Poppy Perezz sind ein wenig traurig, weil sie manchmal selbst nicht wissen, wo sie sich hin kategorisieren sollen. Augenblicklich hat sich die Band für electro-latin-afro-pop entschieden. Das ist aber nicht endgültig. Deshalb sprachen wir mit Bandleader Pablo Perezzarate, der uns Deutschen zwar ein bisschen viel Honig ums Maul schmiert, aber zumindest erklären kann, warum Santana zum Brotbacken und The Cure zu karibischer Musik passt.
Ich habe einen Brotbackautomaten zu Hause. Kannst du mir deshalb bitte diese Santana beeinflusste Brotback-Zeremonie erklären, die eure Sängerin Poppy als Kind angeblich so beeinflusste?
Also: Poppys Vater ist ein fantastischer Flötist und leidenschaftlicher Musiker. Eigentlich sind alle aus Poppys Familie wundervolle Musiker. Sie lebten auf dem Land und ohne Fernseher, also haben sie immer Musik und andere wilde Sachen gemacht. Poppy erzählte mir die Geschichte, dass eines ihrer Lieblingsspielchen “making magic bread” war, das sie mit ihrem Bruder und Vater immer spielte. Da muss sie so sechs gewesen sein. Der Vater warf eine Santana Cassette ein und die drei tanzten um die Rührschüssel. Dabei taten sie die Zutaten in die Schüssel. Die letzte Zutat war Magic Dust (manche nennen es auch Hefe), die hinzu kam, wenn die Musik ihren Höhepunkt erreichte. Sie tanzten weiter, rührten dabei den Teig bis er aufging und in den Ofen kam. Dieses Brot schmeckte hochmusikalisch!
Der Kern der Geschichte ist, dass Musik ein Teil von Poppys Kindheit und eingebettet in ihre alltäglichen Verrichtungen war. Ich denke, das ist warum Poppy einen Gesangsstil entwickelt hat, der natürlich, bescheiden, einzigartig und einfach wunderschön klingt.
Neben wunderschön kursieren aber viele andere Beschreibungen eurer Musik: Pinball Electro, TropHop, Electro-Funk-Folk Pop etc. Welche mögt ihr selbst am liebsten? Und denkt ihr, man könnte euch als Weltmusik kategorisieren?
Ich tue mich schwer mit Kategorisierungen, weil sie sehr einschränkend sind. Mit Poppy Perezz versuchen wir Musik zu schreiben, die wirklich sehr gemischt ist, sehr hybrid ist. Sie schafft sich ihren eigenen Platz zwischen den Genres mit Hilfe vieler Einflüsse. Klar gibt es da ein worldmusic-Element, aber es ist nur eine Facette. Wir haben mit Latin oder African Bands gespielt und hatten gemischtes Feedback. Einige sagten, wir sind nicht genug Latin oder African und sie haben Recht. Genauso haben wir in Pop oder Indie Clubs gespielt, wo wir wirklich sehr anders klangen als alles andere, was da lief und hatten wiederum sehr unterschiedliche Rückmeldung.
Ich würde ganz klar sagen, dass wir keine traditionelle Band sind innerhalb irgendeines Genres, und gerade deswegen finden selbst wir es schwierig, unsere Musik zu platzieren. Doch das ist ein sehr positives Ding und ein sehr wichtiger Teil dessen, was Poppy Perezz als Band inspiriert. Weil wir alle aus unterschiedlichen Ecken der Welt kommen ist es wichtig, all unsere Einflüsse gleichwertig innerhalb der Gruppe zu mixen. Das Ergebnis des Mixens ist, was wir am meisten genießen. Das Genre, was wir am Anfang für uns selbst geprägt haben war “electro-latin-power-pop”, jetzt ist es mehr “electro-latin-afro-pop” und vielleicht werden wir es nochmal ändern, je nachdem wie sich unsere Musik entwickelt. Wir sind eine multikulturelle Band. Und auch wenn es manchmal scheint, als passten wir nirgends hin, können wir unsere vielfältigen Identitäten navigieren, um dadurch überall und nirgends hinzugehen!
Um noch einen weiteren Einfluss hinzuzufügen...einer meiner ersten Eindrücke beim Hören eures Debütalbums war: Wow…Achtziger! Gibt es tatsächlich Vorbilder aus dieser Zeit für euch?
Mann, ich bin in den Achtzigern geboren und mein Kindheitssoundtrack war voll von Musik dieser Dekade. Mein Vater liebte Musik. Er war zwar kein Musiker, hatte aber einen Musikgeschmack, der von dem abwich, was traditionellerweise in Mexiko gehört wurde. Er suchte immer nach neuen Songs aus den USA und Europa anstatt mexikanische Volksmusik zu hören. Ich erinnere mich, viel von The Police, The Cars, Talking Heads und anderen gehört zu haben. Aber seit der Zeit gibt es nur zwei Künstler, die mich weiterhin beim Komponieren beeinflussen: The Cure und Michael Jackson. Auf meinem Weg zur Schule immer The Cure, auf dem Rückweg Michael Jackson. Ich liebe die Gitarrenriffs und diese “airiness” von The Cure und das sie schon mal funk rhythms spielten. “Love Cats” ist immer noch einer meiner Allzeitfavoriten. “Thriller” ist das wichtigste Album meiner Kindheit, “Wanna be startin' something” war für Jahre mein Lieblingstrack. “Bad” spielte eine große Rolle, speziell der Idealismus in “Man in the mirror”. Aber ich hörte auf, Michael Jackson zu hören. Für fast 20 Jahre, weil ich seine späteren Sachen echt nicht mochte. In den letzten zwei Jahren kaufte ich mir Exemplare von “Thriller” und “Bad”, und dann starb er! Ich war wirklich traurig, aber ich bin glücklich, meinen Frieden gemacht zu haben mit seinen frühen Sachen. Sie sind so voller Freude und unverschämt happy, das erinnert mich an die sonnigen Zeiten in Mexico City. Ich vermute, das ist es, was ich zu Poppy Perezz übersetze: Keine Angst vor Freude, wieder Kind sein und auch Idealist.
Ein Idealist scheint auch euer Bassmann zu sein. Ich las von Will Halletts abgrundtiefer Liebe zu Reggae. Ihr erlaubt es ihm aber nicht, klassische basslines des Reggae in eure Aufnahmen einzubringen, was ich sehr schade finde. Gibt es eine kleine Chance, dass Reggae zukünftig mehr Einfluss auf eure Musik gewinnt? Ich finde es würde passen.
I love reggae music! Und das ist definitiv ein Einfluss auf unseren Sound. Z. B. startete “I give up myself” als Reggae tune. Doch dann spielten wir damit rum, haben das Tempo ein wenig erhöht und jetzt ist es etwas komplett anderes. Will war weniger involviert beim Songschreiben für das erste Album, er stieß erst hinzu als wir die Aufnahmen bereits abgeschlossen hatten. Sein Einfluss auf die Albumtracks war also nicht so groß. Unser Schlagzeuger Tony hat allerdings den Sound der Band geändert, weil er einen sehr starken karibischen Background hat. Daher bin ich mir sicher, dass Reggae zu gegebener Zeit einfließen wird. Ich war etwas zögerlich, Reggae zu spielen, da es schon so viele Reggae Bands in Bristol gibt, aber zwei, drei Songs hier und da können nicht schaden! Leider hat Will die Band aus persönlichen Gründen inzwischen verlassen. Wir vermissen ihn und seinen Einfluss, sind aber auch gespannt, welche Songs wir mit unserem neuen Bassmann Chris Howarth schreiben werden.
Werdet ihr demnächst in Deutschland auftreten oder glaubt ihr, Deutschland ist kein gutes Pflaster für Poppy Perezz’ „sunshine happy music“?
Wir würden gern in Deutschland spielen! Poppy und ich waren bisher nur einmal in Berlin, haben uns aber total verliebt in die Stadt. So sehr, dass wir hofften, für mindestens ein Jahr dorthin zu ziehen. Das hat leider nie geklappt, aber wir wollten immer noch einmal zurückkommen. Wir haben großen Respekt vor Deutschland. Es ist so anders als Mexico City, wo ich aufwuchs. Das ist alles so ordentlich und es gibt so viel Unvoreingenommenheit plus große Würdigung der Künste. Deshalb war es schon immer solch ein dynamisches Land. Ich denke und hoffe, dass unsere Musik in Deutschland willkommen ist. Ich weiß, dass andere mexikanische Bands wie Panteon Rococo gut klar gekommen sind in Deutschland. Vielleicht weil die Kulturen so verschieden sind und es die Deutschen nach gegenseitigem Verständnis dürstet.
Wir würden so, so gerne unsere sunshine happy music mit euch teilen! Die Logistik ist jedoch eine schwierige Sache. Ich kümmere mich um unsere bookings, bin aber weit davon entfernt, ein Experte zu sein. Es war klasse, die Unterstüzung von Beach Hut Records zu haben, was bedeutete, dass unsere Musik bis nach Deutschland und Japan bekannt wurde. Aber es wäre schön, den Support eines Live-Agenten zu haben, der die Verbindung zu den richtigen Orten in Europa für uns knüpft. Bis das passiert, müssen wir warten bis wir die richtigen Leute treffen.