26/03/08 Die Editors in Zürich: musikalischer Rauschzustand

Tom SmithIrgendwann Anfang des neuen Jahrtausends trafen sich vier Jungs an der Staffordshire University, England. Sie besuchten alle denselben Studiengang - music technology - und es dauerte nicht lange, da wurden Tom Smith, Chris Urbanowicz, Russell Leetch und Ed Lay dicke Freunde. Jeder von ihnen spielt ein Instrument, also war es durchaus nichts Ungewöhnliches, dass aus der Freundschaft auch eine Arbeitsgemeinschaft wurde. Denn an der Uni hatten die Musizierfreudigen Zugang zu Proberäumen und Studios mit probater Aufnahmetechnik. Was lag also näher, als einfach mal drauflos zu probieren. Zu dieser Zeit liefen bei den Jungs zwei Bands rauf und runter: The Strokes und Elbow. Dieser Sound beeinflusst den Musikteppich der Editors nachhaltig: kontrastreiches Miteinander von schnellem, schreienden Rock'n'Roll und harmonischer, herzzerreißender Melodramatik.

Russell LeetchDer Rest ist Geschichte. Die erste Single der Editors „Blood" erschien in limitierter Auflage (500 Stück Vinyl und 1000 Stück CD) und war innerhalb eines Tages ausverkauft. Als Support von The Bravery, Oceansize und Franz Ferdinand erspielten sie sich eine feste Fanbase. Ihr erstes Album „The Back Room" wurde vergoldet. Das zweite Album „An End has a Start" erreichte quasi über Nacht die Nummer 1 in Großbritannien. Mit diesem Album tourten die Senkrechtstarter jetzt durch Europa. Während sie in Großbritannien mittlerweile Hallen jenseits der 12,000 Zuschauer-Kapazitäten bespielen, kann man sie hierzulande noch in den mittelgroßen, überschaubaren Hallen erleben. Was auch gut so ist. Denn die Live-Show der Editors entfaltet im kleinen Rahmen noch stärker ihr elektrisierendes Potential. Hat man das Glück, im Dunstkreis des Sängers zu stehen, wird das Konzert zu einer ekstatischen musikalischen Reise. Den Reihen 5-95 bleibt immerhin ein unvergessliches Konzerterlebnis.

Ed LayDie Show beginnt mit dem ruhigen, fast hypnotischen Song „Camera". Tom Smith bleibt während des Lieds im Hintergrund am Keyboard. Doch sein tiefer, eindringlicher Gesang bereitet das Publikum schon mal auf das vor, was dem leisen Start folgen wird. Erst mal tief Luft holen, bevor die Zuschauer in den Rausch gesungen werden. Beim zweiten Lied „An End has a Start" springt der Funke dann über. Von jetzt an treiben die kreischenden Saiteninstrumente, das schnelle Schlagzeug und der intensive Gesang das Konzert voran. Über allem aber steht die Performance von Tom Smith. Auf der Bühne entfaltet der sonst eher unauffällige Frontmann eine Ausstrahlung, die man ganz selten auf Live-Shows findet. Das liegt vor allem daran, dass er selber in seiner Musik verschwindet. Wenn er z.B. beim Klavierspielen mit geschlossenen Augen seine flache Hand aufs Piano legt, um die Vibrationen zu spüren. Oder wenn er verzweifelt versucht, die Gitarre um seinen Körper zu schlingen, so als ob er ein Teil von ihr sein möchte. Wenn er während des Singens wie in Trance in einer bizarren Pose verharrt, als ob plötzlich seine Batterie stehen geblieben wäre oder er diesen einen Moment bis aufs letzte Auskosten möchte. Dann hört man die Musik nicht nur, sondern man spürt sie. Diese kleinen, charismatischen Posen machen das Konzert zu einer besonderen Erfahrung.

Tom SmithGegen Ende der Sets ziehen Tom und Russell die Geschwindigkeit mit einem Akustikset von „Push your Head" wieder herunter. Somit geben sie dem Zuschauer erneut die Möglichkeit des Luftholens. Und sie bereiten ihn gleichzeitig auf die beiden letzten Stücke (vor der Zugabe) vor. „Bones" mit seiner kontrastreichen Energie ist die perfekte Steilvorlage für das letzte Lied: Bei „Fingers in the Factory" wird Vollgas gegeben. Wer über meditative Vorkenntnisse verfügt oder es einfach so schafft, bei der richtigen Musik total abzuschalten, der kann bei diesem Lied mit Leichtigkeit aus dem eigenen Selbst heraustreten. Das leere Ich wird empfänglich für die Welt der Editors, und plötzlich wird der Zuschauer zum Träger ihrer musikalischen Erfahrungen. So wird er ein Teil des Rauschzustands, den die Band auf der Bühne erlebt. Und aus Musik wird Ekstase.


Nächste Termine
31/05 Pinkpop, Landgraaf, Holland
05/07 Melt, Gräfenhainichen, Deutschland
18/07 Rock Werchter, Werchter, Belgien

Konzertfotos mit freundlicher Genehmigung von Dani Vorndran 
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