Verkehrte Vergangenheit

ImageIch erinnere mich genau an dieses legendäre Zweitligaspiel des VfL in Düsseldorf. Die Blauweißen lagen bereits 0:1 hinten als Thomas Stickroth mit der Hand auf der Linie rettete und dafür Rot sah. Die Fortuna verwandelte den fälligen Elfer nach 20 Minuten zum 2:0. Das sollte es gewesen sein.

Doch wir hatten an der Seitenlinie Klaus Toppmöller, den Genius unter den Fußballlehrern, der lieber mit fliegenden Fahnen unterging als mit seiner Truppe unschönes Defensiv-Gegurke vorzuführen. Also wechselte er damals im Rheinstadion nach dem desillusionierenden Rückstand trotz Unterzahl einen Verteidiger aus und ersetzte diesen durch einen weiteren Stürmer. Der Teufelskerl! Das zahlte sich aus, Bochum schaffte mit zehn Mann das 2:2. Mit diesem Trainer waren wir auf einem guten Weg. Wir würden aufsteigen und bald international spielen.

Diesen großartigen Nachmittag im Rheinstadion wollte ich mir noch einmal in allen Details ins Gedächtnis rufen. Mittels der modernen Segnung Internet. Ich musste lang suchen, denn wie ich überrascht feststellte, handelte es sich bei genanntem Duell gar nicht um einen Zweitligakracher, sondern um ein Spiel der 1. Bundesliga. Meine Vergesslichkeit konnte ich mir nur damit erklären, dass es mein Vorstellungsvermögen überforderte, Fortuna Düsseldorf noch Mitte der neunziger Jahre in der ersten Liga zu erwarten. Also: Das Internet sagte mir, es sei der 10. Spieltag der Saison 1996/97 gewesen. Wir waren somit schon längst dank Toppi aufgestiegen und am Ende dieser Saison Fünfter und damit das erste Mal in der Bochumer Fußballgeschichte im internationalen Wettbewerb vertreten.

Es war der 13. Oktober 1996, ein Sonntag, sagte das Netz und mein Langzeitgedächtnis fügte hinzu, trocken. Und da war's. 17. Minute 1:0 für Fortuna, 22. Minute Handelfmeter und Platzverweis Thomas Stickroth, 2:0. Schwaden der Vergangenheit hüllten mich ein. 24. Minute: Auswechslung VfL Bochum. Ich sendete ein wissendes Grinsen in meine Umgebung. Mathias Jack kommt für Georgi Donkov! Moooment. Stop jetzt! Hier stimmt was nicht. Der Offensivpapst Toppmöller wechselt einen Stürmer aus und nicht nur einen Verteidiger, nein...sogar noch Mathias Jack ein? Einen Spieler, der aufgrund seiner Fähigkeiten damals auf der Schulwiese immer ins Tor gestellt worden wäre. Einen Verteidigerverteidiger, den Berti Vogts der Neuzeit. Und unser bulgarischer Wunderstürmer verlässt den Platz!?! Das glaube ich nicht! Genauso wenig wie die Angabe, unser Strafraumbalkanese hätte in 53 Spielen für den VfL nur 13 Tore erzielt. Das entspräche einer Quote von 0,25 Toren pro Spiel, die selbst für einen Bochumer Stürmer hochgradig lächerlich erscheint. Nein, nein, nein.

Auch im weiteren Verlauf des Spiels schickte mein Trainergott keinen weiteren Stürmer auf das Feld. Es kommt nur zu zaghaft angedeuteten Offensivwechseln mit Gudjonsson für Hutwelker und Tapalovic für Waldoch. Trotzdem macht Peter Közle noch zwei Buden zum Ausgleich, doch das interessiert mich schon nicht mehr.

Ich frage mich allen Ernstes: Was soll das mit dem Internet? Wer hat Spaß daran, in der rosaroten Vergangenheit eines Fußballfans herum zu wursteln, sie in den Dreck zu treten, zu bespucken, das Leben eines Fußballhistorikers allerersten Ranges zu zerstören. Wer glaubst du, wer du bist, du Internet, du blöde E-Wurst!