Bantaba: Handgemachter Roots-Reggae ist gute Popmusik.

bantaba_bandIm Vorfeld der Veröffentlichung ihres neuen Albums „From the ground up“ am 13. August hat sich Bantabas Sänger und Percussionist Tim Schwarzpaul ein wenig Zeit für uns genommen und erklärt, warum sieben junge Dortmunder astreinen Roots-Reggae der 70er spielen, welche Rolle museale Mikrofone spielen, an was es der deutschen Gesellschaft fehlt, und dass Dortmunder den BVB gar nicht kacke finden dürfen.

Bantaba? Ich habe es absichtlich nicht gegoogelt, vermute dahinter aber einen gehaltvollen afrikanisch-arabischen Begriff in der Tradition großer Reggae-Bands wie Black Uhuru und Aswad, oder?
Der Begriff Bantaba ist westafrikanischen Ursprungs und beschreibt den Ort einer Community, an dem der höchste Baum wächst. Hier kommt man zusammen um zu feiern, zu musizieren, zu debattieren usw. Obwohl wir uns musikalisch zwar in einer Traditionslinie zu Bands wie Aswad sehen, haben wir den Bandnamen nicht vor einem solchen Hintergrund gewählt. Uns war wichtig, dass unser Name einen schönen Klang und eine positive Bedeutung hat. Den Impuls für diesen Bandnamen gab mir damals, vor etwa 8 Jahren, ein Freund aus Gambia.

Eure Musik orientiert sich an Vorgängern, die ihre große Zeit wahrscheinlich deutlich vor eurer Geburt hatten. Weshalb habt ihr euch für doppeltklassischen Rootsreggae entschieden? Ist das die altbekannte Geschichte mit Papas Plattensammlung?
Also, unsere Musik orientiert sich zunächst an unserem persönlichen ästhetischen Empfinden. Das ist natürlich wiederum geprägt von unseren musikalischen Vorlieben, die ganz klar in den 70ern liegen, was aber auch für andere Musikrichtungen gilt. Wir stehen auf analogen, warmen, organischen Sound - und der hat sich seit den 80ern leider zunehmend rar gemacht.
Als wir uns vor etwa 7, 8 Jahren mit Bantaba in der ersten Besetzung zusammenfanden, war klar, dass wir Reggae mit Roots-Sound machen wollten. Wir sind teilweise schon mit 13 Jahren auf diese Musik abgefahren und haben früh entsprechende Konzerte von jamaikanischen Künstlern besucht. Da wir in unserem Freundeskreis einige Musikanten am Start hatten, lag es dann irgendwann nicht mehr all zu fern, die Vision der eigenen Band zu realisieren.

Liegen eure persönlichen musikalischen Vorlieben dementsprechend bei Burning Spear, Israel Vibration, Abyssinians etc.?
Selbstverständlich fahren wir auf die großen Namen wie The Wailers, Burning Spear, Abyssinians, Dennis Brown, Gregory Isaacs, Gladiators usw. ab. Es ist aber nicht zu vergessen, dass für die Musik dieser großartigen Sänger und Gesangstrios ebenso tolle Instrumentalisten und Produzenten mitverantwortlich sind, ohne die dieser zeitlose Roots-Rock-Sound der 70er nie entstanden wäre. Bands aus England, wie Capital Letters, Steel Pulse, Aswad, oder Matumbi gehören außerdem zu unseren Inspirationsquellen. Das sind Bands, die wiederum einen jeweils einzigartigen Sound fahren, unter anderem weil sie sich als musikalisches Kollektiv verstehen. In Jamaika ist bis heute eher das Prinzip Sänger + Backing Band vorherrschend. Außerdem hatten die englischen Bands, obwohl sie fast hauptsächlich aus karibischen Einwanderern bestanden, wiederum einen ganz anderen musikalischen, kulturellen und politischen Hintergrund, der wiederum dem unseren noch etwas näher steht.

Wie groß ist denn dann der Anteil eures Produzenten Martin Pauen am Sound eures demnächst erscheinenden Albums "From the ground up"?
Wir haben uns bewusst für das Rubin Studio entschieden, weil wir uns komplett auf die musikalische Arbeit konzentrieren und die Technik in andere Hände geben wollten. Und bei Martin konnten wir uns sicher sein, dass er unserer Musik den entsprechenden Klang verleihen würde. Wir haben ihm seit Beginn der Zusammenarbeit vollstes Vertrauen schenken können. Das gilt natürlich auch für Dirk Groll, der beim Mix und Mastering ebenso beteiligt war. Die beiden Sebastian-Sturm-Releases und Martins langjährige aktive Leidenschaft für Roots-Music, sowie die Ausstattung seines Studios waren für uns mehr als genug Argumente, um die Platte im Rubin Studio zu produzieren. Wir haben ausschließlich Original-Instrumente benutzt. Vom Klavier über Fender-Rhodes MK1 und Hohner Clavinet D6 bis zur Hammond-Orgel und dem Ludwig-Drumset. Hinzu kommen natürlich die entsprechenden Verstärker: Leslie-Cabinet, Fender Twin Reverb, Ampeg Portaflex... Vor allem die Mikrofone und Mikrofonverstärker von Siemens, Telefunken, Neumann etc. im Rubin Studio sind eigentlich reif fürs Museum, wären sie nicht so unverschämt gut. Neben der technischen Ausstattung war Martins Erfahrung im Recording-Bereich aber selbstverständlich ebenso hilfreich und maßgebend für das Album.

Nicht nur technisch, sondern auch inhaltlich bewegt ihr euch im bekannten Rahmen des Roots (peace, love, justice, righteousness). Hat eure Musik auch einen konkreten Bezug zu eurer Heimat, dem Ruhrgebiet? Oder ist Reggae schlicht universell?
Das ganze Universum ist Musik und Musik ist immer universell, egal in welche Schublade sie gesteckt wird. Es gibt - unabhängig von der Herkunft ihrer Interpreten - sicherlich reichlich inhaltliche Parallelen zwischen Reggae und diversen anderen Musikstilen, sei es Soul-, Funk-, World-, Rap- oder Punk-Music.
Und wenn wir über equal rights & justice oder peace & love singen, dann machen wir das einerseits, weil diese Themen eine universelle Relevanz haben und wir uns in einem Zusammenhang zu sehen versuchen, der den ganzen Planeten mit einbezieht. Andererseits sehen wir einen thematischen Bezug auch tagtäglich in unserer eigenen Lebenswelt. Ein Beispiel für einen konkreten Bezug zum Thema „injustice“: Ich arbeite viel in musikpädagogischen Projekten an Förderschulen oder in sogenannten sozialen Brennpunkten. Diesen Kindern werden auf struktureller Basis Möglichkeiten verwehrt, an Kultur teilzuhaben. Und ebendiese kulturelle Teilhabe ist ein Grundbedürfnis des Menschen, um sich auszudrücken. Wenn die Kids sich dann andere Wege suchen, um ihren Emotionen Ausdruck zu verleihen, sind natürlich alle sofort erschrocken und ereifern sich auf beinahe faschistoidem Level über fehlende Integrationsbereitschaft. Statt diese sozialen Benachteiligungen systematisch aufzufangen, werden unsere Kinder aber weiter von angeblichen Reality-TV-Sendungen erzogen, die das Verhalten ihres gesamten, teils fragwürdigen, Umfelds wiederum legitimieren. Was wir also brauchen - in Deutschland und der Welt - ist mehr Gerechtigkeit, also mehr tatsächliche Gleichberechtigung für alle Menschen, egal wie alt, oder woher, oder wie krank.

Habt ihr eine Vorstellung über euer Publikum? Eher der alte Roots-Rocker mit 68-Touch oder doch die Nachwuchs-Nerds, die möglicherweise den historischen Bezug eurer Musik gar nicht kennen? Ist es überhaupt eurer Ziel, den Nerv bestimmter Leute zu treffen?
Nein, wir haben nicht wirklich eine Vorstellung von unserem Publikum. Zumindest nicht in der Hinsicht „so oder so sollte unser Publikum sein“. Ein großer Vorteil von gutem, handgemachtem Roots-Reggae ist, dass er gute Pop-Musik sein kann und somit jeden anzusprechen vermag - den Hippie, den Nerd, die Oma, die Kids oder deine Mutter!

...na ja, meine Mutter auf keinen Fall...
...schade...es wäre übrigens auch schade für diese Musik, den historischen Kontext von Reggae kennen zu müssen, denn obwohl wir uns klanglich eher in den 70ern als 2010 sehen, glauben wir schon, uns damit am Puls der Zeit zu entfalten und nicht am Nerv bestimmter Leute.

So. Abschließend wirklich Wichtiges unter Ruhris: Vertretet ihr fußballerisch die richtigen Farben?
Ich denke, es gibt nut eine verbotene Stadt im Pott...

...das denkt wohl jeder...
...und das ist natürlich nicht diejenige in der wir leben und arbeiten. Scherz beiseite...in Dortmund zu leben, ohne mit dem BVB zu sympathisieren ist nahezu unmöglich. Wir sind da aber keineswegs fanatisch, sondern eher Fans des guten Sports.

Das war salomonisch. Danke, Tim.

www.bantabamusic.de