Ladytron - Witching Hour (2005 Island)

ImageIrgendwie unverdient, dass Ladytron in Deutschland immer noch nur ein Geheimtipp sind. Vielleicht ist es das Gesamtkonzept des Quartetts aus Music, Style und Design - kühler Moog-Elektronik und dem Auftreten in Mao-ähnlichen Uniformen - an dem sich die Geister scheiden: Für die einen zu unnahbar, für andere äußerst reizvoll.

"Witching Hour" ist das mittlerweile 3. Album der Liverpooler Band. Wurde beim letzten Album „Light & Magic“ ein wenig mit Clubsounds rumprobiert, verwenden sie nun erstmals (stark effektbeladene) Gitarren, die aber gut zum Gesamtsound passen, der so ein wenig waviger wird. Schon mal vorweg: Witching Hour ist das bislang beste Album der Band, hatten die Vorgängeralben neben den Überhits („Playgirl“, „Seventeen“) doch auch immer ihre Längen. Nun passt aber die Mischung aus Elektropop mit Retrocharme und großen Melodien, Coolness (zwischen Kraftwerk und Roxy Music) und stilvoller Melancholie.

Schon nach den ersten vier Songs („High Rise“, „Destroy everything you touch“, „International Dateline“, „Soft Power“) ist klar, dass "Witching Hour" den CD-Player nicht mehr so schnell verlassen wird: Der Opener „High Rise“ ist zwar nicht repräsentativ für das Album, aber ist mit seinem dreckigen Gitarrensounds ein kraftvoller Einstieg. In Verbindung mit den hallbeladenen Vocals klingt "High Rise" wie ein verstörender psychedelischer LoFi-Garagen-Song. „Destroy everything you touch“ ist die erste Single-Auskopplung und wer es schafft eine solch großartige Melodie aus dem Ärmel zu schütteln, der braucht auch nicht lange hinter dem Berg halten und kann den Song ohne Scham gleich mit dem Refrain anfangen lassen. „International Dateline“ ist der beste Wave-Song seit langem. Die perfekte Mischung aus intensiven Synth-Klängen, distanzierter Dramatik und dann diese Wave-Gitarren, die sich im Verlauf des Songs in den Synthklängen verlieren, bis man nicht mehr weiß, was ist Gitarre und was Synthesizer. Wer 4AD, Minimal Compact, alte Xymox, Slowdive mag, der wird ebenso sprachlos sein. „Soft Power“ baut sich langsam aus Noise sowie wabernden Oktavbässen auf. Aus kalten Flächensounds, Loops und einer sehr kühlen Melodie entsteht eine bedrohlich Stimmung, die sich stetig steigert, bis sich der Song wieder im Noise auflöst.

Nach diesen Songs nimmt sich das Album eine kleine Pause. „Fighting up buildings“ und „AMTV“ (mit Soundreferenzen an Grauzones "Eisbär") wird von Sängerin Miro Aroyo gesungen (ersteres auf bulgarisch), die schon wie auf den Alben zuvor mit ihrer sehr kühlen Stimme einen interessanten Kontrast zum Gesang von Helen Marnies bildet. „The last one standing“, „Beauty*2“ und „All the way“ sind kleine mystische Popperlen, die das Album versöhnlich ausklingen lassen. Bleibt noch mal zu hervorzuheben, dass ich schon lange nicht mehr ein so großartiges und kompaktes Album gehört habe. Ach, wären doch nur viel mehr Bands so stilsicher wie Ladytron, vieles bliebe einem erspart.

Für Vinyl-Nerds noch der Hinweis, dass die Singles "Destroy everything you touch", "Sugar" und "International Dateline" als limitierte 7" im bunten Vinyl veröffentlicht wurden - allerdings UK-only und dann waren sie auch nur 1 Woche im Handel erhältlich. Na dann viel Spaß beim Suchen... 

Ladytron-Interview 2007

http://www.ladytron.com/

Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!