Lorka im Fritz-Henßler-Haus, CD-Release-Party, Dortmund, 07.05.2004

Subrosa, Q-Bar und wasweißichwo. In letzter Zeit war mir der Name Lorka immer mal wieder untergekommen. Ein guter Name, dachte ich, den man sich flott merken kann. So flott, dass man problemlos die Website der Band entdeckt und etwas über das nächste Konzert und die Release-Party zu ihrer Erstveröffentlichung "Prehistory and Suddenness" erfährt: 07.05.2004, Fritz-Henßler-Haus. Pflichttermin, notiert, hin.

p>ImageAm Eingang bezahlte ich trotz wichtig gewedelten Presseausweises gönnerhaft den Eintritt. Ich hatte nicht die geringste Ahnung, was mich musisch erwartete. Also beschränkte ich mich darauf, ein paar Worte mit einigen Bandmitgliedern zu wechseln und kurz mit dem Gefü des amtlich zuständigen Labels "Unbroken Records" zu plaudern. Nebenbei füllte sich der Saal, zweifellos auch mit zahlreichen Bekannten und Verwandten der Band, aber es herrschte immerhin Palaverlevel.

Dann wurde erst mal eine Rede geschwungen. Oh je, dachte ich, bloß kein Kaninchenzüchter-speakalike-Geschwafel. Aber - hey! - der Typ, der da quasselte, sah auf jeden Fall anders aus als ein Kaninchenzüchter. Und er redete auch anders. Ganz anders. Er redete nicht, er erzählte, und zwar mitreißend. Wie hieß der noch mal? Vergessen. Leider blieb auch nichts aus der noch jungen Bandgeschichte im Langzeitgedächtnis hängen, weil ich keine Apparate zum Mitschreiben hatte. Egal, ich wollte ohnehin mit der Band noch ein Interview führen (folgt hoffentlich noch). Konzentrieren wir uns also wieder aufs Konzert.

Zugegeben: Das Kleid von Sängerin Nadine Hefler hat mich anfangs etwas irritiert. Aber nach einigen Minuten und einer eindringlichen Performance fand ich es fast ebenso positiv verstörend wie die Musik.

ImageDenn in der Klangwelt von Lorka finden sich allerlei Zitate aus der Rock- und Popgeschichte - von Punk über Psychedelic, Funk und etwas Sixties-Retro bis hin zum Swing. Insgesamt eine postrockige Melodienmelange mit überraschenden Akzenten. Mit jedem Stück spürte man, wie die fünf Lorkas sich die Nervosität vom Gebein spielten. Das Publikum honorierte diese Energie entsprechend.

Bruno Bauchs eher ziseliertes und teils sogar jazzig angehauchtes Gitarrenspiel steht im spannenden Gegensatz zu Daniel Perls eher punkig-rockiger Spielweise. Florian Rickens Bass und Arno Bauchs Drums manifestieren den rhythmischen Rahmen, in dem auch schon mal zum Abgang improvisiert wird. Und selten habe ich eine Band gehört, in der die Drums den Sound so intensiv mitprägen wie bei Lorka. Wer wagt es heutzutage noch, mitten in einem Song ein Drum-Solo einzubauen? Doch dem tatsächlich imponierenden Spiel von Arno Bauch wird das durchaus gerecht.

Über allem schwebt die betörende Kindfraustimme von Nadine Hefler, die mich in ihrer Art zu singen an - Achtung, es folgt ein Männername! - Jan Elbeshausen von Marr erinnert. Gelegentlich klingt es nämlich etwas kurzatmig und es fällt ihr schwer, sich gegen die härteren Sequenzen durchzusetzen, dann jedoch zieht sie wieder die ganze Aufmerksamkeit auf sich und fasziniert durch eine ganz eigene Tonalität. Das wird die Musikgemeinde spalten. Doch den ohnehin eigenwilligen Songs von Lorka drückt es einen charakteristischen Stempel auf.

ImageDas spiegelt sich auch in der Erstveröffentlichung "Prehistory and Suddenness" wieder. Während live einiges an Dynamik von der Bühne aufs Publikum überspringt, kommt die Tonkonserve etwas zurückhaltender und intellektueller daher. Nicht zu ihrem Nachteil. Die Texte, deren Tiefe sich live immer nur schwer entfalten konnte, bewegen sich irgendwo im poetisch-assoziativ Unbewussten und korrespondieren entsprechend mit der Musik. Mit "Zero gravity toilet" poltert es zu Anfang etwas, dann entspinnt sich das feine Kompositionsspiel von Lorka. Immer wieder weichen die Songs von ihrer hörbaren Linie ab, lösen sich klare Songstrukturen auf, um schließlich doch wieder kunstvoll dahin zurückzukehren. So warten beispielsweise "Wooden" oder auch "Air" mit einigen jazzigen und swingenden Zwischentönen auf, wohingegen sich bei "In the fourth lane of a four lane road" plötzlich ein hartes Riff in die Ohren bohrt, das den Chili Peppers alle Ehre gemacht hätte. Und im abschließenden "Brooding on the incident" rollen sogar einige Shouter-Rock-Wellen durch die Gehörgänge. Das ist beeindruckend.

Fast beängstigend ist es, dass die Lorkas gerade mal Anfang 20 sind und noch einiges an musikalischer Laufbahn vor sich haben. Das lässt hoffen. Darauf, dass es endlich mal wieder eine Band schafft, mit einem ganz eigenen Sound, mit einer guten Live-Performance und mit musikalischer Tiefe über die Grenzen der Region hinaus Aufsehen zu erregen.

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Schönlinks:
www.lorka.de
www.unbroken-records.de (Label)


Bilder: MatsB