Little Dragon: „Es gibt nichts Inspirierenderes, aber auch Deprimierenderes als einen grauen Tag“

Little dragonLittle Dragon kommen aus Schweden. Little Dragon spielen keinen Rock 'n' Roll und sind nicht beeinflusst von den Beatles und auch nicht die Geschwister oder Kumpel von jemandem, der in einer Band ist. Selten heutzutage. Wenn man aus Schweden kommt. Little Dragon sind Yukimi Nagano (Gesang), Håkan Wirenstrand (Keyboard), Fredrik Källgren Wallin (Bass) und Erik Bodin (Drums). Sie machen Elektro-Pop. Mit Soul. Und das machen sie gut.

Ich habe mich mit der auf der Bühne kindlich unbefangen, aber gleichzeitig zerbrechlich wirkenden Frontfrau Yukimi und ihrem Bandkollegen Erik nach einem ihrer Konzerte zusammengesetzt und über Kirchen als Konzertsäle, Musik als Mindset und Blumengeschäfte als Businessalternative geplaudert.

Das ist eure erste Headliner-Tour in Deutschland. Wie gefällt es euch bisher?
Erik: Na ja, bevor wir herkamen, wurde uns gesagt, das die Ticketverkäufe nicht gerade gut liefen und so haben wir nicht viel erwartet. Wir wollten nur Spaß haben. Aber letztendlich sind wir positiv überrascht. Überall kamen mehr Leute, als wir dachten. Bis zu hundert, was für uns viel ist.


Euer Konzert in Dortmund hat in deiner Kirche stattgefunden. Wie war das für euch?
Yukimi: Es war ein ganz besonderer Ort, aber Little Dragon ist keine Band, die gut in eine Kirche passt. Was den Sound angeht, ist es äußerst schwierig. Es ist toll, instrumentale Musik in einer Kirche zu spielen, aber, wenn man mit Drum Trigger und Synthesizer...
E: ...kurze, sehr markante, rhythmische Töne spielt, gehen diese verloren.
Y: Alle rhythmischen Töne werden lang und haben ein Echo. Das ist sehr schwierig.


Ich habe schon gehört, dass ihr nicht so begeistert von dem Venue wart, dafür die Leute, die dort waren, aber umso mehr. Denkt ihr, man nimmt die Musik anders wahr, wenn man im Publikum sitzt?
E: Ja, ich denke, wenn man vor den Boxen sitzt, bekommt man einen volleren, direkteren Sound. Aber wir waren auf der anderen Seite und haben alles gehört: die Boxen, uns selbst, die Abhören. Es war ein riesiger Mix. Aber ich denke, für das Publikum war es okay, weil die Reaktionen sehr positiv waren, was uns sehr überrascht hat.


Ich könnte mir vorstellen, dass die Atmosphäre eine ganz besondere ist, wenn man in einer Kirche anstatt in einer modernen Halle spielt.
E: Ja, es war eigenartig, Jesus zu sehen und unsere Lieder zu spielen.


Erzählt mir ein bisschen über Little Dragon. Wie habt ihr euch getroffen?
Y: Wir sind schon sehr lange befreundet, jeder von uns liebt die Musik und hat eine Vision vom Musikmachen, die etwas Eigenes, Einzigartiges hat. Das ist unser Ziel: etwas zu machen, das einzigartig ist, nicht einem bestimmten Genre angehört. Wir wollen die positivsten Elemente verschiedener Arten von Musik, die wir lieben, verbinden. Wie den Freigeist des Musikmachens, wie er im Jazz zu finden ist. Weniger den Musikstil, eher die Philosophie, die dahinter steckt.
E: Das Minimalistische von Techno.
Y: Ja, elektronische Musik und auch Punk, dass einem manche Sachen einfach egal sind. Manchmal sind Einem Sachen nicht egal, aber man wünschte sich, dass sie es wären.


Das ist mir auch auf eurem Album aufgefallen. Zwar sind alle Lieder Elektropop, doch kann man unterschiedliche Einflüsse heraushören wie Jazz, Hip Hop oder RnB. Yukimi, du warst vorher ja in der Elektro-Jazz-Band Koop.
Y: Na ja, ich war nicht direkt ein Teil der Band. Die Band besteht aus zwei Jungs, die mich gefragt haben, ob ich ihre Lieder singen will.


Würdest du deine musikalischen Wurzeln im Elektro-Jazz sehen.
Y: Nein, nicht wirklich. Ich höre lieber Musik, die soullastiger ist. Natürlich höre ich auch Jazz, aber weniger elektronischen. Mehr RnB Sachen und anderes, das mir zu peinlich ist, um es zu sagen (lacht). Prince, James Brown...
E: Kate Bush.
Y: Ja, Kate Bush, David Bowie. Also nicht wirklich elektronischer Jazz aus der skandinavischen Szene, obwohl ich viel davon singe (lacht wieder).


Beeinflusst deine asiatische Herkunft in irgendeiner Weise die Art wie du Musik machst?
Y: Eher weniger. Kulturell bin ich 100% schwedisch, weil ich dort aufgewachsen und erzogen worden bin. Deswegen ist es die Kultur, die mich am meisten geformt hat. Aber Japan und die japanische Mode beeinflussen mich definitiv. Mein Vater, der Japaner ist, ist auch sehr schwedisch, weil er dort seit dreißig Jahren lebt. Er hat übrigens das Cover unseres Albums gemalt. Er inspiriert mich und er ist Japaner... Ich reise auch oft nach Japan.


Aber die Musik inspiriert dich nicht? Bei einigen Liedern sind mir asiatisch anmutende Sounds aufgefallen.
Y: Ja, das kommt aber nicht von mir, sondern von Håkan, der das Keyboard spielt und automatisch in diese asiatischen Melodien verfällt. Ich glaube, dass es ihm noch nicht mal auffällt. Als wir in Japan waren, meinten einige Leute, wir hätten chinesische Melodien in unseren Liedern. Vielleicht gibt es noch mehr, das wir über unsere eigene Musik nicht wissen.


Könntet ihr euch je vorstellen, etwas anderes als Musik zu machen?
Y: Nein. Ich habe mit 14 oder 15 angefangen, zielorientiert zu denken, was meine Zukunft angeht. Und ich wusste, dass sie mit Musik zu tun haben würde.
E: Ich auch nicht. Es war auch nicht so, dass ich mir die Musik ausgesucht habe. Es war die Musik, die mich ausgesucht hat. Ich habe nicht die Kraft, zu versuchen, mich von der Musik zu befreien, obwohl sie die Finanzen ziemlich beeinflusst. Trotzdem ist sie es wert. Ich habe mein erstes Keyboard bekommen, als ich sieben war und hatte einige Verwandte, die Musik machten, zu denen ich aufgeschaut habe. Als ich gelernt habe zu spielen, hatte ich das Gefühl etwas gefunden zu haben, das ich wirklich liebte.
Y: Ich hatte auch schon Phasen - die dramatischeren in meinem Leben - in denen ich darüber nachgedacht habe, ob ich nicht etwas anderes machen sollte. Aber ich weiß ganz ehrlich nicht, ob ich überhaupt fähig dazu wäre, etwas anderes gut zu machen. Wahrscheinlich könnte ich, aber es würde das ganze Leben verändern und dazu bin ich zu faul. Vielleicht würde ich ein Blumengeschäft eröffnen. Immerhin mag ich Blumen (lacht).
E: Aber sobald du das tätest, würdest du dich gefangen fühlen, wie ein Vogel im Käfig. Mir geht es ums Reisen, die Kommunikation mit anderen Menschen.


Von ihnen und den Erlebnissen, die man macht inspiriert zu werden.
E: Ja, das kommt noch dazu. Das ist ein wichtiger Teil der Musik.


Erik, ich habe dein Shirt bemerkt, auf dem steht „Once upon a time". Das passt wunderbar zu meiner nächsten Frage, denn wenn ich eure Musik höre, entstehen vor meinem geistigen Auge diese märchenhaften Landschaften. Auch das Video zu „Twice" ist wie ein Märchen. Ist Musik für euch eine Art Eskapismus?
E: Definitiv.
Y: Absolut. Das liebe ich am meisten an Kunst: Sie kann dich wach rütteln, dir zeigen, was in der Welt wirklich passiert. Aber alle in der Band sind Träumer. Manchmal versuchen wir, politischer oder direkter zu sein, aber das können wir einfach nicht. Wir ziehen uns in unsere eigene Welt zurück, die etwas ganz Neues wird.


Little dragonEuer Album ist sehr ambivalent: Es gibt fröhliche, leichte Songs, aber auch melancholische. Ist das beeinflusst dadurch, dass ihr in Schweden lebt, wo die Wintertage sehr kurz und die Sommertage sehr lang, die Menschen auf der einen Seite wahnsinnig freundlich und offen sind, auf der anderen Seite aber auch viele unter Depressionen leiden?
E: In Schweden leben mittlerweile viele Leute alleine und müssen sich um sich selbst kümmern. Ich finde diese Entwicklung sehr negativ. Und ja, es gibt nichts Inspirierenderes, aber auch Deprimierenderes als einen grauen Tag, an dem man so gut wie kein Tageslicht wahrnimmt. Man fühlt sich isoliert. Aber wir sind anders.
Y: Wir haben ein gemeinsames Studio in dem jeder seinen Platz hat. Wenn wir von einer Tour zurück sind, treffen wir uns mit unseren Familien und Freunden und gehen danach wieder ins Studio. Das ist im Grunde alles, was wir im Leben brauchen. Die Lieder auf dem Album sind aus unterschiedlichen Zeiten und Phasen. Manche sind drei Jahre, das letzt zwei Jahre alt.


Ihr habt gesagt, dass ihr schon genug Material für ein neues Album habt und heute habt ihr auch schon einige neue Lieder gespielt. Wann können wir es erwarten?
E: Wir hoffen bald!
Y: Das hoffen wir. Aber uns wurde gesagt, dass das so nicht funktioniert.
E: Wir sind ja jetzt gerade erst auf Promo-Tour für das Aktuelle.
Y: Wenn es nach mir ginge, käme es dieses Jahr im Herbst heraus, aber alle sagen, dass nächstes Jahr realistischer ist (lacht). Aber wir haben alles da. Wenn dann unser zweites Album rauskommt, haben wir wahrscheinlich schon unser drittes fertig. Nur muss man leider mit dem System leben.
E: Wir sind anders getaktet und unserer Zeit immer voraus.


Letztes Jahr habt ihr den „Preis der deutschen Plattenkritik" gewonnen. Habt ihr damit gerechnet, so schnell außerhalb von Schweden Aufmerksamkeit zu bekommen?
Y: Nein, wirklich nicht. Wir haben eine englische Plattenfirma, also kommt das Album in Schweden erst später raus. So hat es in England angefangen. Von dort kamen die ersten Reaktionen.
E: Es ist sehr abstrakt. Man hört es habe Begeisterung für das Album in Los Angeles oder Australien gegeben und dann diesen Preis in Deutschland. Wir waren sehr überrascht, weil wir auch gar nicht wussten, worum es bei diesem Preis überhaupt geht. Dann erzählte uns ein deutscher Journalist, dass dieser Preis normalerweise Künstlern der klassischen Musik verliehen wird. Das fanden wir richtig cool.
Y: Ja, es war komisch. Wir bekamen eine E-Mail, in der Stand: „Ihr habt den Preis der deutschen Plattenkritik gewonnen." Super! Dann ging unser Leben ganz normal weiter.


In eurem Lied „Constant Surprise" bin ich an der Zeile „some call it coincidence but I like to call it fate" hängen geblieben. Glaubt ihr ans Schicksal, daran, dass manche Sachen vorherbestimmt sind?
Y: Ich bin eine hoffnungslose Romantikerin. Ich denke nicht rational und bin keine Realistin. Ich weiß, dass es möglicherweise klare Ansichten darüber gibt, wie man das Leben betrachten kann, aber ich bin eben eine Romantikerin. Es spielt sich alles in deinem Kopf ab. Wenn du etwas als vom Schicksal Vorbestimmtes sehen willst, dann kann das sehr poetisch und wunderschön für dich sein. Jedem das Seine. Ich denke mir gerne Sachen aus. Wenn ich denke, irgendetwas ist Schicksal und jemand will mich mit harten Fakten vom Gegenteil überzeugen, dann denke ich nur: „Ja, ja."


Letzte Frage: Was bedeutet euch Musik?
E: Musik ist Leben!