Please, kill Punk!

Es ist wieder so weit. Ein Jubiläum droht - doch eigentlich verbietet sich dieses Wort, wenn ihr erfahrt, worum es geht. Der Spiegel hat festgestellt, dass vor dreißig Jahren „Never Mind the Bollocks", das erste Album der Sex Pistols, erschien. Zeit für eine Abrechnung - mit diesen unseligen Punk-Gedenkautoren, Nihilisten und Spätkapitalisten.

Es ist eine regelrechte Seuche: Jeder, der vor ca. 30 Jahren den Hauch von Anarchie in sich verspürte, seine Jugend verschwendete, sich in der Dorfdisco ach so furchtbar kaputt machte, dachte und ohne Wissen den ganzen alten Schmonzettenkram der Hippies in den Orkus der Geschichte spülte, autosuggeriert heute, einer der ersten richtigen Punks der Geschichte zu sein. Punk wurde demnach nicht im New Yorker CBGB's erfunden, sondern in Pinneberg, Bernkastel-Kues und Castrop-Rauxel.

Klar, alle waren dabei und total enttabuisiert. Und noch schlimmer: Alle begründeten gewissermaßen alles, was danach kam. Alle Kreativität, alles Querdenkertum, alle Tabubrüche der modernen Neuzeit gehen - natürlich - auf die ersten Punks zurück. Klarer Fall: Im Wettstreit der am meisten nervenden Zeitgenossen streiten sich Alt-68er und Alt-Punks derzeit um die Goldmedaille. Es geht nur um Hundertstel. Und die Alt-Punks haben schwer aufgeholt.

Da wünscht man sich die alten JU-Mitglieder zurück, die man damals belächelt hat. Die haben wenigstens Kinder und damit etwas für die demographische Rettung der Gesellschaft geleistet. Vor allem müssen sie nicht in leiser, uneingestandener Verzweiflung irgendwelche Bücher schreiben, um halbwegs über die Runden zu kommen, und aus der total verschwendeten Jugend noch irgendwie Geld zocken. Hedonistische Ich-Verwirklicher ohne das geringste Gespür für Empathie, selbstversessene Egozentriker, die der Entsolidarisierung Tür und Tor öffneten, ausgesuppte Zeitverschwender, die sich angeblich den Normen versagen und dabei selbst die größten Mauern zementieren. Mit anderen Worten: Riesenarschlöcher.

Das alles mündete Mitte der 80er Jahre sogar in „Tempo", dem gerade sich noch einmal aufbäumenden „Sein-oder-Design"-Magazin der heute vermittelschichteten Wohnküchenbenutzer und Originalitätssucher jenseits jeden Sinns. Dafür dürfen sie gerne die Verantwortung tragen - die Alt-Punks. Das ist euer Werk. Genauso wie die uniformierten Neu-Punks, die sich in seltsam konservativer Tradition auf euch berufen und dabei gar nicht merken, dass sie einer Idylle nacheifern, die jedem Heimatfilm alle Ehre machen würde. Erstarrt, unfrei, verbohrt, verarscht.

Das ist fern jeder Bohéme, die ihr so gerne sein wollt. Das ist nichts. Das ist Leere, nichtssagende, leere Leere. Ihr seid eine Hülle, die aus Nichts in Form von so genannten Punk-Romanen Geld scheffeln will und Bücher veröffentlicht wie „Das Ox-Kochbuch, Bd.1, Vegetarische und vegane Rezepte nicht nur für Punks". Oder: „Anarchoshnitzel schrieen sie." Haha.

Und das Schlimmste: Ihr nervt als Vorleser vor einem Konzert von Peter Licht in Dortmund und merkt es nicht einmal. Ihr seid überflüssig, ihr seid wie Volksmusik, ihr seid reaktionär. Verschwindet endlich aus meinem Leben.

http://www.spiegel.de/kultur/musik/0,1518,453550,00.html