Kratzeis: "Ach ja, übersteuert ist es auch..."

KratzeisKratzeis klingt nach Kälte und klammen Fingern. Jeder weiß aber auch, dass man beim Malträtieren des Kratzeises gehörig ins Schwitzen kommt, Kalorien abbaut und den niedrigst motivierten Aggressionen nachhängen kann. Ungestraft. Was das bedeutet? Ich weiß es nicht, aber es klingt als Einleitungstext für diese Band nicht schlecht. Weil es Assoziationen weckt und Emotionen auslöst. So wie Holger, Dom und Frederik, Kratzeis eben, eine Band, deren Downloads im iTunes in folgenden Musikrichtungen lokalisiert werden: Dance, Death Metal, Blues, Chanson, Country, Polka. Alles klar? Um ehrlich zu sein: Kaum zu glauben, dass es einen derartig ungewöhnlichen Sound zwischen den Türen, Spillsbury und Sportfreunde Stiller im Unruhrgebiet überhaupt gibt, dazu noch aus der sonst eher konservativen Punkecke. Warum? Weil das nach einer neuen Art Pop klingt, die man sonst nur aus Haupt- oder Hansestadtgefilden kennt. Wie das zustande gekommen ist, erklärte uns Holger Krause im Interview.

Ich habe gelesen, dass ihr ursprünglich aus Castrop kommt. Das ist ein hartes Schicksal, das wir teilen. Wie sehr hat euch das geprägt?

Das ist tatsächlich ein hartes Schicksal, das Frederick glücklicherweise nicht teilen musste! Für mich war schon immer das Schönste an Castrop die Ortsausgangsschilder nach Bochum und Dortmund. Das sieht Dom wahrscheinlich etwas anders …

Mit Verlaub: Sätze wie "rocken die Scheiße fett" (s. Homepage der Band) liest man normalerweise auf Homepages von mittelmäßigen Coverbands, die Bon Jovi nachdudeln. Und überhaupt: Ihr spielt auf einem Festival für elektronische Musik: Da wird üblicherweise nicht gerockt. Was unterscheidet euch also von mittelmäßigen Coverrockbands?

Wir covern nicht, wir machen „elektronische“ Musik, wir rocken die scheiße fett…

KratzeisWerden wir von Journalistenseite mal sachlicher: Auch wenn ihr nicht so gerne Infos verfasst - könnt ihr etwas über eure Bandgeschichte erzählen?

Eigentlich wollten wir eine Bon-Jovi-Coverband werden, weil wir dann immer nur deren „Bandgeschichte“ zitieren müssten, dann hab ich aber bemerkt, dass ich mit Dauerwelle wirklich scheiße aussehe … es kommt immer anders als man denkt!
Nebenbei verbinden uns mittlerweile knappe zehn Jahre gemeinsames Musikmachen in verschiedenen Bands. Musikalisch war das im weitesten Sinne immer eher Punkrock.

Wie seid ihr auf die Idee gekommen, elektronische Elemente einzubauen? So etwas ist im Ruhrgebiet wirklich selten. Gibt es eine Art Konzept? Wer schreibt die Songs?

Das war nicht wirklich eine Idee; irgendwann ergab sich das einfach so. Wir haben festgestellt, dass wir mit dem Computer alle Song- und Soundideen, die durch unsere Köpfe schwirren, umsetzen können. Da wir alle inzwischen musikalisch an mehr oder weniger allem interessiert sind, was musikalisch in Westeuropa irgendeine Bedeutung hat, ergibt sich halt das, was wir gerade in die Welt schreien …
Die Songs werden eigentlich ausschließlich gemeinsam gebaut und sind letztlich nie von vornherein komplett geplant … die Songs entstehen halt …

Man soll das Thema im Prinzip nicht überstrapazieren, aber: Was glaubt ihr, warum es so wenig Bands aus dem Ruhrgebiet schaffen, mal über die hiesigen Grenzen hinaus bekannt zu werden? Ihr scheint da irgendwie auf einem guten Weg zu sein: Wie wollt ihr den Sprung endgültig schaffen?

Dass das so ist, ist mir auch schon aufgefallen – warum das so ist, sollte man besser nen Soziologen fragen! Da könnte ich ne Menge schwachsinniger Theorien aufstellen, die aber alle nur vage Vermutungen wären.
In Sachen Erfolg: Einer von uns wird sich wohl dazu herablassen müssen, mit dem Boss der BMG ins Bett zu steigen. Ansonsten könnten noch die Veröffentlichung unseres Debüts im Sommer 2006, regelmäßige Auftritte und natürlich „Decoder Records“ helfen …

Seid ihr oder einige von euch auch noch in anderen musikalischen Projekten aktiv?

Mittlerweile: Nein.

KratzeisMal abgesehen von Musik - wovon lasst ihr euch sonst noch beeinflussen? Man kann doch nicht immer nur in Songstrukturen denken, oder? Gibt es ein Leben neben der Musik? Was macht ihr?

Dom: Reiten, Angeln und Mathe
Frederik: Denken, Musik raten und Rad fahren
Holger: auf Dom und Frederik aufpassen, Rumgucken, Sachen machen

Was haben wir in der Bastion zu erwarten, wenn ihr am Samstag dort spielt?

Die Pyroeffekte von Rammstein, die Choreographien der Backstreet-Boys, den Sex von Shakira, die Bassdrum von Scooter und die Verpackung aus deutschsprachigem Indie-Rock von uns! Ach ja, übersteuert ist es auch …

http://www.kratzeis.com/ (inkl. Songs zum Download)
http://www.decoder-records.com/ (Label)
http://www.no-budget-arts.de/