Töröö: Gerader, ehrlicher Rock

NoEr gehört zu den Archetypen musikalischen Daseins. Er widerfährt uns überall dort, wo das Saiten zupfende Handwerk seine flitzefingrigen oder bratenden Rhythmusbretter in den Äther nagelt. Er begegnet uns oft in Form so genannter Coverbands, die vor allem eines beherrschen: Den Musikgeschmack der meisten 30- bis 50-jährigen Bankangestellten, Versicherungsvertreter, Berufspolizisten, Verwaltungsangestellten und – besonders perfide, weil jugendgefährdend – der Lehrer, die durch so zünftige Heroen wie Status Quo, Gary Moore, Bryan Adams, Bon Jovi oder Benjamin Blümchen sozialisiert wurden.

Törööö! Es muss halt hupen. Wie damals. Das war wenigstens noch Musik. Handgemacht. Rechtschaffen. Anständig. Harte Arbeiter, die noch geschwitzt haben für ihr Geld. Das war er, nein, das ist er: DER GERADE, EHRLICHE ROCK! Wahlweise auch bezeichnet und verkauft als: Die solide, handgemachte Gitarrenmusik (die gut nach vorne geht). Oder als schnörkelloser Rock’n’Roll, der es auf den Punkt bringt. Gerne wird in diesem Fall auch die Vokabel Musik durch das lautmalerische Mucke ersetzt, um die stadltypische Volksnähe der agierenden Musikanten zusätzlich zu untermauern. Dann begegnen wir der höchsten Stufe dieser musikalischen Erscheinungsform, der rauen, gradlinigen Gitarrenmucke, mit deren Erklingen sich der Künstler das höchste Prestige bei der mittelgeschichteten CDU-Wählerschaft des hiesigen Wahlkreises erobern kann.

Es erschallen energiegeladene, druckvolle Songs. Meist treffen dabei Melodien auf messerscharfe Gitarrenriffs. Manchmal rocken sie uns auch den Arsch ab. Oder sie spielen Balladen, die unter die Haut gehen. Dann wieder darf gerockt werden, dass die Wände wackeln, bevor sie uns – Teufel aber auch - wieder mit leisen Tönen überraschen. Wenn sie es ganz authentisch treiben, tun sie es sogar unplugged. Dazu setzen sich die Volksmusiker dann nur mit einer Gitarre bekleidet auf die Bühne und blicken verträumt in die Ferne, über die Massen hinweg. Dorthin, wo der gerade, ehrliche Rock herkam. Aus dem Nichts.

Eines Tages wird er dorthin zurückkehren, wo er hergekommen ist. Er wird uns, die wir es geschafft haben, sich von der Diktatur des Muckenproletariats zu befreien, nicht mehr mit feinen Soli, einem filigranen Gitarrenspiel, nicht mehr mit Reibeisenstimme, überschäumender Spielfreude und nicht mehr mit Musikern, die es immer noch drauf haben, schurigeln. Der unstillbare Wunsch nach unehrlichem, unredlichem, geradezu verbrecherischem, ja, kriminellem Rock wird in Erfüllung gehen. Die Rockröhren werden verstummen und an ihrer eigenen Überdosis Tonkotze ersticken. Dann wird viel Platz sein für Neues. Experten schildern es nachvollziehbar als Kreativität.