Plain White T’s: Spätzünder und „very sad people“

Plain White T'sSie sind schon ganze zehn Jahre im Business, hatten aber erst im letzten Jahr ihren großen Durchbruch mit der Kuschelballade „Hey There Delilah": die Plain White T's.
Derzeit sind die fünf Jungs aus der Nähe von Chicago auf einer Headlining-Tour durch Deutschland und Australien unterwegs.
Wie ihre Konzerte zeigen, sprechen die jungen Amerikaner eine ungeahnt breite Masse an Zuhörern an, die von den für eine solche Jungs-Band üblichen pubertierenden Mädchen über Frauen im mittleren Alter bis hin zu Jungs im Alter der Bandmitglieder reicht.
Am Valentinstag konnte ich mit Sänger Tom Higgenson, Gitarristen Tim Lopez und dem nur körperlich anwesenden und sich durch kurze Einrufe zu Wort meldenden Bassisten Mike Retondo eine Fragerunde über den „romantischsten" Tag des Jahres, „romantische" Lieder und „romantische" T-Shirt-Aufdrucke abhalten.

Wo heute Valentinstag ist, was haltet ihr Jungs davon? Findet ihr
a) man muss ihn unbedingt feiern, weil es so romantisch ist
oder
b) es ist ein kommerziell gehypter Event, den die Industrie nur erfunden hat, um kräftig abzusahnen?
Tom: Ich denke, ein bisschen von beidem.
Tim: Er ist definitiv kommerziell gehypt und man fühlt sich verpflichtet, etwas zu tun. Wenn du eine Freundin hast und am Valentinstag nichts mit ihr unternimmst, dann bist du ein Arsch.
Tom: Ja, genau.
Tim: Auf der anderen Seite: Wenn du am Valentinstag niemanden hast, dann fühlst du dich beschissen. Diese Bemerkung löst bei seinem Bandkollegen Tom eine gespielt bedauernde Reaktion aus. Der anscheinend glücklich Liierte scheint einen diebischen Spaß daran zu haben, seinen Singlefreund mit dieser Tatsache regelmäßig aufzuziehen, denn beim Konzert am selben Abend ließ er es sich nicht nehmen, ihn dem weiblichen Publikum wärmstens anzupreisen.
Tim: Aber wenn du jemanden hast, dann hast du die Chance, deine Freundin zu beeindrucken.

Und wenn du niemanden hast, dann schließt du dich in dein Zimmer ein und fühlst dich schrecklich.
Tim: Genau.

Sicher habt ihr Tonnen an Valentin's-E-Mails von euern Fans bekommen. Hattet ihr schon die Chance, sie euch anzusehen?
Tom: Leider noch nicht. Wenn man auf Tour ist, ist dass alles schwieriger. Aber ich denke, dass wir auf MySpace sicher einige Mails von Fans bekommen haben. (zu Tim) Vielleicht findest du eine Freundin über MySpace.

Was war die komischste Mail, die ihr je bekommen habt?
Tom: Ein Mädel hat uns geschrieben, sie sei eine Stripperin und wolle uns auf unserem nächsten Konzert einen Lapdance hinlegen. Dann stellte sich heraus, dass sie gelogen hatte. In Wahrheit war sie ein ganz junges Mädchen, das nur unsere Aufmerksamkeit wollte. Was schade war.

Oh ja, kein Lapdance.
Tom: Kein Lapdance.

Too bad!
Tom: (lacht) Ja, too bad!

Heute sollte ein toller Download-Tag für „Delilah" sein. Erwartet ihr vermehrt Downloads für heute?
Tom: Wär auf jeden Fall cool! Guter Gedanke!

Du hattest doch letztes Wochenende ein Date mit der „echten" Delilah, oder?
Tom: Ja, sie hat mich zu den Grammys begleitet.
Die Plain White T's waren nominiert für Song of the Year und Best Pop Performance, gingen aber leider leer aus. Weshalb sie sich (O-Ton Tom) wie „Loser" fühlen.

Wie war das so?
Tom: Es war nett. Sie trainiert im Moment für die Olympischen Spiele und sie hat in ein paar Tagen einen Wettkampf, deswegen hat sie nicht lange mit uns gefeiert. Aber es war schön, dass sie dabei und ein Teil dieses Wochenende war.
Die Muse, die das Grammy-nominierte Lied inspirierte, ist Delilah DiCrescenzo, eine 23jährige Hürdenläuferin aus Chicago, in die sich Tom Higgenson vor in paar Jahren verguckt, es jedoch nie geschafft hatte, ihr Herz zu gewinnen, da sie schon anderweitig verbandelt war.

„Hey There Delilah" ist ja eigentlich kein typischer Plain White T's Song. Eure anderen Lieder sind eher Up-Beat-Powerpop. Wie ist es, gerade mit einem untypischen Lied den Durchbruch zu schaffen?
Tom: Das ist okay. Wir haben alle möglichen Lieder.
In diesem Moment kommt Mike, der Bassist der Band, mit einem fett belegten Brötchen in der einen und seinem Laptop in der anderen Hand herein und erntet ungläubige Blicke von seinen beiden Bandkumpanen, die er mit einem unschuldigen Hundeblick und einem „tut so als sei ich gar nicht da" erwidert.
Tom: Wir versuchen alle Stilrichtungen zu bedienen, nicht nur schnelle oder nur langsame Songs zu machen. Also macht es uns nichts aus, dass gerade „Delilah" das Lied ist, das bisher den meisten Erfolg hatte.

Aber es ist mehr wie ein Singer-Songwriter-Lied. Nur du und deine Gitarre. (mit Blick auf Tim) Wie ist das denn für den Rest der Band? Ich meine, es gibt keinen Bass, keine Drums...
Tim: Man macht, was das Beste für das Lied ist. Als Tom es geschrieben hat, dachten wir alle, es sollte in dieser Form bleiben.
Mike: Auf der Bühne spielen wir aber alle bei dem Song mit.

Eure Lieder handeln fast alle von Herzschmerz, kaputten Beziehungen, emotionalen Dingen. Du hast mal gesagt, zumindest habe ich das gelesen, es sei leichter zu schreiben, wenn es einem nicht so gut geht. Hier widerlegt mich sofort Toms Blick, der nicht gerade wie eine Zustimmung wirkt. Nicht?
Tom: Na ja, manchmal. Es ist egal, ob du aufgekratzt bist oder es dir nicht so gut geht, Hauptsache, du bist mittendrin in einer sehr emotionalen Phase. Wenn man zufrieden ist, hat man selten eine Inspiration. Man braucht Extreme, seien sie nun gut oder schlecht. Irgendetwas, das dich dazu bringt, dir deine Gitarre zu greifen und darüber zu schreiben.

Denkst du, wirkliche Kunst entsteht aus Leid und Trübsal?
Tom: Nicht immer. Es gibt viele Liebeslieder oder andere, die nicht sehr kunstvoll, traurig oder aussagekräftig sind. Wie z. B...
Tim: "Umbrella".
Tom: Genau. Der ist nicht gerade aussagekräftig.
Tim: Oder „Who Let The Dogs Out".
Tom: Oder „Rumshaker" oder „Baby Got Back" von Sir Mix-a-Lot.
Mike: „Rumshaker" ist eigentlich ein sehr romantischer Song.
Tom: Ja, genau. Wo wir wieder beim Valentinstag wären.
Mike: (schaut erschrocken auf die Uhr) Das ist heute?
Jepp.
Mike: Shit, ich muss meine Mom anrufen!
Tom: Deine Mom?
Es ist nicht Muttertag. Damit hatte ich die Lacher auf meiner Seite, doch Mike schien das nicht gerade lustig zu finden:
Mike: Ich habe sonst niemanden.
Oops, da schien ich einen wunden Punkt getroffen zu haben. Besser weiter zum nächsten Thema.

Tom, du hattest 1999 einen schweren Unfall. Wie hat sich das auf dein Songwriting ausgewirkt und auf deine Herangehensweise ans Leben als solches?
Tom: Erst mal konnte ich von Glück sagen, überhaupt noch am Leben zu sein. Ich wachte im Krankenhaus auf und wusste gar nicht, was passiert war. Es war erfrischend, jeden neuen Tag als Geschenk zu sehen. Ich hätte einfach sterben und nichts von dem hier mitbekommen können. Ich dachte definitiv anders über das Leben und auch über Songs. Davor hatte ich gerade begonnen eigene Lieder zu schreiben und experimentierte viel herum. Danach habe ich mir geschworen persönlichere Lieder zu schreiben und welche, die meine Geschichte erzählen. Lieder mit denen sich die Menschen identifizieren können.

Also war es ein kathartisches Erlebnis für dich.
Tom: Definitiv. Es hat alles verändert.

Ich habe gehört, dass ihr nach der Australien-Tour ein neues Album aufnehmen wollt.
Tom: Ja, wir werden danach direkt ins Studio gehen.

Jetzt, wo ihr endlich den Durchbruch geschafft habt, solltet ihr euch ziemlich gut fühlen und auch mit eurer Musik sehr zufrieden sein. Wird das euer Songwriting beeinflussen? Werden die Texte ein wenig „positiver" werden?
Tom: Ich weiß nicht, es wird sicher noch einige „Bummer"-Songs geben.
Tim: Es scheint bisher wirklich so, als hätten wir ein paar mehr positive Lieder.
Tom: Ich weiß nicht. „Sleeping Alone", „Sunlight", aber auf der anderen Seite „Your Woman"...
Tim: (lacht) Oh, ja.
Tom: Es gibt immer noch in paar negative. Aber einige sind eher aufbauend. Es wird immer einen solchen Mix geben, denn, nur weil wir musikalisch erfolgreich sind, heißt das nicht, dass unsere Beziehungen und andere Bereiche unseres Lebens genauso glücklich verlaufen.
Mike: Es heißt nicht, dass wir glücklich sind.

Hm, besonders aus Mikes Mund, der ja niemanden am Valentinstag hat, außer seiner Mutter, klingt dieses Statement zunehmend Besorgnis erregend. Nun saß ich da am Valentinstag mit zwei Singles (Tim und Mike), die unglücklich sind, keine Freundin zu haben und einem glücklich Liierten (Tom), der aber trotzdem meint, sie alle seien ein Haufen unglücklicher Jungs. Da hat man's mal wieder: Erfolg allein macht nicht glücklich! Wobei Toms Behauptung nur scherzhaft gemeint war, also kein Grund zur Beunruhigung!

Tom, du bist ein ziemlicher Filmfan. Könntest du dir vorstellen, auch mal Filmmusik zu schreiben?
Tom: Ja, absolut! Würde ich sehr gerne.

Was für ein Film wäre das?
Tom: Ich weiß nicht, ich kann alles: Horror, Komödie, Drama...
Tim: Pornos.
Tom: Oh, ja, ich könnte definitiv auch Pornos. Sag an, ich kann alles.

Ihr seid ja in der Nähe von Chicago aufgewachsen und habt - wie ich gelesen habe - als Teenager die Smashing Pumpkins gehört.
Tom: Oh ja!

Ich auch. Letztes Jahr hatten sie ja ihr großes Comeback. Aber je mehr ich sie beobachte, desto mehr kommt es mir wie ein riesiger Ausverkauf vor. In Fan-Newslettern preisen sie teure, handsignierte Memorabilia und andere hochpreisige Extras an, die Konzerte sind unglaublich teuer, außerdem ist es nicht das alte Lineup...
Tom: Ja, das hat mich auch total gestört. Und das neue Album war einfach nicht gut.

Wie findet ihr das, wenn ihr so was seht?
Tom: Ich finde es immer noch gut, dass man Billy Corgan live sehen kann wie er all die alten Smashing-Pumpkins-Lieder singt. Aber, wenn sie sich wirklich halten wollen, dann sollten sie ein besseres Album als das letzte raus bringen. Also, wenn sie mit besseren Songs kämen, dann wär das schon okay.

Wie lange könnt ihr euch denn vorstellen, das zu machen, was ihr gerade macht?
Tom: Ich weiß nicht. Für immer.

Wie die Rolling Stones.
Tom: Yeah. Wie die Rolling Stones, U2, Aerosmith...

Dann seid ihr die Plain Grey T's.
Tom: Nein, dann wären wir wirklich weiß.

Einige von euch gehen ja so langsam auf die Dreißig zu (Tom und sein Bandkollege Dave Tirio übertreten nächstes Jahr diese unsichtbare Linie). Ist das etwas, über das ihr öfter mal nachdenkt, mit dem ihr Ängste oder Hoffnungen verbindet?
Tom: Nein, ich denke da nicht oft drüber nach.
Tim: Ich denke, wenn man dreißig ist und es noch nicht geschafft hat, dann pusht man sich selbst und denkt vielleicht irgendwann drüber nach, etwas komplett anderes zu machen. Wir hoffen, dass wir weiterhin erfolgreich sein und solche Musik machen werden, die wir selbst und andere respektieren.

Ihr seid „Lost"-Fans, richtig?
Tom: Alle, außer mir. Ich hab's noch nie gesehen.

Dann für alle, außer dich, die perfekte Frage: Welche drei Dinge würdet ihr auf eine einsame Insel mitnehmen?
Tim: Drei Frauen!

Tolle Wahl!
Tim: Nein, vielleicht eine akustische Gitarre, eine Freundin...
Tom: Eine akustische Gitarre, eine Freundin und einen Privatjet.

Tim, was ist deine dritte Wahl?
Tim: (zögert lange) Ich weiß nicht.
Tom: Eine Knarre mit einer Kugel.

Jetzt, wo euch viel mehr Menschen kennen, gibt es irgendetwas, was ihr von eurem Leben vor dem Erfolg vermisst?
Tom: Ja, es ist schwerer, die Straße langzugehen, ohne von einem Mob überrannt zu werden.

(Scherzhaft) So schlimm ist es schon?
Tom: Nein. Als wir noch alleine  in unserem Van rum gefahren sind, hatten wir viel mehr Freiheiten. Wir konnten hingehen, wohin wir wollten und machen, worauf wir gerade Lust hatten. Überall essen, wo wir wollten.

Wie bei McDonald's frühstücken. Das war eine ironische Anspielung auf die Entschuldigung des Promoters für das Zuspätkommen der Jungs zum Interview, da sie erst noch bei der allseits bekannten Fastfoodkette einkehren und dort ihr Frühstück verzehren mussten.
Tom: Ja, genau.
Tim: Es ist schon was anderes, zusammen im Van rum zu fahren, die Musik aufzudrehen und da zusammen drin zu hängen. Man fühlt sich mehr verbunden. Auf der anderen Seite streitet man sich auch mehr. Natürlich würden wir jetzt nicht mehr zurück in den Van wollen.
Tom: Es waren schon coole Zeiten, als wir noch unser Merchandise selbst verkauft haben und alles selber machen mussten. Wir waren viel näher an den Fans dran. Heutzutage sind die Fans viel verrückter und es sind mehr. Also können wir nicht mehr rausgehen und Leute treffen, ohne, dass wir von Menschen überrannt werden, weil sie so aufgeregt darüber sind, uns zu sehen. Das vermisse ich: Mit Menschen reden zu können.

Letzte Frage: Was würdet ihr auf ein weißes T-Shirt drucken?
Tom: „Do Me".

Und du, Tim?
Tim: Das ist nicht zu toppen!

Vielen Dank, Jungs!
Tom + Tim: Wir danken dir.


http://www.plainwhitets.com/
http://www.myspace.com/plainwhitets