Sam Ragga Band: "Der Freizeit-Caipi-Karibik-Brasilienfan-Eso-CDU-Spießer kotzt mich an!"

Morgens vor der ArbeitPünktlich zur Veröffentlichung ihres neuen Albums Situations, konnte unruhr dem Gitarristen der Sam Ragga Band, Marc Wilkes, einige Fragen im Stile des investigativen Journalismus eines Johannes B. Kerners stellen. So erfahren wir etwas über böse Menschen bei Plattenfirmen, wirklich wichtige Meinungen und müssen am Ende wieder einmal die bittere Pille der Bedeutungslosigkeit schlucken.

Der Plattenvertrag beim Major. Man meint, das sei das Schlaraffenland für jede Band. Ihr kündigt bei Warner. Stimmt irgend etwas nicht mit euch?

Jeder Plattenvertrag ist ein Kompromiss, denn dein Geschäftspartner - ob Indie oder Major - vertritt immer zuerst seine persönlichen Interessen. Wichtig ist daher besonders, welche Personen für dich verantwortlich sind. Der Deal mit Warner war zuerst gut, weil wir ein gutes Team hatten, welches voll hinter uns stand und uns hat machen lassen. Dann hatte die Firma Warner eine kleine Umstrukturierung, und andere Personen waren für uns verantwortlich. Das war dann nicht mehr so gut. Da hieß es dann, schnell das Weite zu suchen....In der Hinsicht ist also mit uns alles in Ordnung.

Passt es in diesen Rahmen, dass man den Eindruck gewinnt, eure Zusammenarbeit mit Nena in 2004 sei so ein Warner-Ding ohne große Begeisterung seitens Sam Ragga gewesen?

Nicht wirklich. Hätte unser Zusammentreffen mit Nena - übrigens vor der Warner-Umstrukturierung - nicht einen so positiven Eindruck hinterlassen, hätten wir nie zugestimmt. Bitter wurde es erst später, als alles im Kasten war und unsere Geschäftspartner uns eine neue Facette ihres Daseins präsentierten....so what...war eine gute und wichtige Erfahrung.

Nach eurem letzten Album The sound of... und der Trennung von Warner hätte man nun erwartet, dass es jetzt erst recht auf dem stärker experimentellen Pfad weiter geht. Das neue Album ist jedoch sehr bodenständig. Wie kam es dazu?

Ich denke, es gab bei der Mehrheit der Band den Wunsch, einfach straighteren, schnörkelloseren Reggae zu spielen, das zeichnete sich schon auf den Sessions zum Album ab. Wir haben zwar auch an experimentelleren Sachen gearbeitet, die aber im Grunde genommen nicht auf allzu große Begeisterung stießen. Der Bruch wurde auch zu groß, zwischen Seanies Songs auf der einen Seite, und den von Jessica und mir bevorzugten psycho-aktiven Tracks. Das wäre ein ganz bizarrer Zwitter geworden, wenn man das durchgezogen hätte und keiner wäre am Ende glücklich gewesen.

Das heißt, der erneute „Stilwechsel“ wird nicht von allen Bandmitgliedern begeistert mit getragen? Ist so etwas also eine Konsensentscheidung?

Stilwechsel ist etwas übertrieben, unser Stil ist immer noch deutlich, ich würde eher von einem Themenwechsel sprechen. Klar muss man in einer Band Abstriche bei persönlichen Präferenzen machen.

Apropos Präferenzen. Ihr habt für Situations woanders aufgenommen als bisher. Inwieweit ist der mollige, warme Sound von Situations ein Ergebnis des anderen Studios?

Sehr, da wir zum Teil auf 2“/24track analog aufgenommen haben und auch das Mischpult ganz anders klingt. Außerdem haben wir das Album diesmal mit meinem Bruder Martin Wilkes zusammen produziert, das spielt sicher auch eine Rolle.

Die bisherigen Besprechungen von Situations sind durchweg gut. Erwartet ihr auch Meinungen, wie z. B. Situations sei scheißlangweiliger Altmännerreggae?

Warum nicht, schließlich sind wir schon recht alte Männer. Und da in unserem Land bisher nur die Bild-Zeitung ernsthaft versucht, Meinung zu diktieren, erwarte ich jede erdenkliche Meinung.

Meinung kann euch ja auch egal sein, nun da ihr eure eigenen Chefs seid. Da könnt ihr musikalisch doch machen, was ihr wollt. Schielt ihr dennoch auf eine bestimmte Zielgruppe? Habt ihr eine Vorstellung von potenziellen Sam Ragga Kunden? Ist es die skatende Hängebuchse oder der Bankkaufmann im Reihenhaus, der abends heimlich den rot-gelb-grünen Strickpulli trägt?

Ich kann da nur für mich persönlich sprechen: Meine Zielgruppe bin nur ich selbst, denn ich mache Musik für mich, um mich zu begeistern, nie für jemanden anderes. Wenn ich nicht zufrieden bin, können mir noch so viele Leute sagen „oh, das ist total super“, es würde nichts ändern. Das gleiche gilt umgekehrt. Das heißt nicht, dass ich mich nicht freue, wenn jemand sich für unsere Musik begeistert, klar, das ist der Idealfall, aber wie derjenige dann auszusehen hat oder wo er arbeiten sollte ist mir so was von egal. Was mich natürlich total ankotzt, sind so Freizeit-Caipi-Karibik-Brasillienfan-Eso-CDU-Spießer, wenn du weißt, was ich meine.

Na klar, ich guck' einfach in 'nen Spiegel. Letzte und wichtigste Frage: Schaut ihr bei eurer bevorstehenden Tour auch im Ruhrgebiet vorbei?

Was genau ist das Ruhrgebiet???

www.samragga.de

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Foto: Pressefreigabe