Garland Jeffreys - American boy & girl (1979 A&M Records)

Black & whiteDamals gab es noch keine Casting-Shows im TV, bei denen man sich lächerlich machen konnte. Deshalb gaben die Mädchen meiner Klasse eine Jazztanzaufführung in der Schulaula zum Besten. Sie trugen Leggings, wie ich sie bis dato nur von Robin Hood kannte und tanzten zu Matador. Das war der Moment, in dem Garland Jeffreys in mein Leben trat. Er war bleibend.

Im September 1980 arbeitete sich Matador auf die No. 2 der deutschen Hitparade, nur geschlagen von Olivia Newton-Johns Xanadu. Das dazugehörige Album American boy & girl war bereits im vorherigen Jahr erschienen und ich sollte - nach meinen einschneidenden Erfahrungen - erst im Jahr 1984 diese LP wiederhören. Ausgerechnet an der afrikanischen Pfefferküste. Aber das ist eine andere Geschichte und wird vielleicht einmal ein Remake der Buddenbrooks. Jedenfalls habe ich in kurzer Zeit das Vinyl der Platte sicher um einige Millimeter reduziert. Schier aufgesogen habe ich das Gemisch aus Rock'n'Roll, Soul, Reggae und Latin. Zurück zu Hause versorgte ich mich mit allem von Garland Jeffreys, dessen ich habhaft werden konnte. In dieser Hinsicht gilt mein besonderer Dank dem Plattenstand im Mensafoyer, dessen Betreiber sich später zweifellos die Domain ruebezahl68 gesichert hat.

Was ich von American boy & girl bereits kannte, fand ich auf allen weiteren LPs des New Yorkers ebenfalls. Ein bisschen Chuck Berry, etwas Marvin Gaye und Bob Marley und ein wenig Santana. Dazu Worte, die zwar auch Herzschmerz verbreiteten, doch oft voll waren mit Schlaumeiertum europäischer Prägung. Gestalten wie Goya, Victor Hugo, van Gogh und Wilhelm Reich tauchten wie selbstverständlich in Jeffreys Songs auf. Der bildungspolitische Quereinsteiger in mir war begeistert.
15.95, das heißt 8 Euro

Natürlich musste ich Garland gegen viele bösartige Angriffe verteidigen. Sicher konnte einem das Vibrato seiner Stimme am Ende fast jeder Textzeile den letzten Nerv rauben. Die eingestreuten, eunuchenhaften Gesangspassagen erinnern an ein Hausschwein, dass man an den Trafo der Modelleisenbahn angeschlossen hat. Na ja, schon. Aber Garland Jeffreys ist ein großer Künstler, was er selbst möglicherweise anders gesehen hat: "Thanks for all the great reviews, now show me some cash."

Trotz aller Anfeindungen: Ich bleibe dabei! American boy & girl ist auch heute noch hörenswert. Und wenn mir jemand die schweißtreibende, die bauchschmerzende, die einzig wirklich bedeutsame, diese Frage der Fragen nach meinem Lieblingssong aller Zeiten stellt, nun und für immerdar, mit ehrlich und ohne Scheiß...los jetzt, es muss raus. Ja, ja, jaaaah, das kann If Mao could see me now sein. An guten Tagen, unter Tränen und in meiner waidmannsgrünen Robin-Hood-Hose.


www.garlandjeffreys.com

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