“The world can be an unfair place at times/ but your lows will have their complement of highs.” So heißt es in “Ambling Alp”, einem Song der Band Yeasayer. Ihr Konzert am 11. März in München ist definitiv zu den angesprochenen Höhen zu zählen.
Draußen herrscht ein Schneegestöber, das einen mehrfach darüber nachdenken lässt, ob man sich wirklich noch mal in die eisige Kälte begeben soll, um sich die angesagte Band aus Brooklyn überhaupt anzuschauen. Im 59:1 angekommen, verschlägt einem nicht nur die Masse an Menschen, sondern auch der als Support fungierende Alleinunterhalter Hush Hush den Atem, der ohne Band, aber mit elektrolastigen Backingtracks, einer exaltierten Tanzeinlage und ganz und gar nicht jugendfreien Texten dem Publikum mächtig einheizt.
So ist bereits eine gute Grundlage für den Mainact Yeasayer gelegt. Die drei festen und zwei Tourmitglieder haben ihre liebe Not, auf der kleinen Bühne einen Platz zu finden, von dem aus sie die eineinhalbstündige Show absolvieren können, denn sie ist komplett mit elektronischem und analogem Equipment der verschiedensten Art vollgestellt: Keyboards, Verstärker, Drumpads, Maracas, Tamburine… Hier steht nicht der Mensch, sondern die Maschine im Vordergrund. Ganz im Sinne ihres neuen Albums, in dem es im Gegenteil zum alten nicht mehr um die Gegenwart, Mensch und Natur, um Entwicklung von Kultur und Gesellschaft hin zur Post-Globalisierung geht, sondern das seinen Blick Richtung Zukunft lenkt. Nicht, ohne ganz offensichtliche Referenzen in den 80ern und der aktuellen Musiklandschaft zu finden, sich bei Prince und frühen Madonna-Songs, zeitgenössischem R&B und Hip-Hop, Progressive Rock und indischen Sounds zu bedienen.
Schnell wird offensichtlich, dass Yeasayer eine Band sind, die es schafft, ihren Songs live noch einiges mehr abzugewinnen, als diese auf dem Album vermitteln. Und so verschieben sich Referenzen, wird ein Pop-Song rockiger, schleichen sich Bollywood-Sounds an Stellen, an denen sie vorher nicht waren und dominiert die Elektronik das gesamte Set. Wie die Lieder auf dem aktuellen Album den verschiedensten Genres angehören oder diese vereinen, so deckt auch die Lightshow, die auf vier große Leinwände projiziert wird, die hinter der Band platziert sind, und die Podeste erleuchtet, auf denen sich die Keyboards befinden, alle Farben des Spektrums ab. Eine Farbetherapie an einem grauen Wintertag.
Kunterbunt geht es auch in der Band selbst zu. Denn auch hier wird das Motto “Vielfältigkeit” perfekt umgesetzt. So perfekt, dass jedes Mitglied einer anderen Band entsprungen sein könnte, um sich zu diesem All-Star-Team zusammenzufinden. Bassist Ira Wolf Tuton kommt in Springerstiefeln, enger, schwarzer Jeans und Holzfällerhemd daher und erinnert an Grunge-Vertreter aus den 90ern, Sänger Chris Keating hat sich für einen schwarzen Overall entschieden und könnte hinter dem Synthesizer eines Elektro-Outfits stehen (allein die goldene Brosche, die er sicher seiner nichts ahnenden Granny entwendet hat, passt nicht so ganz ins Bild, was wiederum perfekt ins Bild passt), Gitarrist Anand Wilder trägt ebenfalls einen Overall, doch ziert seinen ein Camouflage-Muster, wodurch er wirkt wie die Inkarnation eines Mitglieds der animierten Kultband Gorillaz, der Mann hinter den Synthies und Computern gibt den Gediegenen in Hemd und Blazer und der Drummer hat sich offensichtlich dem kulturellen Austausch verschrieben und als Accessoire einen Filzhut nach Sennerart mitgebracht.
Die Mischung von alten und neuen Songs (wobei letztere überwiegen) stellen sowohl alte als auch neue Fans zufrieden und die Zugabe, die von Sänger Chris Keating erst kategorisch abgelehnt wird (“those shitty encores”), schließt dann doch ohne Pause direkt an das Mainset an. Mit einer Vorfreude auf den (hoffentlich bald) kommenden Frühling, Farben im Herzen und Musik im Kopf strömt das ausgepowerte Publikum in das garstige Schneegestöber, das einen niemals davon abhalten sollte, einen solch großartigen Live-Act zu genießen.