Seeed - Next! (2005 Warner)

In Berlin gibt es noch eindeutige Mehrheiten. Seeed hat intern eine solch satte Mehrheit aufgebaut. Hatte die Rootsfraktion des 11-köpfigen Gremiums beim zweiten Album 2003 noch Einfluss, wurden sie nun deutlich überstimmt. Das Programm heißt Dancehall und das nun erschienene dritte Album ist Ausdruck der neuen Mehrheitsverhältnisse. Oder des Despotismus‘?

Das dritte Ding heißt lapidar Next! und man muss nicht darüber philosophieren, ob das im Sinne von daneben gemeint ist. Denn dieses Album ist keineswegs neben der Spur. Das soll nicht heißen, es sei Hauptverkehrsstraßenpop. Eher Hauptstadtstraßenpop. Genauer gesagt, 45 Minuten saftiger Dancehall, weit entfernt von den fast zeitgleich erscheinenden Bekenntnissen der Frau Madonna auf anderen, ausgetretenen Tanzböden.

Seeeds programmatische Erneuerung war bereits beim Vorgänger Music Monks von 2003 erkennbar. War die erste LP New Dubby Conquerors noch so‘n Bandding mit haufenweise akustischen Elementen und Rootsreggaedetails, wechselte man 2003 mit der Zweiten auf die elektronische Schiene und setzte verstärkt auf Dancehall. Music Monks wirkt allerdings im Vergleich zur aktuellen Neuerscheinung halbherzig. Next! dagegen rotiert wie aus einem Guss auf dem Plattenteller. Das Grundgerüst jeden Tracks ist Laptopgefrickel. Von den akustischen Anfängen blieben lediglich die Bläser, die aber auch heute bzw. gerade heute für ein Stück typischen Seeedsounds sorgen.

Seeed sind Seeed und deshalb ganz oben, weil sie das grundsätzlich wenig variable Dancehallgewumse immer wieder mit fremden Firlefanz bereichern, mit spaßigen Sprüchen spicken und bereit sind, zum Verschnaufen mal einen Rootstrack wie Aufstehn einzustreuen. Mit der vorzeitigen Auskopplung des Selbigen führte man die Fanmeute zunächst auf die falsche Fährte, denn bedächtiger Roots ist nur noch Interludegedudel auf Next!. Dancehall strictly rules. Es ist Party. Um es missverständlich auszudrücken: Next! ist eine Live-LP. Die Freude auf die leibhaftige Aufführung der neuen Songs darf bedenkenlos groß sein.

Jetzt ist das Volk also aufgerufen, per Kauf abzustimmen. Es braucht wenig hellseherische Gabe, die absolute Mehrheit für Seeed zu prophezeien.

Seeed im Netz
Seeed live in Oberhausen 20/02/06

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