Ketil Björnstad / Terje Rypdal – Live in Leipzig (2008 Universal/ECM)

(K)ein Pamphlet... Ketil Björnstad / Terje Rypdal – Live in Leipzig (2008 Universal/ECM)

Immer, während der Herbst sein Hereinbrechen zum Ausdruck bringt, stelle ich mir vor, wie Ketil Björnstad an seinem eigenen Fjord sitzt. In der Bibliothek oder dem Musikzimmer, um sich auf das bevorstehende Weihnachtsgeschäft einzustimmen. In den letzten Jahren ist sehr viel passiert. Es gab sehr anmutige Releases. Besonders hervorzuheben davon die limitierte Box „Rainbow Sessions". Aufnahmen, die er getätigt hat, anlässlich des Umzugs der Rainbow Studios in Oslo. Ketil Björnstad hat drei Solo Performances eingespielt, jeweils im alten sowie im neuen Studio. Die Box ist als grandios zu empfehlen, leider aber schon länger vergriffen und nur noch teuer gebraucht zu erstehen.

Aktuell ist jetzt eine spezielle Zusammenarbeit mit der ebenfalls norwegischen Sängerin Randi Stene erschienen, auf ich die an dieser Stelle aber keinen Bezug nehmen möchte. Hier ist „Live in Leipzig" angesagt, live bei den Jazztagen, da wird gefeiert, mitgemacht und man hat den Eindruck, hier wird gerockt bis zum Umfallen. Ketil Björnstad, schreibt in der Art, wie er mit seinem Instrument umzugehen pflegt, über seine Eindrücke bezüglich des Konzerts und über die Beziehung zu Terje Rypdal. Über das Leben von Terje Rypdal in Einklang mit der Natur. Auch diese Einführung wird von dem sehr zurückgenommenen, reduzierten Naturell des Künstlers Björnstad dominiert. Leider kann ich den Ausführungen beim Anhören dieser Produktion aber nicht mehr folgen. Mit Ausnahmen einiger Passagen spielt Herr Rypdal über jedes bisschen Klavier laut drüber weg. In welcher Art und Weise Ketil Björnstad in Zusammenarbeit mit Terje Rypdal hier einen Ansatz machen möchte, wird mir einfach nicht bewusst. Herr Björnstad hat schon einige Produktionen mit Band/Ensemble gemacht. Terje Rypdal ist für lautere, teils durchaus rockigere Klänge bekannt.

Mein erstes Anhören halte ich bis zum 6. Stück durch, dann vergeht die Lust. Dann immer wieder ein erneutes Bemühen, aber außer in einigen Momenten fehlt der ganzen Produktion einfach die Homogenität. Ketil Björnstad sagt „I´m not always the softest piano player", aber man erkennt nur mit Mühe seine muskalische Handschrift. Bei früheren Kollaborationen mit einer Band wurde dementsprechend anders/druckvoller produziert. Hier hat man den Eindruck, einem Solo-Album von Terje Rypdal ausgeliefert zu sein, auf dem ein Klavier lediglich als Hintergrund dient.

Böse Kritiker könnten für sich in Anspruch nehmen, zu sagen, Ketil Björnstad hätte einfach nur eine gehobene Art und Weise in Zusammenarbeit mit ECM geschaffen ein großes Publikum vom Jazz ab zu bekommen, nicht desto trotz auch einen Teil eines Sony Wellness Samplers. Das aber ist falsch, auch wenn man sich ihn auf solch einer Zusammenstellung vorstellen könnte / finden würde, Umstände... Ketil Björnstad gehört zu den Interpreten, denen man durch das Ergebnis das Bewusstsein, für ihre Arbeit und der daraus folgenden eigenen Auseinandersetzung, auf jeden an-/erhört. Nicht wie bei schnellgeschalteten New Age Interpreten. Besonders wenn man bei Ketil Björnstad vom musikalischen Kontext abgeht und sich seiner Literatur zuwendet, bekommt man einen Eindruck, wie er in der Lage ist, Atmosphäre zu schaffen, gegenüber Menschen, die diesen Stempel nur vom Verlag ihres Buchumschlags aufgedrückt bekommen. Sein Label ECM und der hochgschätzte Manfred Eicher experimentieren gerne und das ist gut so. Pat Metheny durfte zwar erst bei Nonesuch/ Warner Music zum „Schlag" ausholen, aber „Zero Tolerance" ist eine Arbeit, die mich doch sehr an „Live in Leipzig" erinnert. Sehr künstlich wird auch hier von einem Ausnahmekünstler Gitarrennoise produziert. Auch zu sehen ganz ähnlich bei David Sylvian/Robert Fripp - Damage/Live. Natürlich ist die Möglichkeit gegeben, daß Ketil Björnstad diese Festival zum Anlass nehmen wollte, dem Publikum einen anderen musikalischen Ausdruck seiner Person in das Bewusstsein zu rücken, deshalb die Veröffentlichung. Natürlich ist der Dialog/Diskurs des/r Künstlers/in und dem/r Hörer/in wichtig. Man darf einem Künstler wie Ketil Björnstad nicht auf Grund seiner Hörgewohnheiten aus dem Weg gehen. Ist die Kommunikation gegeben, folgt die Auseinandersetzung. Der Künstler, der achtet, muss beachtet/gehört werden. Er hat in SEINEM Umfeld immer Recht. Ich darf mich lediglich bedienen. Eine direkte Kritik steht mir über seine Arbeit nicht zu. „If you don´t do exaktly the same, people think, you´re wrong", Genesis P´Orridge. Ich habe die emotionale Geste in MEINEM Umfeld. Irgendwo wartet jetzt diese Auseinandersetzung, in einem CD Geschäft, in einer Tonträgerabteilung, bei einem Interpretentrenner und dieses Mal sage ich einfach „Nein - gefällt mir gar nicht, schade".

Vielleicht weil ich noch keinen Aufenthalt an einem Fjord erleben durfte. Vielleicht beinhaltet eine Fjordlandschaft in Einklang mit dem Rest der Natur alles, von dem was Ketil Björnstad in Freundschaft mit Terje Rypdal zu erzählen weiß. Mir ist das nicht zu eigen und so sage ich nur „Unnskyldning Herr Björnstad - spielen Sie bitte weiter. Ich warte auf den nächsten Herbst".


www.ketilbjornstad.com
Terje Rypdal bei myspace...
...und bei wikipedia