Dann geh' doch

ImageDas Weltbild unserer Fußballprofis interessiert gemeinhin wenig, es sei denn, wir befinden uns in der Sommerpause und die Zeit der Hintergrundberichte ist gekommen. Dass an dieser Stelle allgemeine Einstellungen des VfLers Marcel Maltritz unter die Lupe genommen werden sollen, hängt allerdings weniger mit der laufenden Sommerpause zusammen als mit den Bochumer Nebengeräuschen des kürzlich erreichten Klassenerhalts.

Die 0:2-Heimpleite gegen Hannover 96 am 30. Spieltag der abgelaufenen Saison katapultierte den VfL Bochum in das Abstiegsrennen, das man nach einer kleinen Erfolgsserie der Mannschaft schon beendet glaubte. Der Frust des Publikums entlud sich an Marcel Maltritz, dem Kapitän des VfL. Die Misstöne gingen in der Glückseligkeit des später erreichten Klassenerhalts allerdings unter. Scheinbar.

Denn nun lässt der Kapitän wissen, dass er keineswegs zur Tagesordnung übergehen werde und deshalb ernsthaft daran denke, den Verein zu verlassen. Selbstverständlich ist es Maltritz‘ gutes Recht, die beleidigte Leberwurst zu geben. Bevor er allerdings fortfährt, seine gekränkte Fußballerehre für einen Vereinswechsel verantwortlich zu machen, für den vermutlich  ein lukratives Angebot eines Ligakonkurrenten der wahre Beweggrund ist, seien dem netten Menschen noch einige Fakten zur weiteren Abwägung an die Hand gegeben.

Denn schließlich kommt auch ein Marcel Maltritz in die Jahre. Die soliden Leistungen des Magdeburgers für den VfL in den letzten sechs Jahren können inzwischen andere auch erbringen, vielleicht sogar noch ein bisschen mehr. Das ist die Erkenntnis der vergangenen Saison. Als sich am 19. Spieltag die etatmäßige Innenverteidigung des VfL innerhalb einer halben Stunde in Wolfsburg verletzt abmeldete, wurden Maltritz/Yahia durch ein bundesligaunerfahrenes Bürschchen und einen umgepolten Außenverteidiger derart gut vertreten, dass die Mannschaft in sechs maltritzfreien Spielen unglaubliche 14 Punkte machte, die maßgeblich den späteren Klassenverbleib sicherten. Als der Käpt'n wieder an Bord war, reichte es in den verbleibenden neun Partien nur zu mickrigen sieben Punkten, und es wurde noch einmal richtig spannend im Tabellenkeller.

Nun kann man mit Statistik wahrscheinlich auch beweisen, dass Wolfgang Schäuble der beliebteste Politiker Deutschlands ist. Doch letztlich hat das Bochumer Publikum erkannt, dass Innenverteidiger Maltritz nach seiner Rückkehr nicht gerade durch beherztes Eingreifen auffiel. Tore gegen den BVB, gegen Hannover oder in Bremen waren vielleicht nicht wirklich vermeidbar. Es hätte jedoch niemanden überrascht, wenn in den entscheidenden Szenen ein Betreuer auf dem Spielfeld erschienen wäre, um Herrn Maltritz ein Tässchen Tee zu reichen. Obwohl eine weitere Beruhigung des Spielers bereits der Leichenstarre hätte ähnlich sein können.

Und da nun einmal in der Bochumer Ostkurve, offensichtlich entgegen der Erwartung eines Marcel Maltritz, keine 10.000 Vollidioten stehen, wurde das entspannte Abwehrverhalten von den Zuschauern bemerkt, besonders weil sie von der Aushilfsverteidigung anderes gewohnt waren. Gepaart mit dem Frust der abermaligen, unnötigen Verstrickung in den Abstiegskampf resultierte daraus eine 15-minütige Beschimpfung des Bochumer Kapitäns.

Deswegen muss man allerdings nicht heulen. Es sei denn, man schließt sich der beliebter werdenden Meinung an, das heutige Fußballpublikum hat sich auf seinen folkloristischen Wert zu beschränken, seinem stimmungsgebenden Charakter nachzukommen und auf eigenständige Meinungsäußerung zu verzichten. Wenn du das denkst, Herr Maltritz, dann geh‘ doch.