „zappeln" hieß, und beißen herzhaft in den mitgebrachten Apfel.

Man hat etwas getan für das Gebein und das Gemüt. Am Ende sind Band und Besucher zusammen glücklich und das kulturhauptstädtische Revier hat gelernt, dass nicht nur das Markscheiden eine Kunst ist.

 

www.mkunst.ru

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