Rummelsnuff: "Ahoi ihr Ruhrmatrosen"

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Rummelsnuff - Sliwowitz
Was ist das denn? Eine Reinkarnation von Popeye, ein fleischfarbener Hulk oder doch Right Said Fred für die Eisenbude? Vielleicht von allem ein bisschen. Rummelsnuff ist ein körperbasiertes Gesamtkunstwerk, ein Muskelbulle im Hans Albers-Look, der Elektro-Doom-Shantys singt. Hinter Rummelsnuff verbirgt sich Roger Baptist und der ist Musiker, Kraftsportler, Türsteher und Seemann in Personalunion.

Um Rummelsnuff zu verstehen muss ein wenig ausgeholt werden, denn schon die bisherige Lebensgeschichte von Roger Baptist ist alles Rummelkapitänandere als gewöhnlich: Geprägt durch seinen Vater den Posaunisten und Bandleader Peter Baptist, bewegte sich Roger Baptist seit der Gründung der Punk-Band KEIN MITLEID im musikalischen Untergrund der DDR. Kurz vor der Wende wurde Roger Baptist Keyboarder der großartigen FREUNDEN DER ITALIENISCHEN OPER, von denen Wissende immer noch mit leuchtenden Augen schwärmen. Nach zwei Alben auf ZickZack war Schluss. Roger Baptist gründete das Electro-Industrial-Trio AUTOMATIC NOIR, aber nach wiederholt knapp verpassten Plattenverträgen kam es Ende der Neunziger zum großen Bruch: Er packte seinen Seesack, heuerte auf einem norwegischen Handelsschiff an und fuhr 5 Jahre von „Sansibar bis Hammerfest“ über die Weltmeere. In diesen Jahren begann seine Metamorphose. Die Instrumente wurden mit Hanteln getauscht und aus Roger Baptist wurde der Muskelbulle. Der letzte Schritt zur Erschaffung von Rummelsnuff vollzog sich durch die Bekanntschaft mit dem norwegisch-australischen Künstler Bjarne Melgaard. Als dessen Muse und Modell diente Roger Baptist und Melgaard bannte ihn in mehreren gewalttätigen Bildern auf die Leinwand. Seither war Rummelsnuff geboren, mit Muskeln wie ein Gebirge und fest verwachsen mit einer gehörnten Mütze aus Reifengummi.

Rummelsnuff macht derbe Strommusik: Seine Elektropunkgassenhauer sind beeinflusst durch Bands wie Laibach, Daf, Devo, Joy Division oder Trio, werden aber mit eingängigen Melodien und derb-herzlicher Seefahrer-Romantik garniert. Aber das Konzept von Rummelsnuff beschränkt sich nicht nur auf die Musik. Die visuelle Umsetzung der Songs mit aufwändigen Videos von Regisseuren wie Edammer, Joggy Müller oder Sven Rebel, die auch bei den Live-Auftritten eingesetzt werden, gehört untrennbar dazu. Und wie bei Laibach, spielt der auch Rummelkäpt´n mit einer Ästhetik, die Elemente des Kommunismus und des Faschismus miteinander verbindet. Nur ergänzt er diesen Ansatz noch mit schwulen Klischeebildern von Matrosen, Soldaten und Malochern. Und so singt Rummelsnuff auf seinem ersten Album „Halt durch“ (ZickZack) über Männerfreundschaften, Schwerstarbeitern unter Tage, von den kraftstrotzenden Ringern auf der Matte und natürlich von Männern auf hoher See. Kurzum dieses Album dokumentiert einen tongewordenen Männlichkeitswahn!

Aber trotz allem Pathos und grollendem Nicht-Gesang von Roger Baptist verfällt die Musik niemals in eine Schwere wie bei Laibach, Witt oder Rammstein. Wie auch bei einer Instrumentierung mit billigen Keyboard-Sounds und Eurodiscobeats? Mit seinen "schönen" Melodien und der vordergründigen Harmlosigkeit seiner (zugegeben auch mal ruppigen) Texte erinnert er vielmehr an den subtilen Humor eines Andreas Doraus. „Halt durch“ bietet eine aberwitzigen Mischung aus Hits („Sliwowitz“, „Der Hund“), Kirmestechno a la DAF/DOS („Fett in die Fresse“ mit Performance-Matrosen Shamov am Mirko), Brachial-Industrial-Metal („Lauchhammer“, „Ringen“) und natürlich tiefbewegende Schunkel-Shanty-Songs („La Rouchelle“, „Halt durch“ oder „Rummelkäpt´n“), die direkt Kurs auf das Herz nehmen. Und für das Unruhrgebiet sei erwähnt, dass mit „Kumpel, Glück auf!“ auch den hiesigen Knappenchören ein neues Standardliedgut geschenkt wird. 

Natürlich wird dieses Album polarisieren. Aber die Konsequenz der Inszenierung, die selbst vor dem eigene Körper keinen Halt macht, ist einfach der Hammer. Und wer hat schon mal ein Album in der Hand gehalten über das man sagen kann "funktioniert im Darkroom, in der Indie-Disco und im Bierzelt" (Presseinfo). Man muss Rummelsnuff gehört/gesehen haben, denn der Käpt´n und seine Mannschaft gehören sicherlich zu Interessantesten Acts der letzten Zeit.

Jetzt aber der Rummelkäpt´n im Interview (der leider etwas wortkarg war, was an meinen doch etwas nervig-dümmlichen Fragen gelegen haben mag…):

BadenixeAhoi Käpt´n!

Ahoi ihr Ruhrmatrosen!

Warst du früher Schiffschaukelwipper oder wie viele Rinderhoden musstest du essen, damit aus Roger Baptist Rummelsnuff wurde?

Vielleicht ist Rummelsnuff die erst vor wenigen Jahren entdeckte wahre Identität von Roger Baptist.

Dein Debüt-Album erscheint nicht irgendwo, sondern bei dem traditionsreichsten deutschen Indielabel ZickZack. Wie kam der Kontakt zustande? Hast du einmal deinen Bizeps angespannt und dann hat man dir lieber den Vertrag gegeben?

Das wäre nicht notwendig gewesen. Alfred Hilsberg persönlich wurde aufmerksam. Und wie er mir versichert liegt das nicht unbedingt am Bizepsumfang.

Verwundert es dich nicht auch, dass der Indiefeuilleton (Spex, Intro) so aufgeregt über Rummelsnuff berichten, obgleich sie doch artverwandte Musik von z.B. Rammstein nicht mal mit der Kneifzange auf den Plattenteller legen würden?

Nein, hingegen verwundert mich, dass diverse andere Medien sich wiederum gar nicht an Rummelsnuff heranwagen.

Wie entsteht denn so ein „derber Gassenhauer“?

Meist ist die Musik vor dem Text da und wird dem später entstehenden Text bei Bedarf noch etwas angepasst. Eingängige Melodien sind, mit Verlaub, eine kleine Spezialität des Rummelkäpt´ns. Das ist natürlich wieder eine streitbare Aussage und darf gern anders eingeschätzt werden.

Deine Fotos und Videos sehen aus wie Sozialistischer Realismus unter Testosteroneinfluss. Wie wichtig ist dir dieses Ost-Ding?

Dieses sogenannte Ostding spiegelt Erlebtes wider. Die Zeit vor Mauerfall hat mich zu wesentlichen Teilen geprägt. Aus einer überwiegend oppositionellen Einstellung seinerzeit bildete sich auf künstlerischer Ebene ein Spiel mit den Symbolen und Gepflogenheiten autoritärer Systeme heraus. Aber der Rummelkäpt'n schwelgt nicht auf sogenannten Ostalgiewellen!

Lauchhammer hierLauchhammer da

Rummelsnuff gilt ja als etwas, was man live erlebt haben muss. Was sieht denn deine Live-Performance aus und wer gehört zu deiner Mannschaft?

Die zahlenmäßige Stärke der Mannschaft kann dem Anlass angepasst werden, so funktioniert Rummelsnuff in kleinen Kellern als auch in großen Industriehallen. Der Livesound setzt sich aus Elektronikbeats und Samples, kombiniert mit Live-Rhythmusgruppe zusammen. Drummer Qno Kunze und Basser Toddy Scheel sorgen für die wuchtige Umsetzung. Ganz besonders gern aber leider nur gelegentlich nimmt der Käpt'n seinen Performance-Matrosen Shamov mit ("Fett in die Fresse", "Vollnarkose"). Der Schauspieler ergänzt das Rummelkonzept aufs Vortrefflichste. Charmantes Sahnehäubchen der Show ist die Gitarristin Stephanie Mai.

Irgendwo habe ich gelesen, du seiest eine Zeit lang die Muse von Bjarne Melgaard gewesen. Das klingt nicht ungefährlich. Arbeitet ihr noch zusammen?

Der Kontakt brach jäh ab und ich habe seither nie wieder von ihm gehört. Aber Kunst ist allgegenwärtig in Rummelsnuffs Tun und Sein. Die Fotografen Sven Marquardt und Ray van Zeschau, Choreograf und Regisseur Tomi Paasonen (Tanzstück "Best Before" mit Rummelsnuff) und diverse Filmemacher und Videokünstler seien hier stellvertretend genannt.

Wann biegt denn der Käpt'n mal endlich auf den Dortmund-Ems-Kanal ab und kommt ins Ruhrgebiet? Bei uns gibt es auch schöne deindustrialisierte Räume…

Sobald er angefordert wird! Er brennt darauf, die Gegend und deren wackere Bewohner kennenzulernen!


Rummelsnuff - Konzert-Medley live in Oberpöbel

Könnt ihr auch kaufen: Im unruhr Popkulturshop.

Review Sender Karlshorst (2010)

http://www.rummelsnuff.com/
http://www.wsfa.de/
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