Hurricane Festival 2005

Hurricane-BannerEin unruhr-Außenreport…

Donnerstag Abend, gegen 18.30 Uhr: Wir erreichen reichlich gefrustet durch 1 ½ Stunden Stau das Gelände in Scheeßel. Hmm….schon ganz schön viele Leute hier. Naja, ist ja auch ausverkauft. Nach kurzer Buckelpistenfahrt über ein mit Furchen durchzogenes Stoppelfeld (hier „Parkplatz“ genannt) kommen wir endlich mal zur Ruhe. Und vor allem zum ersten Bier. Wurd auch Zeit.

Die Zeltplatzsuche sollte sich noch als einfach gestalten. Ganz im Gegensatz zum Transport aller nötigen Klamotten. Unser Pavillon durfte denn dank des Sicherheitsdienstes gleich ganz draußen bleiben. Umso unverständlicher, als später dutzende, nein, eher hunderte auf dem Campinggelände auftauchen sollten.

Nun gut, wir sind ja alle tolerante, friedfertige Menschen und in grenzenlosem Optimismus, das es wohl doch nicht regnen wird (krasse Fehleinschätzung) sehen wir darüber hinweg. Als unser am Eingang zurückgelassener Pavillon jedoch später verschwunden ist beschließen wir trotz unserer (fast) pazifistischen Grundhaltung beim Erblicken eben jenes, dank der sechseckigen Vollmetal-Struktur doch leicht erkennbaren, Wunders deutscher Camping-Kultur, diesen zur Strafe der neuen „Besitzer“ mit Spiritus zu begießen und anzuzünden. Leider haben wir es nicht wiedergefunden…schade.

Nach dem Vernichten eines guten Teils der Biervorräte nähert sich mit dem noch angenehmen Freitag der Beginn des Festivals.

Leider wird mein pünktliches Erscheinen bei den Dresden Dolls durch meine Mini Maglite-Taschenlampe verhindert. Scheinbar gelten 10cm-Mini-taschenlampen als bedrohliches Sicherheitsrisiko. Mit einer halben Stunde Verspätung und einigermaßen genervt ging´s dann aber los…

ImageThe Dresden Dolls. Sehr schön. Sehr…äh…anders. Irgendwo zwischen den Zwanzigern und heute. Auf jeden Fall ein netter Auftakt. Nur leider sehr unbeschreiblich.

Gewohnt ruppig ging es bei Boysetsfire zu. Trotzdem sehr zu empfehlen. Gute Show, auch neue Songs zünden gut. Turbonegro liefern ihre bewährte Show ab. Soweit nix neues. Kettcar leiden leider unter dem matschigen Sound an der zweiten Bühne. Wer da auch nur etwas abseits steht hört nur noch Müll…

Anschließend einmal die komplette Gehörvernichtung, ausgeführt von Trent Reznor und seinen Mannen von NIN. Nett, wirklich nett….und so laut. Das allerdings Wir Sind Helden Überlebenskampf bedeuten war mir bis zu diesem Auftritt nicht bewusst. Entweder bin ich zu alt oder irgendwie ist es zu voll. Verschnaufen muss auch mal sein, also erstmal Pause bis zur Pyroshow. Die beginnt dann mit Rammstein auch das Feuerwerk. Musikalisch find ich die Band immer noch sehr durchschnittlich, ihr Image völlig bescheiden. Aber eines muss man ihnen lassen: Die Show ist der Wahnsinn. Kann man sich echt gut anschauen.

Zugunsten von Oasis verzichte ich aber auf einen großen Teil des Flammenmeeres. Verwunderlich: Beide Gallaghers bleiben auch der Bühne. Noch verwunderlicher: die beschimpfen sich nicht mal. Das geht doch eigentlich gar nicht. Verdammt, wo soll denn da die Unterhaltung herkommen? Egal, zu „Cigarettes & Alcohol“ ist alles vergessen, Jugenderinnerungen wieder aufgefrischt worden und der Rückweg zum Zelt steht an.

ImageSamstag. Toll. Regen. So´n Mist. Nicht, dass es Freitag nicht geregnet hätte, aber so langsam nervt es. Warm wird man da nicht mehr. Da hilft auch kein heißer Instantkaffee. Egal. Ich freue mich, dass ich wenigstens keinen Kater hab. Zeit totschlagen mit Trinken und Essen ist angesagt, bis Amplifier rocken. Tolle Sache. ich frage mich zwar, was an ProgRock schwul sein soll, aber die seltsamen Menschen hinter mir werden wohl ihre Gründe für derartige Aussagen haben. Immerhin habe ich keine Ahnung von der sexuellen Orientierung des englischen Trios und halte mich deshalb mit Kommentaren zurück. Olli Schulz zuzuhören ist eh viel toller. Jetzt mal ernsthaft: Der Mann erzählt doch nur Müll. Aber es macht einfach Spaß! Nach der bezaubernden Feist (was für eine Stimme…wunderbar) nähert sich langsam mein erstes Festival-Highlight in Form dr durchgeknallten And You Will Know Us By The Trail Of Dead. Mit 10-minütiger Verspätung gibt es dann ein sehr lückenhaftes 35-Minuten-Set. Ein bisschen mager, begeistert bin ich trotzdem. Angeblich habe ich mich eh in einen Trance-artigen Zustand gehüpft, gepogt und geschrieen. Gut möglich jedenfalls. Das ganze endet mit einer kleineren Variante der früher alltäglichen Vernichtungsorgie. Ein Großteil des Equipments überlebt jedenfalls. Fliegende Drumsets sehen jedenfalls nett aus. Nur der völlig ramponierte Bass dürfte jeder Reperatur wiederstehen. Aber was soll´s: that´s rock’n’roll.

Ich weiß bis heute nicht, welcher Teufel mich geritten hat, bei Millencolin am Wellenbrecher stehen zu bleiben. Aber nach 3 Minuten Quetschen hatte ich keine Lust mehr. Nach 10 Minuten das erste Mal den verzweifelten Wunsch, da raus zu kommen. Nach 12 sollte die Band dann aufhören. Was sie natürlich nicht taten. Naja, dann überarbeiten sich halt die Securities und ich hole mir einige unterschwellig stark schmerzende blaue Flecken. Nach 45 Minuten kuscheln zwischen Unbekannten und dem mittlerweile zum Freund avancierten Wellenbrecher ist dann Erholung angesagt. Einfach mal umfallen…das ging vorher nicht. War kein Platz. Die Frage nach meinem Alter und ob es einfach zu voll ist hat sich damit beantwortet: ich bin doch nicht zu alt. Dafür sind 60000 Leute auf dem Gelände mal lockere 10000 zuviel. Was soll´s. Hinten sieht man auch noch genug und so kann man noch Audioslave und System Of A Down genießen (bis auf einen Tonausfall und die seltsamen Menschen, die auf einmal für eine bessere Sicht die Lautsprechertürme besteigen), bevor der Tag ausklingt.

ImageHaha! Der letzte Tag! Wir beginnen mit den extrem gehypeten Madsen. Naja, schlecht sind sie echt nicht. Die Platte war ja auch mehr als okay. Kann ich jedem nur empfehlen sich mal anzugucken. Sollte ja auch leicht möglich sein. Die sind ja überall. Im Regen getanzt wird dann zu Schwedens Chef-Soulsänger Moneybrother. Der Mann hat Swing, der Mann hat Soul. Ach, der Kerl hat alles und wenn ich ne Frau wäre würd ich mich hoffnungslos verlieben. Bin ich aber nicht, und so bleibt’s bei schöner Musik und tanzen im kalten Regen zum Aufwärmen. Auch nett. So, erstmal Pause und zurück auf den Campingplatz. Das Festival hat Spuren hinterlassen. Vielleicht bin ich doch zu alt. Hmm…der Rest des Publikums scheint auch hauptsächlich aus frischen Abiturienten zu bestehen. Okay, ich bin alt. Aber egal, rocken kann ich noch.

Nach kleiner Erholungspause bummel ich mal zu I Am Kloot die Verkaufsstände entlang und ignoriere die US-Mainstream-Pseudo-Rocker von 3 Doors Down. Wirklich gut wird anschließend der Auftritt des Scientologen Beck. Vor 2 Jahren auf dem Terremoto noch für schlecht befunden, jetzt zum großen Moment aufgestiegen. Besonders eindrucksvoll: Beck Hansen singt, die Band sitzt am gedeckten Essenstisch und spielt auf Weingläsern und mit dem Besteck & Geschirr die Begleitung. Originell, faszinierend, witzig. Anschließend stauben wir uns noch mal eben mit den Queens durch die Wüste Nevade und lassen uns von New Order ein bisschen einschläfern. Was die als Headliner da sollen? Weiß ich auch nicht. Wenigstens erleichtern sie die Entspannung. Die Ärzte spielen heute auch wirklich nur 90 Minuten und beenden ein erfolgreiches Hurricane 2005. Zurück zum Zeltplatz. Ein paar Bier, ein paar Stunden und einige Zeltverbrennungen und Dixi-Umstürzungen später ist dann Abbau angesagt.

Auf Wiedersehen Scheeßel! Aber ob ich wiederkomme? Gute Frage. Es war schon zu voll. Wenn das Gelände nicht wesentlich erweitert wird suche ich lieber was gemütlicheres. Bin wohl doch wirklich alt…aber rocken, das kriege ich trotzdem hin!