aufRuhr autosuggestiv

auf RuhrGibt es eigentlich einen Comic, der sich um das Thema Hamburg dreht? Oder Berlin? Oder München? „16 Künstler erzählen in Bildern kurze Geschichten über das Ruhrgebiet - emotionale, lustige und auch nachdenkliche Geschichten", heißt es da im Waschzettel von Konturblau, dem Verlag. Und Fritz Eckenga, der halb fleisch-, halb geistgewordene typische Halbintellektuelle der hiesigen Milieu-Pseudoavantgarde, fügt im Vorwort hinzu, dass die Kulissen der Geschichten nicht die zum Klischee degenerierten Trinkhallen, Pommesbuden, Kneipen, Fußballplätze, Zechen, Stahlwerke und Autobahnwüsten Heimattümelnder seien. Hmmm, wenn er sich da mal nicht irrt. Und überhaupt: Was ist, wenn das einheimische Lumpenproletariat genau das erwartet?

„Hab ich nicht verstanden, was soll das?" hörte ich nämlich von dem ein oder anderen, der aufRuhr gelesen hat. Er meinte zwar nicht das komplette Werk, aber den ein oder anderen Comic, der eher surrealistisch oder subversiv daherkam, wie z.B. „Andigebiet" von Martin Baltscheit oder „Wattenscheid Oddity" von Vincent Burmeister. Und an Herausgeber Jamiri scheiden sich eh die Geister - die einen halten ihn für genial, die anderen - gähn - für den größten Langweiler diesseits des Anstichs.

Was ich sagen will: aufRuhr ist eine gelungene Mischung aus unterschiedlichen Erzählstilen, künstlerischen Attitüden, Anmutungen und Geschichten rund ums Ruhrgebiet, und genau deshalb wirkt es manchmal misslungen. Hier wird etwas zusammengeführt, was nicht immer zusammen gehört. Die düstere Vision einer geschundenen Region, der subversive Blick auf die trockene Ruhrgebietsmentalität, das Archaische der verlorenen Industriegesellschaft, die disneyhafte Schönfärberei verpoppter Buntlinge, das Minimalistische, das Fantastische, das Kindliche,.

Klar, die Vielfalt ist beeindruckend und man mag gar nicht darüber nachdenken, welchen Charakter die Ruhrstadt als Metropole der kreativen Bohéme haben könnte, wenn es nicht diesen stetigen, unseligen braindrain gäbe, das Abwandern der Besten in die vermeintlichen Metropolen der Welt. Doch kaum hat man sich auf eine Geschichte innerlich justiert, zerstört die nächste mitunter die aufgebaute Spannung.

Ich weiß, dass dieser Comic nicht in die Tiefe gehen will, und deshalb funktioniert er auch als Teaser, als Lockstoff und - vielleicht für so manchen das Allerwichtigste - als Selbstversicherung. Wir klopfen uns auf die Schulter und wissen jetzt, dass einige der kreativsten Comiczeichner aus dem Ruhrgebiet stammen. Wir haben uns mal wieder in perfekter Autosuggestion vor Augen geführt, dass wir großartig sind - nur weiß es keiner. Und es interessiert auch keinen - in Hamburg, Berlin oder München. Und deshalb ist dieser Comic vielleicht doch Ausdruck dessen, was Eckenga in seinem Vorwort eigentlich ausschließt: eine Folge der "Strukturwandel-Propagandisten", die die Umnutzung der Industrie-Ruinen im "Werbesprech zum Dauer-Event hochjazzen". Ausnahmsweise jazzen wir nämlich unsere Comic-Zeichner hoch. Wo ist der Unterschied? Scheint so, als brauchen wir das einfach noch. Bis 2010.

Klar, wir von Unruhr haben gut reden. Schmoren wir doch auch gut und gerne auch mal im eigenen Saft. Unzählige Diskussionen in unserer Redaktion drehten sich bereits um dieses Thema. Einig waren wir uns immer in einem: Regionales ja, aber möglichst nur, wenn es semantisch über die Region hinausreicht. Ist nicht immer gelungen, aber wir arbeiten dran. Wie aufRuhr, denn die ein oder andere Geschichte schafft es doch: Auf etwas Größeres verweisen. Ruhig mal lesen. Und darüber nachdenken.

www.konturblau.de
www.eckenga.de