Moke: "Die Frisur hilft bestimmt"

MokeNicht nur Tulpen kommen aus der niederländischen Hauptstadt, sondern auch eine Indieband, die sich anschickt, neben dem Käse zum bekanntesten Exportschlager unserer Wohnmobil liebenden Nachbarn zu werden. Doch genug der Klischees, denn wenn Moke eines nicht tun, dann ist dies, irgendwelche Klischees zu bedienen.

Die Bandmitglieder Felix Maginn (Gesang, Gitarre), Phil Tilli (Gitarre), Marcin Felis (Bass), Rob Klerkx (Schlagzeug) und Eddy Steeneken (Keyboard), die sich vorzugsweise in Schwarz und fast uniform einkleiden - was sich als für ihre Karriere sehr positiv erweisen sollte (s.u.) - haben den alterstechnischen Zenith der mittlerweile zu einem Stereotyp mutierten insularen Indie-Acts bereits um ein paar Jahre überschritten, der Sänger hat keine wilde Lockenmähne - was sich als für die Gründung der Band sehr positiv erweisen sollte (s.u.) - und entstammen eben nicht wie zuvor erwähnte Kollegen dem für die mannigfaltigen Unterarten der pilzköpfigen Erben so fertilen Eiland - außer dem Sänger, der als geborener Nordire faktisch zu den Untertanen des Vereinigten Königreichs zählt - was sich als für die Texte sehr positiv erweisen sollte (s.u.).

Hierzulande sind sie bis dato kaum bekannt, obwohl sie bereits von einigen bekannteren Kollegen als Supportact herumgereicht wurden. Das könnte sich aber in naher Zukunft schlagartig ändern, da sie zwei Tage vor diesem Interview den bisher größten Coup ihrer Karriere - und es gab schon so einige (s.u.) - landen konnten: einen Vertrag mit dem Majorlabel Universal Germany. Ob das ein Segen oder ein Fluch sein wird (man beachte diverse unruhr-Interviews in denen die (In)Kompetenz  der großen Plattenfirmen thematisiert wurde), vermag wohl nur die Zeit zu zeigen.

Wir hatten die Möglichkeit uns mit den journalistisch noch unverbrauchten Bandmitgliedern Felix und Phil über Telefonanrufe, Häkelkurse und Frisuren zu unterhalten.


Phil TilliIhr tourt ja ständig mit großen Indie Acts wie The Kooks, Razorlight und jetzt Keane. Angefangen hat aber alles mit Paul Weller. Erst ein Jahr nach eurer Gründung wart ihr der Support bei zwei seiner Shows in London. Wie kam es dazu?

Phil: Wir haben Paul während den Aufnahmen zu unserem Debütalbum kennen gelernt. Er ist in den letzten Jahren sehr oft in Amsterdam gewesen, um im selben Studio wie wir aufzunehmen. Wir hatten ihn vorher schon in einer Bar getroffen, und die Chemie zwischen uns hat einfach gepasst. Er nahm zu der Zeit auch gerade auf und fragte unseren Produzenten, mit dem er auch schon gearbeitet hatte: „Kann ich mal in das Material der Jungs reinhören, mit denen ich neulich getrunken habe? Das sind lustige Kerle." Am nächsten Tag gingen wir wieder in die Bar, in der wir ihn getroffen hatten. Er war auch da, stand auf und applaudierte. Er war von unseren Sachen beeindruckt und sagte zu Felix: „Ihr habt's echt geschafft." Deswegen ist auf unserem Album ein Sticker, auf dem steht: Fucking smashing tunes. Das hat er nämlich an dem Abend zu Felix gesagt.

Was für ein Kompliment!

P: Ja, wir hatten ein paar Drinks, gingen nach Hause, und als wir am nächsten Morgen aufwachten, fragten wir uns: Ist das wirklich passiert oder war das nur ein Traum? An dem Abend hat er auch direkt noch gesagt, er habe am Ende des Jahres eine Englandtour, deren letzten beiden Shows in London stattfänden, und er wolle, dass wir sein Supportact bei diesen beiden Shows seien. Am nächsten Tag hatte er alles arrangiert. Wir bekamen einen Anruf, dass er uns am 6. und 7. Dezember in London erwarte.

So hattet ihr ja ziemlich schnell schon den Fuß in der Tür zum Erfolg. In eurer Biografie ist zu lesen, dass ihr euch „die Ärsche aufgerissen" habt. Das ist etwas schwer zu glauben.

P: Wir haben uns wirklich die Ärsche aufgerissen. Das ist ein Rund-um-die-Uhr-Job. Man macht nichts außer Musik spielen. Manche sehen sich schon als Musiker, nur weil sie eine Gitarre haben. Aber die haben noch ihren normalen Job, ihre Hobbies wie Fußball spielen oder den Häkelkurs. Dienstags spielen sie Badminton und freitags haben sie Bandprobe und sind deswegen schon Musiker. Aber so lief's bei uns nicht.

Manche Bands schlagen sich zehn Jahre rum, bleiben aber trotzdem erfolglos.

P: Na ja, wir hatten eben einen guten Start.
Felix: Wir haben schon eine Weile zusammen gespielt, deswegen wussten wir genau, was wir wollten. Wir setzten uns zusammen und sagten: Also, das ist der Plan, so machen wir's. Das hieß eine Menge Proben. Und jeder hasst Proben. Aber man muss es sich einhämmern, und das taten wir, bis wir bereit waren loszulegen.
P: Als wir die Band gegründet haben, wollten wir mit Typen zusammen spielen, bei denen wir ein gutes Gefühl hatten. Wir hatten sie schnell gefunden, aber wir wollen von jedem dieselbe Hingabe und Fokussierung bezüglich der Band und der Musik. Das fängt Montagmorgens an und geht bis Sonntagabend. Und dann fängt es wieder von vorne an. Und ganz ehrlich: Proben sind nicht so romantisch, wie sich das manch einer vorstellt. Aber wir wussten von Anfang an, dass wir es mit dieser Band sehr weit schaffen können.

Felix Maginn und Phil TilliFast alle von euch haben vorher schon bei anderen Bands gespielt. Was hat euch dazu veranlasst, sie zu verlassen?

F: In einer Band zu spielen ist oft sehr schwierig, weil man sich auf viele verschiedene Persönlichkeiten einlassen muss. Und jeder hat seine eigene Vorstellung von der Art und Weise wie etwas gemacht werden sollte. Dann steigt plötzlich jemand aus und man ist einer zu wenig. Man braucht einfach Menschen, die mit Leib und Seele dabei sind und wirklich arbeiten wollen. So lief es bei Moke von Anfang an.
P: Im Grunde waren wir in den Bands vorher, um später einmal Moke zu gründen.
F: Man lernt aus all den Fehlern, die man gemacht hat und sagt sich: Das will ich nicht mehr machen.

Quasi wie in einer Beziehung.

P: Es ist eine Beziehung.
F: Das finde ich nicht so passend. Denn, nur weil du eine neue Beziehung hast, heißt das nicht automatisch, dass sie besser ist als die alte.

Stimmt, das muss es nicht heißen, aber man weiß, was man nicht mehr will.

F: Man weiß zwar, was man nicht will, aber das ist schwer zu bekommen. Sorry, ich mach's dir gerade sehr schwer (lacht).
P: Ja, aber man muss es sich gegenseitig schwer machen. Man muss den anderen im Nacken sitzen, sonst verwischt der Fokus.
F: Ehrlichkeit ist sehr wichtig. Manche Menschen können aber damit nicht umgehen. Wenn man in einer Band ist und denkt: Oh Mann, seine Backing Vocals sind fürchterlich, und ihm das dann sagt, nimmt er es möglicherweise sehr persönlich. Man muss aber trotzdem immer ehrlich zueinender sein, denn was am Ende rauskommt, soll ja auch gut sein.

Wie habt ihr euch denn alle kennen gelernt?

P: Das war in derselben Bar, in der wir Paul getroffen haben. Amsterdam ist im Grunde eine kleine Stadt. Wenn man dann noch Gitarre spielt, begegnet man sich irgendwann einfach. Mit dem einen Musiker versteht man sich dann eben und mit einem anderen nicht. Viele meinen, wir hätten uns gegenseitig den Stil abgeschaut, aber in Wirklichkeit liefen wir immer so rum. Natürlich musste ich gerade den Typen (nickt in Richtung Felix) kennen lernen, weil wir etwas gemeinsam haben. Obwohl unser Background komplett verschieden ist. Aber wir haben dieselbe Gitarre gekauft. Vielleicht hilft der Haarschnitt auch ein wenig. Bestimmt sogar. (grinst)

Felix MaginnFelix, du bist ursprünglich aus Belfast, Nordirland. Ich habe gelesen, dass du dort weggegangen bist, weil du nicht das tun konntest, was du tun wolltest. Was genau war das?

F: In einer Band zu sein, Musiker zu sein. Dort kann man nur etwa zehn Shows in ein paar Wochen spielen und fährt immer im Kreis zu denselben Venues. Wenn man es musikalisch zu etwas bringen will, muss man nach London ziehen. Das macht jeder in Großbritannien, also tat ich es auch mit einer Band. Nach drei Wochen trennten wir uns.

Und was hat dich dann nach Amsterdam verschlagen?

F: Ich habe in London eine Holländerin kennen gelernt. Über Weihnachten bin ich dann zu ihr nach Amsterdam gefahren, wo ich zwei oder drei Wochen bleiben wollte. Letztendlich bin ich hängen geblieben. Ich hatte eigentlich nicht geplant, so lange zu bleiben.

Ich habe auch noch gelesen, dass du „ein Typ auf der Suche nach einer Band" warst. Das klingt für mich danach, als kämst du ursprünglich aus der Singer/ Songwriter-Ecke. Hast du je drüber nachgedacht, ein Soloprojekt zu starten?

F: Es war weniger ich, der darüber nachgedacht hat, als vielmehr andere, die immer meinten, ich solle das versuchten. Aber das wollte ich nie. Ich mag es, in einer Band zu sein. So habe ich mir das immer schon vorgestellt, als ich noch sehr jung war. Ich mochte die Beatles. Ich sehe mich nicht als einen Bob Dylan-Typen. Nur ich und meine Akustikgitarre. Das mache ich auch mal ganz gerne, aber eine Band zu haben ist besser. Ich würde nicht sagen, dass ich niemals ein Soloprojekt machen würde, aber es wäre immer nur nebenher und nie das Hauptprojekt.

Eddy SteenekenEin anderer Stein in der Straße zum Erfolg war für euch, dass euer Song „Last Chance" im öffentlich-rechtlichen Fernsehen in den Niederlanden im Hintergrund der Champions League Highlights gespielt wurde. Wer hat ihn dafür ausgesucht?

P: Das waren die Leute vom Sender. Sie hatten den Song zwei Monate, bevor das Album herauskam, gehört. Eddy, unser Keyboardspieler arbeitet in einer Bar, in die viele Leute gehen, die beim Fernsehen arbeiten. Sie wussten, dass er in einer Band spielt und wollten einige Lieder hören. Sie mochten „Last Chance" und fragten, ob sie es für die Champions League Highlights verwenden könnten. Es lief während der Endrunde und war sehr passend, denn da ist ja jedes Spiel die letzte Chance für eine Mannschaft. Es lief bis Mai, und im April kam das Album raus. Das war wie kostenlose Werbung. Es war erstaunlich wie viele Emails der Sender von Leuten bekommen hat, die wissen wollten, von welcher Band der Song ist.

Ein weiterer erstaunlicher Punkt ist, dass ihr von Karl Lagerfeld eingekleidet werdet. Wie kam's dazu?

P: Ein weiterer Telefonanruf.

Davon gab's bei euch ja eine Menge!

F: Ja. Wir wurden gefragt, ob  wir daran interessiert seien, von seiner neuen Kollektion gesponsert zu werden. Wir meinten, wir würden uns das anschauen, aber wenn es uns nicht gefiele, würden wir es auch nicht tragen. Also haben wir es uns angeschaut und fanden es richtig gut. Sie meinten, wir könnten alles nehmen, was uns gefällt.
P: Aber der Anruf kam nicht von irgendwo. Für Holland ist es ungewöhnlich, dass eine Band sich auch über ihre Kleidung ausdrückt. Sechs oder sieben Monate bevor das Album raus kam, waren wir in einer Fernsehshow. Der Moderator meinte, er habe gelesen, dass wir unsere Hemden vor unseren Auftritten bügeln. Das sei doch recht ungewöhnlich. Wir wollen eben gut aussehen und sind meistens auch gleich angezogen.

Phil TilliIch weiß ja nicht wie alt ihr seid, aber ihr wirkt schon älter als diese ganzen jungen Indiebands, die im Moment wie Pilze aus dem Boden schießen. Wie ist es für euch, mit ihnen zu konkurrieren?

P: Es ist ja in dem Sinne keine Konkurrenz. Viele dieser Bands sind wirklich gut, und das spornt uns an besser zu sein als sie. Ich meine, wir dürfen doch nicht schlechter sein, als diese Kinder (lacht). Aber wir supporten ja auch eher „ältere" Bands wie jetzt Keane, die Anfang dreißig sind oder eben Paul Weller. Es wäre wirklich komisch, eine Band von 19-jährigen zu supporten.

Felix, du bist ja wie vorhin schon erwähnt in Nordirland aufgewachsen. Euer Lied „Here Comes The Summer" handelt von deinen Erlebnissen aus dieser Zeit. Unsereiner kann sich nicht mal ansatzweise vorstellen, wie es gewesen sein muss, in einem Land, in dem quasi Bürgerkrieg herrschte, aufzuwachsen. Wie war es für dich?

F: Als Kind war es sehr aufregend, weil man gar nicht wirklich erfasst hat, wie gefährlich die Situation war. Auf den Straßen patrouillierten Soldaten mit Maschinengewehren, wir waren verbarrikadiert, man war die ganze Zeit auf der Hut. Aber es gab nur wenige Situationen, in denen ich realisiert habe, wie gefährlich es wirklich war. Ich werde das oft gefragt, und Leute sagen, es müsse sehr schwierig gewesen sein, aber, wenn ich zurückblicke, würde ich nichts ändern. Ich hatte eine tolle Kindheit. In meiner Straße waren wir eine Gruppe von etwa 25 Kindern, alle im gleichen Alter. Wir hatten einen fantastischen Spielplatz mit leer stehenden und abgebrannten Häusern und konnten Dinge tun, die einem die Eltern normalerweise nie erlaubt hätten. Unsere Eltern hatten aber genug andere Sorgen, deswegen hatten wir freie Hand. Die Situation, die in dem Lied beschrieben ist, war eine von den weniger positiven. Im Sommer gab es immer die „Orange Parades", und die Protestanten mussten unbedingt immer durch katholische Stadtviertel marschieren. Meinetwegen können sie ja marschieren, aber damit wollten sie nur provozieren. An einem Tag im Sommer, nach einer dieser Paraden, kam eine paramilitärische Gruppe in unsere Straße und eröffnete mit Maschinengewehren das Feuer. Die Leute saßen vor ihren Häusern, und die Kinder spielten. Es brach Panik aus. Ich kann mich daran erinnern, wie ich von unserem Nachbarn gepackt und unter ein Auto geworfen wurde - es war ein VW Käfer, das weiß ich noch genau. Der Nachbar sagte, ich solle unten bleiben. Es war so schnell vorbei, wie es angefangen hatte, und zum Glück wurde niemand verletzt. Das war das erste Mal, dass ich Angst hatte. Erst wenn man älter wird, merkt man, wie schwierig es ist, sich in so einer Stadt zu bewegen, weil man festgelegte Routen nehmen muss, um von A nach B zu kommen. Wenn man aus einer Bar kommt kann man nicht irgendeine beliebige Taxigesellschaft anrufen, weil die eine vielleicht nicht in deine Gegend fährt. Und das ist heute immer noch so. Es ist verrückt.

Felix MaginnDas wollte ich gerade fragen: Wie ist die Situation denn heute? In den Nachrichten hört man ja nichts mehr davon.

F: Es ist immer noch sehr gefährlich. Es gibt einfach keine Kontrolle. In dem Viertel, in dem ich aufgewachsen bin, gab es die Britische Armee und die lokale Polizei. Doch denen hat die katholische Bevölkerung nicht getraut, besonders, weil die Polizei zu 97 Prozent aus Protestanten bestand, manche von ihnen waren im UDR und durften einfach mit Maschinengewehren herumspazieren. Die einzige Polizei, die wir hatten, waren Mitglieder der IRA, die alles unter Kontrolle behielten. Die IRA hat ja vor ein paar Jahren öffentlich die Waffen niedergelegt, und seitdem hat die Polizei keine Kontrolle mehr. Großmütter werden wegen eines Laibes Brot überfallen. Es ist keine angenehme Situation und tatsächlich sehr gefährlich. Heutzutage ist es sogar gefährlicher, die Straße entlangzugehen, als in der Zeit, in der ich aufgewachsen bin. Wir gehen jetzt durch die Phase, einer Polizei vertrauen zu müssen, der niemand je vertraut hat. Keiner traut dem anderen, das müssen wir erst lernen. Und so was passiert nicht von heute auf morgen, sondern wird noch zehn Jahre oder länger dauern.

http://www.mokemusic.com/
http://www.myspace.com/moketheband

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