The Parlotones: "Musik ist vor allem Eskapismus"

Kahn Morbee und Neil PauwFußball ist nicht das Erste, was einem in den Sinn kommt, wenn man an Südafrika denkt. Aber dennoch ist das Land im nächsten Jahr Gastgeber der WM. Geht es um Rock, im Speziellen des Bereichs Indie, verhält es sich nicht anders: Man käme nie auf den Gedanken, eine erfolgreiche Band könne gerade aus der Regenbogennation stammen. The Parlotones zeigen, dass es immer auch Ausnahmen der Regel und Überraschungen geben kann.

Kahn Morbee (Gesang), Neil Pauw (Schlagzeug) und die Brüder Paul (Gitarre) und Glen Hogdson (Bass, Synth), können mittlerweile bereits drei Langspieler vorweisen und sind in Afrika schon lange kein Geheimtipp mehr. Jetzt sind sie gerade dabei, auch Europa im Sturm zu erobern. Kürzlich führte sie eine Tour auch durch deutsche Lande und gab mir die Gelegenheit, mich mit Kahn und Neil über schicksalhafte Mantras, zerbrechliche Träume und Bigfoot zu unterhalten.

Erst mal muss ich wissen: Wer von euch liest denn die InTouch (die im Backstageraum auf dem Sofa liegt, Anm.)?
Kahn: Wir sind da drin.

Ja klar, es gibt immer eine Erklärung Zwinkernd!
K: Nein, wir sind wirklich drin, da siehst du? (zeigt auf die Rezension ihres neuen Albums)

Ich glaub's euch ja! Das ist eure erste Headlining-Tour in Deutschland, richtig?
K: Ja, genau.

Wie war sie bisher?
K: Großartig! Überraschend gut. Da es unsere erste Headlining-Tour ist, dachten wir, es kämen nur wenige Leute zu unseren Shows, aber sie sind doch immer  recht voll gewesen. Überraschend war auch, dass einige unserer Fans schon die Texte der Lieder kennen und mitsingen. Entweder haben sie uns auf YouTube entdeckt oder durch Freunde. Es ist fast so, als würden wir zuhause spielen.

Wie ist denn der Unterschied zu Shows in Südafrika. Ich meine, da seid ihr ja schon richtig bekannt, aber hier fängt es gerade erst für euch an, das heißt, ihr müsst zurück in kleine Clubs. Wie ist das für euch?
K: Ganz cool. Gerade als wir in Südafrika anfingen, die großen Hallen zu spielen, kamen wir nach Europa und mussten zurück in kleine Clubs. Daher fühlt es sich fast so an, als hätten wir die kleinen nie verlassen, weil wir es bis dahin andauernd gemacht haben. Und ehrlich gesagt: Wir mögen es. Manchmal ist es besser, als eine große Bühne zu bespielen, weil man eine bessere Verbindung zum Publikum aufbauen kann. Und auch zur Band, denn auf einer großen Bühne sitzt der Drummer ganz hinten, der Gitarrist steht fünf Meter rechts von dir. Man fühlt sich total isoliert.

Neil PauwDas höre ich immer von Bands, dass in einem intimen Venue die Verbindung zum Publikum viel enger ist. Und wie wirkt sich das auf eure Performance aus? Ist die in einem kleinen Club irgendwie anders als in einer großen Halle?
K:  Ich glaube, ich performe gleich. Oder auch nicht. Ich meine man zehrt von der Energie und der Sound ist anders.
Neil: Man hat ein ganz anderes Klangerlebnis. Es ist vergleichbar damit, wenn man Musik über Kopfhörer hört im Gegensatz dazu wenn sie aus dem Autoradio kommt. Ich kann dann besser performen.
K: Wenn wir auf einer großen Bühne stehen, versuchen wir immer, eine kleine nachzuahmen. Wir versuchen, uns nahe zusammen zu stellen.

Habt ihr keine großen Bühnenproduktionen mit vielen Extras?
K: Doch, wir haben auch große LED-Screens und anderes.

Auf der Bühne habt ihr ja immer einen Uniformlook, schwarze Anzüge und rote Krawatten. Das erinnert mich total an My Chemical Romance in ihrer „Three Cheers for Sweet Revenge"-Phase. Haben sie euch stilistisch irgendwie beeinflusst?
K: Nicht wirklich. Es war eher ein Zufall. Natürlich kenne ich My Chemical Romance seit sie „Welcome to the Black Parade" rausgebracht haben, aber davor kannte ich sie nicht. Jetzt wo wir Fotos von ihnen gesehen haben, werden wir  unsere Uniformen ändern. Wenn wir nach Südafrika zurückfahren, legen wir uns einen neuen Look zu. Aber er wird immer noch uniform sein, denn wir finden es wichtig, auf der Bühne etwas Besonders zu bringen.

Und vielleicht als Band eine Einheit zu sein?
K: Ja. Und wenn Leute zu einem Konzert gehen, erwarten sie, dass man sich Mühe gibt, auch das Visuelle betreffend. Ich glaube, dann nehmen die Leute einen eher ernst.

Wann hast du angefangen, dein mittlerweile typisches Make-Up zu tragen? Wie hat das angefangen?
K: Wir haben bei einer Party gespielt, die das Motto „Glam Vamp" hatte. Wir spielten Sachen von, David Bowie und all das Zeug und schminkten uns. Dann haben wir es behalten. Außerdem haben wir den Film „Uhrwerk Orange" gesehen, in dem die Jungs das auf einer Seite haben.  Wir hielten das für eine coole Symbolik und  haben es dann auf beiden gemacht.

The Parlotones @ Atomic Café, MunichIch werde euch jetzt ein paar Bands nennen, die ich bei euren Alben heraushöre, auch wenn es nur eine Ahnung ist, und ihr sagt mir, was ihr davon haltet.

The Killers
K + N: Ja.

Keane
K + N: Ja.

U2
K: Ich mag sie, aber er nicht.

Warum?
N: Ihre Lieder sind sehr gut, aber irgendwie gefällt mir Bonos Stimme nicht.

Smashing Pumpkins
K: Ja, besonders „Mellon Collie and the Infinite Sadness" war ein Album, das ich zu einer Zeit nur gehört hab.

Placebo
K: Ja. Nicht unbedingt ich, aber Neil und Paul mögen sie sehr gerne.

Und natürlich Radiohead.
K: Radiohead ohne Zweifel. Wir wurden schon mal „Radiohead Rapists" genannt.

Nicht sehr schmeichelhaft.
K: Nein, überhaupt nicht. Das war in einer schlechten Rezension.  Da wurde gesagt, wir würden ihre Art von Musik vergewaltigen.

In eurem Lied „Louder Than Bombs" gibt es die Textzeile: „Finally it's happening". Der Song oder das Album kam heraus, als es für euch gerade anfing richtig bergauf zu gehen. Glaubt ihr ans Schicksal oder selbsterfüllende Prophezeiungen oder eher an harte Arbeit?
K: Noch bevor ich das geschrieben habe, hab ich daran geglaubt, dass man alles erreichen kann, wenn man etwas wirklich will. Natürlich muss man auch hart arbeiten, man kann nicht nur dasitzen und mantramäßig aufsagen: „Ich will Millionär werden." Man kann sein eigenes Schicksal beeinflussen, solange man sich dafür entscheidet, einen bestimmten Weg einzuschlagen und diesen dann ohne Bedenken zu verfolgen.

Ihr teilt ja eure Zeit zwischen Johannisburg und London auf. Wie bringt ihr das alles unter einen Hut?
K: Eigentlich teilen wir unsere Zeit zwischen viel mehr Orten auf. In Südafrika machen wir die Aufnahmen in Capetown, leben aber in Johannisburg. Außerdem sind wir oft auf Tour. Ich würde sagen, wir verbringen sechs oder sieben Monate im Jahr in Südafrika und den Rest im Ausland. Ich weiß, auf unserer MySpace-Seite steht Johannisburg und London, aber eigentlich sollten wir das ändern. Wir sollten einfach schreiben: Bürger der Welt.

Aber wenn wir jetzt doch noch mal an Johannisburg und London festhalten: In welcher Art und Weise beeinflussen die beiden unterschiedlichen Städte oder auch Länder eure Musik, euer Songwriting?
K: Die britische Musikszene hat uns definitiv beeinflusst, als wir aufgewachsen sind. Radiohead, The Smiths, The Cure oder die Beatles, die unser größter Einfluss waren. Muse sind immer noch ein großer Einfluss. Eine großartige Band. In Südafrika gab es nicht viele Rockbands als wir aufgewachsen sind, erst in unseren letzten High-School-Jahren hatte die Rockmusik ein Comeback. Aber leider lösen sich viele Bands sich gerade dann auf, wenn man meint, dass sie etwas erreicht haben.

Ist das besonders in Südafrika so?
K: Ja, besonders dort. Es ist ziemlich schwierig, sich in der Szene dort durchzusetzen. Man muss auf dem Weg zum Erfolg viele Opfer bringen, Jobs, Beziehungen. Und wenn man sich vorstellt, dass vier oder fünf Jungs auf derselben Wellenlänge liegen und all diese Opfer bringen müssen... Auch wenn sie genug Talent oder Potential haben, es nutzt ihnen nichts, wenn der Wille nicht groß genug ist, diesen Traum zu verwirklichen. Dann zerbricht er.

Kahn MorbeeAuf euren letzten beiden Alben nehmt ihr den Hörer mit in andere Welten. Auf „Radiocontrolledrobot" erwähnt ihr Hexen, Trolle, Zauberer und Roboter in euren Texten, auf dem aktuellen „A World Next Door to Yours" verwendet ihr eine Menge Weltraumterminologie. Wollt ihr eigentlich in einer Fantasiewelt leben, die besser ist als diese?
K: Der Hörer möchte etwas haben, mit dem er sich identifizieren kann. Letztendlich sind Lieder der Spiegel der Gesellschaft. Mit unserer Musik wollen wir Menschen an einen anderen Ort mitnehmen. Es geht vor allem um Eskapismus. Man kann einen beschissenen Tag vergessen oder sich an einen schönen erinnern. Ein Lied kann viele schöne Erinnerungen wachrufen. Das ist die Essenz des Ganzen. Manchmal ist es unbeabsichtigt, aber du hast recht, wenn ich an die beiden Alben denke, verwenden sie wirklich ein Fantasy-Element. Auch auf dem kommenden Album findet man dieses Element.

Also ist schon ein neues in der Mache?
K: Ja, wir arbeiten schon dran. Aber es wir erst im nächsten Jahr erscheinen.

Letzte Frage: Welches Fabelwesen wärt ihr?
K: Gute Frage! Ich wäre wahrscheinlich Cupid, den hab ich auf meinem Arm (zeigt ein sehr kunstvolles Tattoo auf seinem rechten Oberarm).
N: Wie wärs mit Bigfoot, würde der als Fabelwesen gelten?
K: Nicht wirklich. Er war nicht Teil der Mythologie.

Warum gerade Bigfoot? Wahrscheinlich, weil er keine Interviews geben musste, oder?
N (lacht): Er lebt ganz allein und hat seine Ruhe.

Die habt ihr jetzt auch wieder. Vielen Dank für das nette Gespräch!

http://www.myspace.com/theparlotones