09/06 Opas Arschbombe - Jan Plewka singt Rio Reiser, Festspielhaus Recklinghausen

Da seh' ich rotErinnerungsschwelgen wird zum sanft-seligen Sinnesereignis, wenn man sich dabei wohlig in gepolsterten Sesseln räkeln kann. Vor allem, weil das Iliosakralgelenk seit dem nachmittäglichen Birdie am letzten Loch bedenkliche Signale aussendet. Ob Jan Plewkas Hommage an Rio Reiser im Festspielhaus Recklinghausen bei Letztgenanntem lediglich Rückenschmerzen oder doch posthume Krätze auslöst, wird ungeklärt bleiben.

Jedoch macht es nicht den Eindruck, dass die sandfarbene Bundfaltenhose mit Seidenstickeroberhemd in bleu das passende Outfit für den Rauch-Haus-Song ist, genauso wenig scheint Alles Lüge ein Mitklatschkracher zu sein. Es wirkt heuchlerisch, wenn Zuschauer voll Inbrunst Keine Macht für niemand schmettern, die diese Parole am Montag in keine Macht für niemand außer für mich, verbunden mit einem meiner Leistung mehr als angemessenen Gehalt, verwandeln.

Der Ex-Selige Jan Plewka und die Schwarz-Rote Heilsarmee haben es ohne Zweifel vermocht, den damaligen Scherben-Sound stilecht aufleben zu lassen und Protest und Ideale der Nach-Achtundsechziger monströs in den Raum zu stellen. Nur war der Raum falsch gewählt. Dieses Konzert in einen Theaterkontext zu stellen, untergräbt die Absicht, die heutige Relevanz und Verbreitungsnotwendigkeit von Reisers Stücken zu verdeutlichen. Denn auch wenn sich einige Jüngere in den Theatersaal verirrt haben, erreicht man in diesen Hallen überwiegend nur das Publikum, dem man mit dieser Hommage lediglich ein Da-war-doch-mal-was einhaucht. Damit protegiert man das Ewiggestrige, das Rio Reiser ein Dorn im Auge gewesen sein dürfte. Dafür reicht auch ein Beach Boys Revival. Gerade in diesen G8-Zeiten gehört die Musik und Poesie des Ton Steine Scherben Frontmanns dorthin, wo Menschen zu treffen sind, die sich ein Da-ist-noch-was-zu-tun auf die Fahnen schreiben.


Die Veranstaltung war zeitweise so lächerlich wie die Arschbombe eines 40-jährigen im Freibad am Sonntag Nachmittag, passt allerdings hervorragend in eine Ära, die Rio Reiser benutzt, um noch mehr Ich-bin-doch-nicht-blöd-Handstaubsauger zu verkaufen, und auch das geriatrische Gehampel eines Mick Jagger abfeiert.

www.rioreiser.de


Foto: Oliver Fantitsch/Pressefreigabe


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