"Dieser dreckige Berliner Charme ist definitiv in unserem Sound drin."

leopard bandfotoDie Berliner Newcomer von LEOPARD haben in schwierigen Zeiten zwei beachtenswerte EPs veröffentlicht. Wir hatten Gelegenheit, mit Sänger Lars Paprotta zu sprechen, der uns erzählt hat, wo LEOPARD musikalisch herkommt, wo's hingehen soll und warum Streamingdienste und AirBnB oft auch richtig scheiße sein können.

Versucht ihr einen eigenen LEOPARD-Sound zu machen oder gibt es Vorbilder und Vorlieben, die euren Sound deutlich beeinflussen? Bevorzugt ihr einen bestimmten Genrenamen für eure Musik?
Gibt es das überhaupt, Musik ohne Einflüsse? Definitiv versuchen wir, unseren eigenen Sound zu machen, denn wir haben gar keinen Bock den Sound irgendeiner Band oder Epoche zu rekreieren. Aber klar gibt es Bands und Musiker*innen, ohne die unsere Musik nicht so klingen würde wie sie klingt. Anders gesagt: Wir klingen wie wir klingen, weil wir gehört haben was wir gehört haben. Die Songs schreiben Chris, unser Gitarrist, und ich, wir kommen beide aus der Indie-Szene, zu nennen wären da vor allem jeglicher Output von Pete Doherty, also Libertines und Babyshambles, sowie andere 00er Jahre Bands wie Arctic Monkeys oder The Strokes, die uns krass beeinflusst haben. Punk und Post-Punk Bands wie Gang of Four oder The Clash gehören da auf jeden Fall auch noch mit dazu. Wenn wir nach dem Genre gefragt werden, antworten wir immer abwechselnd mit Indie-Rock und Post-Punk, unser Sound liegt wohl irgendwo dazwischen.

Wenn ich dich richtig verstehe, hältst du diese heute oft üblichen superspeziellen Etikettierungen für überflüssig. Meinst du, Erfolg in der Musik ist einfacher, wenn man sich nicht übermäßig festlegen lässt oder kann ein sehr spezieller Markenkern von Vorteil sein?
Für mich als Musikschaffenden finde ich sie überflüssig und einschränkend. Ich schreibe meine Songs und Texte aus verschiedenen Launen und Gefühlen heraus, und nicht um damit unter irgendein Etikett zu passen. Als Band identifizierbar zu sein ist super wichtig, aber das funktioniert nicht nur über Sound, sondern auch über Attitüde, Themen oder die Stimme. Diese ganze Versessenheit auf Genre-Zugehörigkeiten ist heutzutage wohl der überall um sich greifenden Vermarktungslogik zuzuschreiben. Für Musikhörer*innen, gerade Streamingdienst-Nutzer*innen, ist es natürlich praktisch, weil sie schneller neue Musik finden, die vermeintlich ihrem Geschmack entspricht.

Würdet ihr anders klingen, wenn ihr in Hamburg oder Köln zu Hause wärt? Konkret: Glaubst du, es gibt noch lokale oder regionale Einflüsse in der heutigen Musik?
Ja, ich denke schon. Du hast das in deiner News zu unserer Single „Aus dem Katalog“ schon ganz gut auf den Punkt gebracht, dieser dreckige Berliner Charme ist definitiv in unserem Sound drin. Keine Ahnung wie wir klingen würden wenn wir in einer anderen Stadt leben würden… Da trifft man dann über die Jahre auch andere Bands und Musiker*innen, aus denen man Inspiration zieht. Es wäre ein anderes Leben mit einem anderen Sound.

Was ihr derzeit abliefert, könnte zukünftig auch kommerziell erfolgreich werden. Strebt ihr das an oder steht für euch die Botschaft im Mittelpunkt? Oder geht beides?
Dass sich kommerzieller Erfolg und Musik mit klaren politischen Botschaften nicht ausschließen, ist ja nicht erst seit Rage against the Machine bekannt. Auf jeden Fall würden wir unser Geld lieber mit unserer Musik verdienen als mit Gelegenheits-Jobs und Hartz IV. Im Moment sind wir happy damit, unsere Musik auf unserem eigenen Label STABIBI RECORDS zu veröffentlichen und von vielen Seiten positives Feedback dafür zu erhalten. Wenn jetzt ein Label bei uns anklopft, um uns etwas anzubieten, würden wir uns aber auf jeden Fall damit auseinandersetzen.

Wie weit würde denn eure Gesprächsbereitschaft reichen, wenn ein Label anklopft und möglicherweise “Anpassungen“ vorschlägt? Gäbe es da eine rote Linie? Bei der Musik? Beim Inhalt?
Klar gibt es da rote Linien, sowohl bei der Musik als auch beim Inhalt. Musik zu machen bedeutet für mich, selbstbestimmt zu arbeiten. Wenn jetzt ein Label kommt und uns sagt, wir bringen euch groß raus, aber dafür müsst ihr so und so klingen und du singst dazu bitteschön die und die Texte, dann ist es Fremdbestimmung und da habe ich keinen Bock drauf. Ich denke aber, dass wenn ein Label Interesse hat mit uns zusammenzuarbeiten, sie intelligent genug sein werden, uns uns sein zu lassen, denn das ist das was uns ausmacht.

Ihr habt eine Menge Sozialkritik in euren Songs verpackt. Die Probleme mit der Gentrifizierung scheinen euch aber besonders zu beschäftigen. Warum?
Weil es ein riesen fucking Problem ist. Für Geringverdiener*innen und Prekäre wird es immer schwieriger, in einer Stadt wie Berlin zu leben bzw. zu überleben. Es ist krass wie viele Obdachlose in der Stadt sind. Die Eintritte für Clubs und Konzerte werden immer teurer, und da wo sie es nicht tun, verschwinden die Clubs über Nacht. Kultureinrichtungen und Jugendzentren wie die Potse und das Drugstore, wo wir unseren ersten Proberaum hatten, werden von der Berliner Politik entmietet und geräumt, ohne dass es gleichwertige Alternativen gibt. Und wofür? Für Immobilienspekulation als Wertanlage, gierige Airbnb-Yuppies und Großraumbüros in „cooler“ Innenstadtlage. Ne danke, geh‘ zurück in Katalog.

Wenn ihr euch etwas wünschen könntet, wie es mit LEOPARD in 2021 weitergeht: Womit wärt ihr zufrieden? Was wäre großartig?
Wir freuen uns, endlich mal mit dem Konzerte-Spielen anzufangen. Unsere erste EP kam ja genau „pünktlich“ zu Corona, von daher juckt es uns schon eine ganze Weile in den Fingern… Großartig wäre, noch ein paar Festivals mitzunehmen, z. B. werden wir uns beim Reeperbahn Festival bewerben, da haben wir echt Bock drauf. Außerdem hoffen wir, bald die Finanzierung für unser Debüt-Album zu klären, welches wir im Winter aufnehmen wollen – entweder mit Hilfe eines Labels, oder über einen Kulturfördertopf. Nach zwei EPs sind wir auf jeden Fall ready für unser erstes Album. Wenn wir das bis Ende des Jahres hinkriegen, wäre es ein super Jahr für uns. Und nächstes Jahr finden dann hoffentlich wieder Club-Konzerte statt, dann geht‘s richtig ab.

Foto: Christian Dangel

Erste Gelegenheiten, LEOPARD mit neuer EP im Gepäck live zu sehen, habt ihr hier: 21.6.21 Fete de la Musique, Berlin (Refo-Kirche); 1.7.21 Mainz, KUZ (Hinterhof Open-Airs); 3.7.21 Nürnberg, Kunst Braucht Raum; 16.7.21 Eisenach, Klein-Klang Festival

Mehr Infos: www.stabibirecords.com