Ziggy Marley - Love is my religion (2006 Cooking Vinyl Ltd.)

Jetzt ist er ganz allein. Seine Schwestern singen nicht mehr für ihn und auch seine kleinen Brüder lassen sich nicht gemeinsam mit ihm blicken. Dabei versucht er doch nur, dem langen Schatten seines Vaters zu entkommen. Ziggy Marley hat sein zweites Soloalbum aufgenommen. Das erste Mal ganz ohne familäre Beteiligung.

Love is my religion heiß das Ding und widerspricht damit schon im Titel seinem Vater Bob, dessen Überzeugung doch einen großen Bogen um die obsolete Dogmatisierung des Glaubens durch die Religionen machte: Rasta don't believe, Rasta know! Was Ziggy genau weiß, ist wie groß die Schuhe seines Daddys sind. Er ist jetzt etwa in dem Alter, in dem sein Vater starb, aber trotzdem als Künstler immer noch nur Bob Marleys ältester Sohn. Love is my religion wird Ziggys Ruhm nicht vergrößern und das Stigma nicht von ihm nehmen. Der Marley-Spross versucht dieses Mal erst gar nicht, der Musik seines Erzeugers komplett zu entfliehen. Love is my religion ist im Gegensatz zum Vorgänger Dragonfly (2003) zwar reggaebasiert, aber auch der Versuch, andere Stilrichtungen zu integrieren. Die Mischung mit weiteren karibischen und afrikanischen Klängen ist aber laff. Ziggy Marley ist das Gegenteil eines begnadeten Songschreibers. Stücke wie Friend oder Beach in Hawaii sind der Gipfel der Belanglosigkeit. Manche Texzeilen sind einfallslos und übelste Schublade: "I stand on my feet, because I am, yeah". Bei solchen Platten stellt sich mir die Frage, die ich den Lesern an dieser Stelle bereits öfter aufgedrängt habe: Wer soll solch eine Musik hören und auch noch kaufen? Reggaefans? Oh, Gott, sie werden furchtbar enttäuscht sein! Und sonst? Ich weiß beim besten Willen nicht, wem ich Love is my religion empfehlen könnte. Doch! Der flotten Mittfünfzigerin im Nachbarbüro, die regelmäßig einmal im Jahr zwei Wochen all inclusive nach Jamaika reist, weil es da so easysexygroovy ist.

Ziggys Liebe wird im Plattenladen unerwidert bleiben, denn das Album ist nur ein weiterer Beweis, dass die musikalische Kreativität des gemeinsamen Projekts der Marleykinder, The Melody Makers, eher auf dem Mist des jüngeren Bruders Stephen gewachsen ist. Dieser wird demnächst sein Soloprojekt Mind control veröffentlichen, nachdem er sein Talent in den letzten Jahren durch viele Kooperationen und Produktionen (Lauryn Hill, Erykah Badu, Damian Marley etc.) unter Beweis gestellt hat.

Auf Mind control wird man sich freuen und die Zeit Nutzen können, zu räsonieren, ob es die Melody Makers vielleicht nicht mehr gibt und warum.

www.ziggymarley.com

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