Spillsbury - 2

ImageVor zwei Jahren spielten Spillsbury mit ihrem Debüt "Raus" alles in Grund und Boden. Beschleunigung war angesagt, Pausen gab es nicht.  Das Album saß einfach wie eine Faust, war frisch, ohne überflüssigen Schnickschnack und voller Energie. Über dem Squenzergeratter und Brätzbass sang Sängerin Zoe mit genervter Stimme Texten im Parolenformat, die es wert waren auf Wände geschmiert zu werden. Spillsburys Elektropunk passte perfekt in das 80er Revival und wurde von der Presse entsprechend bejubelt.

Im Oktober erschien nun das zweite Spillsbury Album mit dem überraschenden Titel „2“ (L'AGE DOR). Es gibt nicht wenige Leute die bei einem zweiten Spillsbury Album gleich abwinken. Von den 80ern will doch so langsam keiner mehr was wissen. Und was soll nach so einem Debüt noch kommen? Die Band in der Kritikerfalle: Machen sie da weiter wo sie aufgehört haben, schreien alle Stillstand und 80er Retrotrash, werden sie ruhiger, schreien alle Julimond.

Aber Spillsbury sind auf "2" geschickt genug sich aus diesem Dilemma zu befreien. Die Energie bleibt, aber die „1, 2, 3 Go“ Attitüde wird ein wenig zurückgestellt. Statt dessen ist die Musik auf „2“ komplexer geworden. Das Songwriting ist nicht mehr so einfach, wodurch das Album abwechslungsreicher ist, als das doch etwas gleichförmige "Raus". Dies beinhaltet allerdings auch Experimente die einfach nicht funktionieren, wie der Versuch von Zoe in „Nein“ ein paar Zeilen mit einen rappartigen Flow hinzubekommen - was auch durch die folgenden Gastreime von Denyo (Absolute Beginner) nicht besser wird. Das passt nicht zusammen. Dafür findet sich neben den typischen Elektropunk-Smashern wie „Fallout“ und „Fade away“ einfach schöne Popsongs im Spillsbury-Format. Hat Zoe bislang meist noch alles genervt rausgeschrien, zeigt sie nun auf der kompletten Platte, dass ihre Stimme vielfältiger, als das nach "Raus" zu erahnen war. Wer hätte schon ein Stück wie „Common Sense“ von Spillsbury erwartet?
 
Das Schöne an "2" ist, dass die Band sich nicht einfach selbst recycelt, aber den Weichspüler zum Glück auch im Schrank lässt. Und so wirkt die Musik mit ihrer Energie immer noch bestens gegen träges rumluschen. Enttäuscht dürfte nur der sein, der wirklich dachte Spillsbury würden ein zweites "Raus" aufnehmen. Pech gehabt!

Nach Abschluss der Tour zum neuen Album sprach Unruhr mit Tobias Asche von Spillsbury...

Ihr habt gerade eure Tour beendet. Wie seid ihr denn mit den Konzerten und Reaktionen auf die neue Platte zufrieden?

ImageSpillsbury:
die reaktionen kamen wie erwartet. ist wahrscheinlich normal, das die kritiken erstmal geteilt sind, wenn man etwas neues versucht und nicht auf dem gewohnten rumreitet. hätten wir eine direkte fortsetzung von raus produziert, wäre dies wohl bemängelt worden.... uns gefällt die platte sehr gut, und sie wurde auch auf der tour gut angenommen!

In der Presse konnte man ja zum Teil wieder das altbekannte Phänomen feststellen: Vor 2 Jahren wurdet ihr noch bejubelt – alles konnte nicht genug nach C64 und Oktavbässen klingen und nun wenden sich genau diese Leute mit Grausen ab, die einst die 80er abgefeiert haben. Wie kann man als Musiker mit solchen Zeitgeist-Sklaven umgehen?

Spillsbury:
am besten gar nicht. genauso wenig, wie musiker versuchen sollten irgendwelche aktuellen styles zu kopieren oder aufgrund guter kritiken dieselbe schiene immer weiter zufahren, genauso wenig sollte man sich von kritiken beeinflussen lassen und seinen eigenen stil deshalb ändern. solange man als band/musiker ehrlich hinter der eigenen musik stehen kann, ist alles gut.

Die Überraschung auf "2" ist für mich der Song "Common Sense": Meine spontane Reaktion war ein tief bewegtes "Boah" mit anschließendem Drücken der Repeat-Taste. Für euch auch ein ganz besonderer Song oder nur ruhiger Gegenpol zu den ganzen Vorpresch-Stücken?

Spillsbury:
tatsächlich ist der song der aktuellste auf der platte. allerdings war er nicht bewusst als gegenpol geplant, sondern passt sehr gut als abschluss, vielleicht sogar als resumee von 2... vielleicht sogar von 2 und RAUS :)

Eure Slogandichte in den Texten ist ja immens hoch. Für viele mag das ein Graus sein, aber wenns gelingt, dann ist es großartig und man möchte am liebsten Wände damit beschmieren. Wie entstehen die Texte bei euch?

Spillsbury:
ich habe häufig kurze textpassagen oder ideen im kopf, die ich dann eine weile mit mir rumtrage und mit anderem kram kombiniere. wenn ein text soweit ausgedacht ist, schreib ich ihn auf und wir schauen, wie denn wohl der song dazu sein könnte. zoe baut dann die gesangsmelodien und der text wird entsprechend angepasst und überraschen oft passt es ganz wunderbar...

Das Album wurde wieder im Soundgarden zusammen mit Chris von Rautenkranz aufgenommen. Wie wichtig ist sein Einfluss bei der Produktion?

ImageSpillsbury:
die songs an sich sind fertig, wenn wir ins studio gehen, d.h. ich nehme die spuren mit ins studio und wir feilen den mix und sound mit chris zusammen aus. chris hat einfach den überblick über soundmöglichkeiten und „wiedasallesklingenkann“ hat und auch immer gute ideen für zusätzliche details. sehr angenehm!

In Berlin seit ihr im Rahmen der "I can´t relax Deutschland" Konzertreihe aufgetreten. Ziel dieser Initiative ist es ja die Stimme zu erheben gegen die Popularisierung der Nation. Polarisieren wir mal:

Die einen wollen (angeblich), dass Deutschland endlich eine unverkrampfte Beziehung zum eigenen, friedensbewegten Nationalgefühl entwickelt, und treten quasi für eine Regionalisierung ein. Sie sollten eigentlich alle CSU wählen.

Die anderen glauben, dass das Nationale grundsätzlich keine Bedeutung für die Musik und die Popkultur haben sollte. Sie sind also Vertreter der Individualisierung und Globalisierung und müssten alle FDP wählen.

Hmmm, da stimmt doch was nicht!??

Spillsbury:
da stimmt allerdings was nicht. leider wird mir deine polarisierung und auch der sinn dahinter nicht ganz klar, deshalb dieses: musik ist nicht national gebunden. texte sind wegen der sprache, in der sie verfasst sind quasi regional gebunden, vom sinn her natürlich wieder nicht. wenn nun musik als "national" gekennzeichnet wird, kann das immer nur aufgrund von nationalen textinhalten kommen, die sprache an sich ist da nicht ausschlaggebend, jeder halt so, wie er sich am besten ausdrücken kann. das in deutschland einiges schief läuft ist wohl klar. wie stark da die problematik von "nation und musik" ist, sei mal dahingestellt, ich denke, es gibt grössere probleme zu lösen. (stand: 2.11.2005).

Letzte Frage: Eure musikalische Sozialisation?

Spillsbury:
ich habe vor spillsbury hauptsächlich "gitarrenmusik" gehört, speziell punkrock und ein paar hardcore geschichten. bin dann erst später auf elektronische varianten gestossen...

www.spillsbury.de
www.ladomat.de

Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

[Bilder Pressefreigabe]