Max Richter - Sleep

richter sleepTatsächlich kannte ich die CDs mit dem gelben Logo unten rechts bisher nur aus der Plattensammlung meines Schwiegervaters. Jetzt war eine Platte der Deutschen Grammophon im unruhr-Postkasten.

Das ist die Gelegenheit für einen Selbstversuch: Bekommt man vom Hören klassischer Musik Pickel oder graue Haare? Beides? Mit so etwas sollte man behutsam starten. Deswegen ist Max Richter genau richtig dafür. Denn genau genommen ist es nicht lupenreine Klassik, mit der sich der britische Komponist beschäftigt. Auch sein neues Werk „Sleep“ verbindet Klassik mit Elektronik.

Max Richter ist bei seiner neuesten Komposition verantwortlich für Piano, Orgel, Synthesizer und andere Elektronik. Zur Mithilfe hat er ein Streicherquintett und eine Sopranistin engagiert, um den Sound für die sieben Stücke auf „Sleep“ einzuspielen. Und obwohl „Sleep“ exakt 60 Minuten lang ist, handelt es sich lediglich um einen Appetizer, einen Teaser, sozusagen um die Single-Auskopplung.

Denn hinter der CD steckt das Gesamtwerk, das sage und schreibe acht Stunden (!) umfasst. „Sleep“ im extended mix wird im Oktober in Berlin aufgeführt. Von Mitternacht bis zum Frühstück. Dem Publikum werden dabei keine Sessel zugewiesen, sondern Betten. Musiker wünschen sich allgemein keine Zuhörer, die einpennen. Bei Max Richter ist das anders. Mit dem achtstündigen „Sleep“ will der Komponist ausloten, wie „das Gehirn Lebensraum für die Musik sein kann, wenn unser Bewusstsein Urlaub hat“.

Damit für diesen Versuch genügend Probanden zur Verfügung stehen und die Bettstätten wie geschnitten Brot weggehen, wünscht sich Max, dass die Hörer der 60-minütigen CD aufmerksam lauschen und bitte nicht sofort wegnicken, sondern angefixt werden. Das wird nicht jedem gelingen, denn „Sleep“ ist außerordentlich getragen, atmosphärisch-sphärisch.

Richters Ziel, ein „Wiegenlied für eine hektische Welt“ zu schaffen, ist gelungen. Wer sich darauf einlässt, wird in der Tat eine Auszeit für sich erreichen, eine ruhige Insel im allgemeinen Getöse entdecken, getätschelt von sanften Klängen.

Das ist den Versuch wert. Und ehrlich: Man bekommt keine Pickel und keine grauen Haare. Zumindest nicht mehr als bisher.

Erscheinung: 2015 (04.09.)
Label: Deutsche Grammophon/Universal
www.maxrichtermusic.com