nadja “bliss torn from emptiness“

“bliss torn from emptiness“herzlich willkommen zur zweiten nadja-massenkritik und, obwohl ich es wirklich versucht habe, hier so einiges zusammenzufassen, um der lawine herr zu werden; ihr wisst oder zumindest vermutet es ja zurecht: längst nicht alles kann hier beachtet werden, bei dem output...

"thaumogenesis" + "radiance of shadows" = "thaumoradiance" (auf archivecd). hier also nicht die allmonatliche nadja-vö von neuem material, sondern, zusätzlich (natürlich), nadja live; konserviert. "radiance of shadows", der titel-track der letzten vö auf alien8, live fast brüchig, zögernd, die unkonvetionelle rhythmik und die bass/gitarren-riffs kurz vor dem auseinandergleiten, dafür hier aber mal gut zu hören, welche rolle leah buckareff im soundbild tatsächlich übernimmt, in einem schönen cinemascope-gesamtsound; allerdings, mit gut 16 minuten deutlich kürzer als die 28 minuten der studio fassung.
ähnlich auch bei "thaumogenesis", in der "abriged" fassung mit 24 minuten deutlich kürzer gegenüber dem 60-minütigem-studio-monster (auch auf archivecd), als akustischer hobel jedoch auch live perfekt umgesetzt, der laufzeit geschuldet aber leider ohne die sexy rock-stop'n'go zitate gegen ende der langfassung. seldon hunt cover-art mit starkem bezug zur benannten vorhergehenden studio cd auf archive; vielleicht kein essentieller release, trotzdem sehr gelungen.

"bliss torn from emptiness"
vielleicht so wie das cover? unendlich gezogen (ist ein x-fach-aufklapp-digi)? erst mehrere hörgänge loten ein, wie es gemeint sein könnte oder anders: knüpfen gefühlte bande. das, ja eigentlich gut, weil auf dauer meist interessanter, kann nicht ganz ohne warnung freigegeben werden: zerrissenheit regiert, je nach blickwinkel vor oder hinter der klippe. einer der höhepunkte entsteht für mich dann nach gut der hälfte der spielzeit, wenn das stark höhenbetonte, bratzige riffing stoppt und den raum für stimmensample und atmosphären lässt. lange bevor sich diese wieder erheben und in eine art unendliches outro gleiten, bei dem ich allerdings dann doch mal geneigt bin, innovation zu fordern, zu sehr scheine ich das hier schon bei nadja gehört zu haben. sicher eine der sperrigeren vö's von nadja und hinsichtlich der überraschung in erster linie durch seine bratzigkeit lebend.

"magma to ice"
alessandro tedeschi alias netherworld, der mit seinem label glacial movements gerne die abweisenderen ambientbereiche bereist und mit "cryosphere" neben anderem einen schönen sampler vorgelegt hat, hier mit nadja als zusammenarbeit auf dem französischen feardrop-label, dessen vö's immer 2 künstler/bands compilieren und dabei sowohl individuelle wie auch zusammenarbeitsstücke abfordern. so z.b. mit troum und christian renou, die mit "dissolution" bereits einen sehr stimmigen release vorgelegt hatten. mit netherworld und nadja heben sich da die augenbrauen (im vorfeld) schon eher, marke: passt das? nun, es gibt, mit diesem gedanken (im vorfeld), sicher 2 möglichkeiten, an die cd (3 stücke netherworld, 1 netherworld + nadja, 1 nadja) heranzugehen: (eigentlich richtig!) einlegen und komplett durchhören und den spannungsbogen erleben oder, um die augenbrauen noch steiler zu stellen: erstmal in die #1 hereinhören und dann direkt mitten in die #5 und mit sich selber wetten, ob das funktionieren kann.
lange rede: es kann, sehr gut sogar; ich bin geneigt zu sagen (und tu's ja auch), dass diese nadja (ganz ohne rhythmus) eine wirklich sehr gute ist, gerade wegen der zusammenarbeit und dem daraus entstehenden bogen. die rollenverteilung: netherworld nimmt sich klassik-samples, tiefster (lopez'scher) einzeltöne und fieldrecordings an; ganz im gegensatz zu den arbeiten von leuten, die mit vergleichbarem ausgangsstoff arbeiten (marsen juhls, bersarin quartett), collagiert netherworld diese zu einem düster-nihilistischem extrakt, angedeutete bögen aus dem nebel, wiederhall von fragmenten einer musik "dahinter". die von alessandro tedeschi immer wieder gefeaturete "glaziale stimmung", musik gemacht aus der einsamkeit des eises, würde ich in sachen musikalischer umsetzung intuitiv als letztes in der hier vorgelegten form gelingen sehen; um so schöner zu hören, dass es auch mittels dieses rohmaterials geht.
nadja, wohl die magma-rolle übernehmend, ohne jeden rhythmus, fast direkt als eine tief verflochtene wand aus unendlich vielen tönen, tonsummen und tondifferenzen. so dicht, dass nichts mehr dazwischenpasst; so statisch, dass die steten mikroverschiebungen fast unbemerkt bleiben, definitiv keine eruption aus dem südseeraum, wo das magma fast wasserschnell ist, sondern eine steile wand aus unmerklich vorrückender, gleichwohl glühendheisser gesteinsschmelze. killerabschluss der split/kollaboration und das "obwohl" weite teile des materials so klingen, als wären es "nur" die in die selbstoszillation getriebenen fx. und es ist wohl nur dem wortklang geschuldet, dass es (entsprechend der musikalischen reihenfolge) nicht heißt "ice to magma" (und stück #4, das gemeinsame, quasi die kurzzusammenfassung der cd-gesamtstimmung, das heißt ja dann auch wirklich so).

"thaumogenesis"
und, beim thema wand für die geneigten hörer und hörerrinnen sicher von interesse: die "thaumogenesis" auf archivecd ist in die zweitauflage gegangen und (2), gute/schlechte nachricht für die fanatiker: farblich geändertes cover (diesmal natürlich wieder mit einem nubbel, der nicht so stramm ist, dass er die cd killt)!

"trinity"
neu auf DIE STADT aus bremen angesichts des dortigen konzerts der europa-tour. ein schlichtes faltcover im typischen DIE STADT-stil und schon wieder eine art von kollaboration, konzeptuell direkt vergleichbar mit der "magma to ice", nur diesmal quasi mit sich selbst: 3 stücke, einmal aidan baker solo, dann leah buckareff (auch solo!) und schließlich beide als nadja. werden hier und jetzt die einzelnen rollen entschlüsselt?
aidan baker startet sehr ruhig und verhalten, fast passend zur damaligen DIE STADT vö "oneiromancer", wie ein intro zur (nur durch den namen nadja und die damit verbundene erwartungshaltung zu) befürchtenden wand to come und hält diese stimmung fast 11 minuten lang, ohne rhythmik, nur gitarre und effekte. stabübergabe leah buckareff und auch sie zunächst ähnlich verortet, mit (vermutet) bass und effekten und einem hintergründigem, metronomartigen takt, gleichfalls fast 11 minuten einer abwartenden stimmung, hier aber schon düsterer, in den frequenzen im hinten auch angerissener und dieses hinten lässt leah buckareff im laufe des tracks dann auch deutlich hervorkriechen und, als wäre das noch nicht genug, das metronom zum ritual mutieren. spätestens ab hier ist sie schon allein fast nadja, deren track "jornada del muerto" (hier mal alles auf spanisch), dann allerdings eindrucksvoll den unterschied zwischen "fast" und "vollständig" erklärt: anfangs noch ein wenig zögerlich, mit tief in der hallhölle sitzenden rhythmusschlägen, baut das nun vollständige duo über gute 17 minuten einen brecher der feinsten art auf, bass-/gitarrenflächen im immer gleichen drei-akkord-modus, durch das zersplitterte schlagzeug getrieben, im akkord-multi-feedback..... ganz zum schluss leichte öffnungen andeutend...und dann doch überschreibend...

perfekt.



schöne grüsse


n


www.aidanbaker.org
www.nadjaluv.ca
www.archivecd.com
www.feardrop.net
www.diestadtmusik.de