DIN (A) TOD - Phantasmen

ImageBerlin war ja in letzter Zeit vor allem auch durch das Label Fatal Recordings von ex-Riotgirl Hanin Elias ein guter Ort für dunkle elektronische Musik - man denke nur an Vanishing, Phallus über Alles oder Hanin Elias/TweakerRay. Mit dem Duo DIN [A] TOD kommt ein weiterer Berliner Act mit Stil und Anspruch dazu. Die Band wurde 2003 von Sven Claussen und Claudia Fasold gegründet und hat nun mit der Picture-10inch "Living Dead" ihr Debüt bei Out of Line veröffentlicht. Warum nicht gleich ganz oben anfangen, haben sich die beiden wohl gedacht und als Produzenten fürs Debüt gleich mal John Fryer (Fad Gadget, HIM, NIN) gewinnen können. Respekt!!

Im Vergleich zu den oben genannten Bands dominiert bei DIN [A] TOD jedoch eine tiefschwarze Ästhetik: Songtitel wie „Living Dead“, „Angst“ oder „Dead Beat“, dazu ein düsterer Gothic-Style mit Bildern von verfallenen Friedhöfen und dunklen Kellern. Punkige 80er Jahre Kaputtness und Wave-Tristesse wird mit der Symbolik des expressionistischen Stummfilms und billigem Horrortrashs verbunden...

Die musikalische Umsetzung der DIN [A] TOD`schen Phantasmen erfolgt mit minimalistischen Elektroklängen und dunklem, unterkühlten Gesang. Das ganze klingt schön rau und schlägt die Brücke vom Gothic zum Electroclash und lässt zum Glück den derzeitigen Gothic-Mainstream links liegen. Neben dem potentiellen Clubhit "Living Dead" ist das Stück "Creation Cruxification" hervorzuheben, welches durch die Produktion von John Fryer ein großartiger Cold Wave Song geworden ist.

Also endlich mal wieder ein neuer Gothic-Act mit Anspruch über den zu berichten lohnt. Unruhr führte folgendes Interview mit mit Sven Claussen und Claudia Fasold von DIN [A] TOD...

Einstiegsfrage: Beschreibt doch mal kurz wie es zur Gründung von DIN [A] TOD kam, euren musikalischen Background usw...

ImageClaudia:
Wir haben beide früher schon schwarze Musik gehört, dann aber auch allerlei anderes Zeug gehört, Wave, (Post-)Punk, britischen Pop... Vor DIN [A] TOD haben wir schon ein paar Bands zusammen gehabt, anfangs noch in der klassischen Besetzung mit Gitarre und Schlagzeug. Weil die Leute da aber immer so unzuverlässig waren, haben Sven und ich beschlossen, es mal zu zweit zu probieren, ja und daraus ist das dann alles entstanden.

Nach der Demo-CD ist die EP bei Out of Line eure erste reguläre Veröffentlichung. Das klingt ja soweit erst mal recht unspektakulär…wäre da nicht JOHN FRYER, den ihr als Produzent gewinnen konntet. Das ist für ein Debüt ja ganz schön dicke Buxe… Wie kam denn der Kontakt zusammen und wie verlief die Zusammenarbeit?

Claudia:
Der Kontakt zu John Fryer kam über gute Freunde von uns in London zustande, die hatten überhaupt auch die Idee...wir sind ja viel zu bescheiden. Na jedenfalls waren wir dann doch sehr froh, als er zugesagt hat, denn einige der Platten, die er produziert hat schätzen wir wirklich SEHR. Wir haben dann hier in Berlin aufgenommen und ihm die Spuren zum abmischen nach London geschickt, zusammen mit einer langen Liste mit unseren Vorstellungen und Eindrücken zu den Liedern. Im Falle von „Creation Crucifixion“ allerdings waren wir ziemlich ratlos, wie der Mix werden sollte, weil das Lied erst kurz zuvor fertig wurde. Also haben wir das vollkommen John überlassen, und waren mit dem Ergebnis sehr zufrieden, das Lied hatte einen völlig neuen Charakter bekommen!

Ihr habt als Medium für eure Veröffentlichung Vinyl (10inch) gewählt, warum? Ist es eine Referenz an die 80er oder hat es auch damit zu tun, dass die CD ein sehr steriles Medium ohne viel Emotionalität und Haptik ist?

Claudia:
Wird wohl beides gewesen sein. Wir haben das immer für einen hübschen Brauch gehalten, dass man für eine Erstveröffentlichung erst mal ein kleines Vinylformat wählt, und es Imageerschien uns natürlich, das auch so zu machen. (Empfiehlt sich übrigens auch, wenn man nicht so schnell im Songschreiben ist.)

Sven:
Ich will jetzt auch nicht allzu weise klingen, aber Vinyl ist halt ein Medium, das noch ein bisschen Geduld erfordert, während CDs ja eher so instrumentelle Gebrauchsmedien sind. Vinyl ist persönlicher und weniger illusionistisch, und das kommt uns glaube ich sehr entgegen. Mich beeindrucken tendenziell eher Bands, die mit elementaren Mitteln interessante Musik machen, wohingegen ich so ausgetüftelte Sachen meist eher ermüdend finde. Auf die ein oder andere Art haben wir uns immer bemüht, weniger zu machen als wir könnten (oder als üblich), und so erschien Vinyl dann auch als das naheliegende Medium.

 
Ihr benutzt viele Analog-Sounds. Ist dies ein Konzept das ihr beibehalten werdet? Was macht für euch den Klang analoger Synthesizer aus?

Sven:
Ist eigentlich dieselbe Sache wie mit dem Vinyl...

Claudia:
...man hört schon einen Unterschied zwischen analog und digital und man arbeitet natürlich auch anders damit als mit Retortenpatterns oder Computern. Da ist mehr Wärme und Eigenleben in den Analogen. Wir arbeiten aber auch mit modernen Mitteln und gerade ich interessiere mich in letzter Zeit sehr für die Möglichkeiten der Musikbearbeitung am Computer, und so werden wir auch weiterhin versuchen, alt und neu miteinander zu verbinden...

Sven:
Ich könnte mir vorstellen, dass das auch für den Hörer eine Rolle spielt, ob Musik mit einem körperlichen Einsatz, der ja auch gewisse Ungenauigkeiten mit sich bringt, eingespielt wird, oder ob bloß ein paar Mausklicks am Rechner ein ganzes Orchester simulieren. Wir haben uns bemüht, vor allem mit den Keyboards, einen organischen Klang hinzubekommen; das ist auch eine Gewissenssache, wir sind mit Gitarrenmusik aufgewachsen, und ich spiel ja auch Gitarre und Claudia hat früher Bass gespielt, und dadurch haben wir halt eher so einen "mechanischen" Zugang zur Musik. Die alten Sequenzer sprechen ja noch eine sehr einfache Sprache, das legt einem eine gewisse Beschränkung auf, die man aber glaub ich auch braucht um kreativ zu sein.

Warum benutzen Berliner Gothic-Acts nur so gerne Klischees - ich denke da z.B. an Die Untoten oder Blutengel. Auch ihr benutzt Songtitel wie "Living Dead", "Angst", "Dead Beat". Ist das ein bewusstes Spiel mit diesen Klischees oder bitterer Ernst?

Claudia:
Du musst sehen, dass diese Lieder aus der Anfangsphase der Band stammen und ich glaube, dass wir beide damals sehr stark in der Vorstellung gelebt haben. Wir waren von der Realität Imageder Gothic-Szene, der Partys und Bands nie so beeindruckt, wie man denken könnte, und unser Begriff davon, war eher ein Phantasma, eine diffuse Melange aus Stummfilm-Schauer, ein paar alten Platten, jugendlicher Einsamkeit und Orientierungslosigkeit. Und dann haben wir uns diese Phantasmen konstruiert, die insofern auch Ironie enthalten, weil es eben Phantasmen sind und wir durchaus noch im Hinterkopf hatten: es gibt eine Wirklichkeit und die sieht anders aus. Aber wie soll ich sagen, wir haben Musik "aus dem Wohnzimmer" gemacht, nicht aus einem bürgerlichen natürlich, sondern aus einem psychotisch-produktiven Innenraum, in dem die Phantasie die Realität nur in den Ebbphasen ihrer Schübe zutage treten lässt.

Sven:
Spiel und Ernst, das schließt sich ja auch nicht aus, denn es geht ja gerade um Ambivalenz. Wir mögen prinzipiell nicht so klar definierte Sachen und haben das auch nicht als Klischees gesehen, oder zumindest haben wir versucht, da anzuschließen wo diese Symbolik lebendig und noch nicht zum Klischee erstarrt war, also Schauerroman, Grand Guignol, Stummfilm, Zombiefilm, "Gothic" avant la lettre. Die neuen Lieder sind übrigens nüchterner und realistischer, man kann dieselbe Geschichte nicht 10 mal erzählen.

Von der Optik zum Sound habt ihr ja mehr so einen 80er Gothic-Style. Was denkt ihr über die heutige Gothic-Szene? Ich finde ja, dass in großen Teilen der Szene jegliche  Innovation abhanden gekommen ist. Die Musik ist absolut blutarm und total konform geworden: Gothic kann mittlerweile alles sein, egal ob stumpfer Rock (Oomph, Subway to Sally, dämlicher Gothic Metal), Schlager (Illuminate) oder Großraumdisco-Trance (Future Pop)…Hauptsache man benutzt Schminke einen Ledermantel und gibt sich ein krasses Image.

Sven:
Ja, die Gothic-Szene hat es geschafft, beinahe alle Möglichkeiten zur Entwicklung, die die Subkulturen der 80er boten, zu eliminieren. Aber eigentlich habe ich gar kein Bedürfnis, Imagemich zu beklagen, nicht nur weil ich die 80er eh nur aus Büchern und Platten kenne, sondern auch weil mich die Geschmacksverirrungen der Mehrheit nicht im Geringsten interessieren. Mir ist auch eigentlich egal, wer unsere Musik hört oder welche Haarfarbe der hat, in Berlin haben wir ja auch hin und wieder vor eher so Kunstpublikum gespielt, und solange die Leute nur nicht erwarten, dass ich sie für 40 Minuten ihre Komplexe vergessen lasse, denn das ist nicht meine Aufgabe, bin ich zufrieden. Aber wir haben gemerkt, es gibt noch Leute, die mit Ironie und etwas Dilettantismus was anfangen können.

Claudia:
Ja ich stimm euch da zu. In der Gothic-Szene heute herrschen genau die gleichen Strukturen wie im Mainstream. Nur halt schwarz und dass sich alle für den Underground halten. Aber als Künstler macht man halt "trotzdem" was man für richtig hält, egal was "die Mehrheit" erwartet. Aber genau betrachtet ist es doch sehr hilfreich, wenn man seine Illusionen verliert.

Zum Schluss euren Kommentar zu den vorgezogenen Bundestagswahlen und der schwarz-gelben-neokonservativen Republik?

Claudia:
Ich glaube, dass sich, egal wer da an der Macht ist, nicht viel ändern wird. Das gesellschaftliche Konzept, in dem wir uns heute befinden, das funktioniert einfach nicht mehr... Wenn es Neuwahlen geben sollte, und die CDU an die Macht kommt, die werden auch keine Lösungen finden, und dann, in 4 Jahren stehen wir wieder da und fragen uns: 'Und was nun? Hat auch nicht geklappt....' Und was dann passiert, das ist das, was mich interessiert. Vielleicht ist dann die Zeit für ein radikales Umdenken gekommen.

Sven:
Ich habe eigentlich keine politischen Illusionen, ob schwarz-gelbe oder rot-grüne Scheiße, es bleibt was es ist. Freie Entscheidungen werden in der Politik nicht getroffen, sondern es wird, entweder mit reuiger Miene (rot-grün), oder mit cholerischem Optimismus (schwarz-gelb) die strukturelle Pleite verwaltet.


www.dinatod.de
www.johnfryer.net

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