Juicy Beats 9,Westfalenpark, Dortmund

Kein Konzertbericht, aber eine nett gemeinte Polemik gegen selbst ernannte Vertreter des HipHop.

Über die große Musik bei den JuicyBeats war nicht mehr viel zu hören oder zu lesen. Die Messerstecherei in der HipHop- und Graffitiszene pöbelte sich in die Schlagzeilen. Leider. Man kann wirklich nicht sagen, dass ich ein HipHop-Experte bin. Genau genommen hab ich null Ahnung davon, was da in der Szene überhaupt so abgeht. Mir fällt es auch schwer, Videos zu interpretieren, in denen wie Kirmesautos gekleidete Männer von erstklassig aussehenden Frauen eingerahmt werden und mir etwas vorsabbeln, anstatt sich mit den Frauen zu beschäftigen. Ich glaube auch, dass die danach von den Mädels immer aus dem Studio gejagt werden, weil sie immer nur quatschen wollen. Wie auch immer: Die offenbar noch immer nicht geklärten Ereignisse auf den Juicy Beats 9 (s. rechts) enthüllen wieder einmal, dass es sich bei vielen HipHopplas um einen Kreis von Personen handelt, an denen ein Großteil der zivilisatorischen Entwicklung vorbeigeschrammt ist. Vielleicht nur knapp, aber knapp vorbei ist…ihr wisst schon.

Ich hab auf den Juicy Beats 9 von der Messerstecherei nichts mitbekommen. Ich verlebte einen bewusstseinserweiternden Abend mit Konzerten von Von Spar, der Mediengruppe Telekommander, Warren Suicide und einem ethnisierenden Set von DJ Ritu. Das war ein erstklassiges Programm, ganz weit vorn. Etwas, dass man vom HipHop nicht mehr behaupten kann. In meiner kindlicher Einfalt dachte ich immer, dass HipHop eine progressive Form der Musik darstellt. Und da Progressivität gewöhnlich mit Intelligenz einhergeht, glaubte ich auch immer, dass HipHopplas eben auch…ihr wisst schon. Doch ich hab mir mal die Mühe gemacht, in diversen Foren nach Kommentaren zu den Ereignissen zu fahnden, und bin auf einige erhellende Beiträge gestoßen:

"Und was wenn der Lange selber schuld dran ist? So ist das leben. Wer ne große klappe hat kriegt eine ab."

"und zu denn "berlinern"...packt sie euch,kloppt denn kindern die birne zu matsch und schleppt sie zu denn bullen!!!
ich denke auch das gewalt,gegengewalt produziert aber so etwas MUSS ein NACHSPIEL haben!!!!!!!!!!!!!!!!!!"

"wegen grafitti töten? wie krank ist diese welt?? ich weiss nur dass einige berliner in den nächsten tagen nach dortmund kommen werden um diesen hinterhältigen fotzen zu zeigen, wie man in berlin auf sowas reagiert. die typen die den langen niedergestochen haben werden STERBEN!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!"

"alle die da nicht dabei waren und dem langen recht geben sind HURENSÖHNE..... ..........
der lange ist selber schuld er hat angefangen bilder zu crossen weil denkt er ist ghetto ,und selber gekrosst zu werden kann er nicht ertragen und will darauf rache nehmen was er selber angefangen hat der möchtegern dortmund city rapper, 34 jahre alt und dann denn coolen spielen das hat er davon fotze ,er hats provoziert er hats auszubaden......egal was ihr sagt ihr seit schwanzlutscher und schleimer ...hehehehehe es wird getanzt von n-stadt bis NES ihr verdammten bitches"

"In der heutigen Zeit ist es halt so, dass ich nie weiß, ob nicht der, dem ich wat in die Schnauze hau nicht ne wumme oder ein Messer zieht."

Diese Beiträge habe ich nicht aus dem Zusammenhang gerissen. Es gab keinen. Alle Äußerungen bewegten sich etwa auf dem Niveau von dreijährigen, möglicherweise etwas unglücklich sozialisierten Individuen, denen ich dieses Wort freundlicherweise mal mit Einzelmenschen übersetze, damit sie auch verstehen, worüber ich rede.
Jugendkultur hin oder her, wer nach einem Mordversuch noch derartigen Plunder exkrementiert, muss schon arg an Minderwertigkeitsgefühlen leiden oder Kompensationsprobleme haben. Selbstregulation scheint ein unüblicher Vorgang unter HipHopplas zu sein.

Das eigentlich Peinliche ist, dass es sich in Deutschland nicht mal um eine eigenständige Kultur handelt, sondern um das psychotische Bemühen, einen amerikanischen Way-of-life zu kopieren, der drüben - in der letzten zurückgebliebenen Weltmacht - eigentlich nur noch Gähnen verursacht. Üblicherweise neige ich dazu, derartige Gestalten als uniformierte Arschgeigen zu bezeichnen, aber an Komplimenten können Beziehungen auch zugrunde gehen. Das will ich nicht. Ich will verstehen lernen.

Kann mir jemand erklären, woran das Ideal des HipHop gescheitert ist? Am reaktionären Weltbild der Beteiligten? An der Gesellschaft, die es versäumt hat, diesen Menschen Perspektiven aufzuzeigen? An der emotionalen Degeneration maskuliner Potenzverlierer mit additivem virilen Minuswachstum? Ich weiß es nicht. Vielleicht liegt es tatsächlich an der mangelnden Anpassungsfähigkeit, am Stillstand, am strammen Festhalten an Traditionen, am zutiefst verankerten Konservativismus einer Szene, die nicht mehr in der Lage ist, sich selbst neu zu definieren und daher Ersatzbefriedigung in Gewaltphantasien sucht. An starren Codices sind schon ganz andere Kulturen gescheitert.

So wurde aus einem Musikfestival ein Ort blutiger Auseinandersetzungen. Der HipHop hat verloren, weil er unterwandert wird von Mangelintelligenzlern. Diese breiten sich in der Regel dort aus, wo es ihnen einfach gemacht wird. Zeit, dass der HipHop mal seine Grenzen sichert oder sie in eine andere Richtung verschiebt.

Aber wie gesagt, ich hab keine Ahnung von HipHop, ich finde einfach nur Leute unangenehm, die andere erstechen. Und Leute, die das zum Anlass nehmen, wie ganz harte und mächtig rebellische Kerle böse, böse Worte in den Mund zu nehmen, um sich auf ihre leider nicht charakterlich begründete, sondern nur possierlich poserische Kopieridentität einen runterzuholen. Peace, ihr Verlierer.

Links:
www.juicybeats.net