In memoriam Fela Anikulapo Kuti

Anno 1992 sah ich in Dortmund ein Konzert von Femi Kuti, dem bereits damals als Musiker etablierten Sohn des vermeintlichen Erfinders des Afrobeat, Fela Anikulapo Kuti. Es war eine große Party. Ausschlaggebend dafür war neben der zündenden Musik der 18 Musiker, Sänger und Tänzerinnen die zahlreich erschienene afrikanische community. Und dann passierte etwas, das ich nicht vorher und bisher auch nie wieder gesehen habe.

Gegen Ende des Konzerts stieg ein mit Anzug und Schlips gekleideter Afrikaner aus dem Publikum auf die Bühne, tanzte mit der Band, zog dann ein Bündel 50-Mark-Scheine aus der Hosentasche, leckte einen davon an und klebte ihn dem nächstbesten Musiker auf die Stirn. Dieser beeilte sich, den Schein von seiner Stirn zu entfernen und in die Tasche zu stecken, während der edle Spender bei allen anderen Musikern in gleicher Weise verfuhr. Als er fertig war, stand am anderen Ende der Bühne bereits der nächste gut gekleidete Zuschauer bereit, um das Ritual in ähnlicher Weise zu wiederholen. Es folgten zwei oder drei weitere tanzende Geldautomaten. Femi Kuti ließ sich derweil nicht in seiner Performance stoppen, wenn auch die Fuffziger im Gesicht oft beim Musizieren störten. Allerdings wirkte er indigniert, machte es auf mich nicht den Eindruck, als wenn das Scheinekleben eine übliche afrikanische Sitte sei. Femi Kuti schien gute Miene zum bösen Spiel zu machen.

Ein Wesenszug, der seinem Vater offenbar völlig abging. Fela Kuti war nicht nur ein großer afrikanischer Musiker, sondern auch unbeugsamer politischer Aktivist. Trotz dieser für das Business fast unerlässlichen Voraussetzungen eines Dritte-Welt-Musikers gelang Fela nie der ganz große internationale Durchbruch. Versuche verschiedener Produzenten, ihn für ein Crossover-Publikum attraktiv zu machen, schlugen fehl.

Der 1938 geborene Kuti startete seine Karriere zu Beginn der 1950er Jahre in einer Highlife-Band. Inspiriert durch eine USA-Tournee in den 60er Jahren verschmolz er die afrikanische Musik mit Jazz, was dazu führte, dass die Experten der Musik den Stempel Afrojazz verpassten. Bis zu seinem Tod veröffentlichte Fela Kuti 77 Alben, auf denen 133 verschiedene Songs verewigt wurden.

Die mathematisch Begabten sind nun in der Lage, ein wesentliches, für die westliche Musikwelt untypisches Merkmal Felas Musik zu erschließen: Die meisten seiner LPs beinhalten lediglich zwei Stücke. Die beiden Stücke erreichten nicht selten die 30-Minuten-Marke. Er hasste und vermied es deshalb, ein einmal auf Tonträger erschienenes Stück nochmals auf Konzerten zu spielen. Seine fast Kultstatus besitzenden Live-Performances waren meist drei Sunden lang, in denen er vier Stücke zum Besten gab, natürlich zu diesem Zeitpunkt unveröffentlicht.

Infolgedessen verwundert es nicht, dass in den 1970er Jahren Bob Marley, den Durchbruch als erster Drittweltsuperstar mit Rebell-Attitüde gelang, und nicht Fela Anikulapo Kuti. Bob Marley peppte den damals für amerikanische und europäische Ohren ebenso exotisch klingenden Reggae mit klassischen Rockelementen auf, und machte diese Musik zur leicht verdaulichen Kost. Obwohl Felas musikalische Botschaften wesentlich eindeutiger und verständlicher waren, war es Bob Marley, der die Massen durch sein für Europäer und Amerikaner kaum verständliches esoterisches Gebrabbel in den Bann zog und gefeiert wurde. Während Marley vom movement of Jah people sang, und damit die Rückkehr aller Farbigen nach Afrika propagierte, wurde Fela Kuti konkret und gründete die Partei movement of african people, um die Verhältnisse auf dem afrikanischen Kontinent zu verbessern. Kuti bezahlte für seine eindeutigen Stellungnahmen. Seine Familie und er waren unerträglichen Repressalien durch diverse nigerianische Regierungen ausgesetzt. Seine Mutter wurde angeblich durch die Polizei ermordet. Er selber wurde 1983 zu einer Gefängnisstrafe von fünf Jahren wegen angeblichen Devisenschmuggels verurteilt, die bei einem Regierungswechsel nach knapp drei Jahren beendet wurde.

Als wollte er die Leiden seines Kontinents noch ein letztes Mal verdeutlichen, starb Fela Anikulapo Kuti am 2. August 1997 bezeichnenderweise an den Folgen von Aids.

Vielleicht lag es nur daran, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein, dass Bob Marley - am Erfolg gemessen - die Nase vorn hatte. Das ist allerdings kein Grund, die Arbeit Fela Kutis nicht entsprechend zu würdigen. Es ist allemal eine Stunde wert, sich in die diese Melange aus afrikanischer Musik und Jazz zu vertiefen, gewürzt mit bitterbösen und wütend vorgetragenen Statements zu unserer Weltordnung.

Kutis Sohn Femi hat das Dortmunder Geld übrigens sinnvoll angelegt. Er hat den legendären Club seines Vaters – The Shrine in Lagos – komplett renoviert und zum soziokulturellen Zentrum ausgebaut, wie man bei uns wohl sagen würde.

Ein sehr schönen, wenn auch nur sehr kleinen, Ausschnitt aus Felas Schaffen geben die 1990 bei der französischen Plattenfirma Baya erschienenen CDs Fela Vol. I-III, die Stücke aus den Jahren 1978 bis 1986 versammeln, wenn auch nicht immer in Originalfassung.

Allen, die detailversessen sind, sei eine japanische website empfohlen.

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