Björn Dixgård: Ein Tagträumer allein unterwegs

Björn DixgardEs regnet in Strömen und Mr. Rockstar lässt auf sich warten. Doch was man immer öfter über die Jungs des schwedischen Erfolgsrockquintetts Mando Diao liest, nämlich, dass sie gar nicht so arrogant und überheblich sein sollen, wie es die großspurigen Äußerungen am Anfang ihrer Karriere haben erscheinen lassen, stellt sich nach halbstündiger Wartezeit als absolut wahr heraus. Gerade erst angekommen steht Björn Dixgård sofort für ein Gespräch zur Verfügung. Auch sein Habitus hat nichts Selbstherrliches an sich, ganz im Gegenteil wirkt er wie der allseits bekannte „nette Junge von nebenan" und vielleicht eher etwas verloren, so ganz ohne seine Kumpels. Wie ist es denn so ohne die Band? „Es ist ganz anders. Ich muss mich um sehr viele Sachen kümmern, die ich gerne mal vergesse, weil es sonst immer jemand anderen gibt, der sie erledigen kann und wir uns gegenseitig helfen.

Und jetzt muss ich zum Beispiel die Promotion und vieles andere ganz alleine machen." Tja, ist nicht so einfach, auf sich allein gestellt zu sein und selbständig werden zu müssen. Aber der Sänger ist schon ein bisschen stolz auf sich, denn obwohl es oft sehr stressig ist, überwiegt doch die positive Erkenntnis, dass er kann, wenn er muss. Und bisher hat auch alles wunderbar funktioniert. „Aber ich vermisse schon die Band", setzt er mit der leisesten Ahnung einer melancholischen Anwandlung dann doch noch hinzu. Auch die Auftritte sind anstrengender: „Normalerweise singe ich acht oder neun Lieder und Gustaf singt auch acht oder neun. Das ist nicht ganz so anstrengend für die Stimme. Jetzt singe ich neunzehn Lieder alleine. Es ist anstrengend, aber es gefällt mir."
 

Noch ein Björn DixgardIch habe zwar nicht mitgezählt, aber ganz so viele Songs scheinen es mir bei der Show dann doch nicht gewesen zu sein. Außerdem musste er nicht das gesamte Programm alleine bestreiten, sondern hatte sich zwei Special Guests zur Unterstützung mitgebracht. „Fatboy", ein countrylastiges Duo aus Björns Heimatland, führte mit drei Eigenkompositionen in das Programm ein und unterstütze den Solokünstler auf Zeit bei dem Mando-Kracher „Long Before Rock'n' Roll". Ein fliegender Plastikbecher in Richtung Bühne zeigte leider, dass der Sound der beiden nicht mehr ganz so jungen und knackigen Musiker nicht ganz den Geschmack des überwiegend schulpflichtigen Publikums traf. Der Becher hat übrigens glücklicherweise auch sein Ziel verfehlt.

Ebenso ungewohnt für Teenager-Gehörgänge  muss die weibliche Unterstützung gewesen sein: Fanni Risberg. Eine in Brighton, England, ansässige Schwedin, die eher Folk- und Akustikmusik auf ihrer Setlist stehen hat, aber dem größtenteils doch sehr rockigen Abend durch mit großartiger Stimme vorgetragene, wunderschöne Balladen eine kurze Atempause verschaffte.

Am Abend vorher war der Mando-Diao-Frontmann das erste und einzige Mal auf seiner Solotour tatsächlich ganz auf sich allein gestellt. Ohne Gäste und die beiden Musiker Nils Janson (Trompete) und Frederik Wennerlund (Drums, Percussion), die ihn bei allen anderen Shows musikalisch unterstützen. Der Auftritt fand im Rahmen des Soundtrack Cologne, einer speziellen Veranstaltung für Musik und Ton in Film und Medien, statt. Auf meine Frage, ob er sich denn vorstellen könne, einmal Musik für einen Film zu schreiben, bekam ich die überraschende Antwort, dass er sich daran bereits versucht habe. „Ich habe schon einen Soundtrack für einen kleinen, sehr künstlerischen Indie-Film gemacht. „Dustin" ist von einer jungen Amerikanerin und handelt von einem Obdachlosen. Im Kino wird er nicht zu sehen sein, aber vielleicht auf dem einen oder anderen Festival." Die Erfahrung sei etwas sehr Spezielles gewesen, da das Komponieren für einen Film etwas komplett anderes ist, als normale Songs zu schreiben. „Man muss sich mit der Musik auf das beziehen, was man sieht. Und genau das habe ich versucht - zuhause in meinem Wohnzimmer (lacht). Ich habe nur Gitarre und Klavier benutzt. Es ist ganz anders, als Lieder zu schreiben. Du musst eine Grundmelodie entwickeln. Das war am Anfang sehr schwer, weil ich es gewohnt bin, das, was ich fühle, in meine Lieder und Texte hineinzulegen und nicht in Töne oder Atmosphäre. Es war anders, aber cool."

Das „normale" Songwriting, dass er sich mit Gustaf Norén, der zweiten Hälfte der Mando-Doppelspitze, teilt, ist mehr eine Frage der Inspiration, als der Entwicklung. „So etwas kann man nicht erzwingen, weder Gustaf noch ich. Wir vereinbaren nicht, uns um zehn zu treffen und ein Lied zu schreiben. So funktioniert das nicht. Das muss man machen, wenn es einen überkommt. Für die Leute um einen herum kann das manchmal ganz schön nervig sein: ‚Ich muss jetzt gehen, weil ich gerade eine Eingebung hatte.' Aber so ist das Leben und ich mag das." Und Eingebungen hat Herr Dixgård reichlich, weshalb er sich auch keine Sorgen macht, je von einem Writer's Block heimgesucht zu werden. „Das hatte ich nur einmal für zwei Monate, nachdem unser erstes Album erschienen war. Wir wollten unbedingt ein tolles zweites nachlegen, na ja, wir wollen eigentlich immer gute Platten machen, aber es war eben dieses klassische zweite Album. Aber es ist ja ganz gut geworden." Das kann man wohl nicht anders sagen. Und so lange der Songwriter neue Leute kennen lernt und offen ist für neue Eindrücke, wird auch die Inspiration für weitere gute Alben nicht so schnell versiegen. Denn Treffen und Gespräche mit Menschen ist Zutat Nummer Eins für ein gutes Lied. „Good Morning, Herr Horst" zum Beispiel ist inspiriert von Stockholms bekanntesten Obdachlosen, der zufälligerweise ein Deutscher namens Horst ist. „An einem Abend waren Gustaf und ich total besoffen und  sind quasi in sein Bett gefallen, das er sich auf der Straße zurecht gemacht hatte. Wir haben es nicht gesehen. Er hat sich total aufgeregt, aber nachdem wir uns eine Weile mit ihm unterhalten hatten, hat er sich abgeregt. Tja und so ist eben das Lied entstanden."

Ihr neustes Werk „Never Seen the Light of Day" hat seine Wurzeln in der traditionellen schwedischen Folkmusik. Lustig, wenn man sich vorstellt, dass die Sportfreunde Stiller „Am Brunnen vor dem Tore" neu interpretieren. Doch Björn und seine Jungs haben über die Jahre ein anderes Verhältnis zu der Musik ihrer Heimat entwickelt. „Ich habe diese Art Musik sehr lange gehasst. Bis letztes Jahr, als ich anfing, sie ein bisschen zu mögen. Jetzt mag ich sie wirklich. Als ich jünger war - na ja, mit meinen 26 Jahren bin ich immer noch recht jung -, aber als ich 20 war, fand ich sie einfach nur schrecklich. Jetzt verstehe ich viel besser worüber sie singen. Wichtige Sachen wie: ‚Wer hat meine Kartoffeln gestohlen?' Ich meine, das ist ein 200 Jahre alter Text und schon irgendwie interessant. Wir wollten besonders die Melodien in unsere Musik einbringen. Dadurch unterscheiden wir uns von englischen, deutschen oder amerikanischen Bands. Es ist etwas Eigenes." Die Ähnlichkeit zu amerikanischer Country Music und Bluegrass ist nicht zu überhören und so könnten sich die fünf Jungs auch vorstellen, dass ihr nächstes Album eine Countryscheibe wird. „Wir machen immer das, wonach wir uns fühlen. Wer weiß, das nächste Album könnte alles Mögliche werden." Und genau das macht den Reiz an Mando Diao aus: man weiß nie, in welche Richtung sich ihre Lieder entwickeln. Und eine stetige Weiterentwicklung seit dem ersten Album ist nicht zu überhören. Eine Eigenschaft, die vielen anderen Bands heutzutage leider fehlt. „Es gibt viele gute Rockbands, aber kaum eine verändert sich viel. Ich verfolge gerne die Entwicklung verschiedener Bands. Zum Beispiel Primal Scream. Das ist eine Band die sich unglaublich verändert. Sie haben Pub Rock gemacht, dann aber auch fast House, viele verschiedene Richtungen. So sollte es sein."

...und noch einerDer Traum der perfekten Band. Speaking of which: der Bandname Mando Diao soll Björn ja - so sagt es die Legende - in einem Traum erschienen sein. „Ich erzähle jedes Mal etwas anderes, weil ich gar nicht mehr genau weiß, was es wirklich war. Na ja, es war auf jeden Fall irgendein Traum, den ich in dieser einen Nacht hatte und als ich aufwachte, war der Name in meinem Kopf. Aber ich weiß echt nicht mehr, wie es genau war. Vielleicht war es auch, weil wir so lange über den richtigen Namen nachgedacht haben. Wir fanden einfach die ganzen Bandnamen mit ‚The' total langweilig. So einen wollten wir nicht und langsam wurde es wirklich schwer. Und dann plötzlich hatte ich es." Wegen seines rummeligen Lebens kommt er heute allerdings nicht mehr so oft zum Träumen. Trotzdem will er sich seine Tagträume erhalten.

Entgegen vieler im Internet zu findender Behauptungen, es gäbe auf der Solotour auch Eigenkreationen des jungen Schweden zu hören, besteht das Programm hauptsächlich aus Mando Diaos Greatest Hits. Vom ersten bis zum aktuellen Album ist aus jeder musikalischen Entwicklungsstufe des Quintetts etwas dabei. Und zusätzlich unveröffentlichtes Material. Außer der Filmmusik, an der sich der Musiker versucht hat, haben sich noch keinerlei Soloambitionen bei ihm entwickelt. „Ich mag es einfach so, wie wir es machen. Eine weitere Solotour kann ich mir schon vorstellen. Aber keine Solokarriere. Viele Leute waren darüber schon besorgt." Der Mädchenschwarm hätte sicher keine Probleme, auch alleine größere Konzerthallen zu füllen, diese Show war zumindest ausverkauft. Aber die Mandos gibt's eben nur als Fünferpack und das ist auch gut so.


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www.myspace.com/bjorndixgardofmandodiao

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