In der Falle der Folklore

tippkick1Lauscht man den Ausführungen des Herrn Watzke, könnte man meinen, sein Klub spiele nicht in schwarz-gelb, sondern in schwarz-weiß.

Der Boss des BVB arbeitet sich weiter an seiner Lieblingsthematik ab: Die und wir. Die stehen für ungezügelten Fußballkapitalismus, skrupelloses Geschäftsgebaren und leblose Fankultur in Frack und Zylinder. Wir sind die aufrechte, bodenständige und zusammengeschweißte Vereinsfamilie mit Oppa und Grubenlampe am Kopp.

Nervös menetekelt Herr Watzke nun, dass wir durch die zerstört werden. Die besten Fußballer aus dem Romantikhotel der Bundesliga werden regelmäßig und ohne echten Bedarf von der Fußballheuschrecke des Südens abgeworben. Einzig und allein, um den schwarzgelben David noch kleiner zu stutzen. Dieser Logik folgend, müsste der FC Bayern demnächst 50 Mio. für Kevin Großkreutz bieten, weil man ihn als Ersatz für Philipp Lahm benötigt.

Watzkes Wutreden sind Balsam für die BVB-Seele und Kopfnickermusik in den Ohren der 11-Freunde-Leser in der Restrepublik. Schwarz und weiß, das ist leicht verständlich. Fußball ist doch so einfach. In der von Herrn Watzke vergessenen Grauzone bewegt sich der BVB mit schlafwandlerischer Sicherheit. Die Schwesterborussia aus Mönchengladbach hat man sicher nicht verstärkt durch das Abwerben von Marco Reus. Und die Aspirinclique erbleichte, als die Schwarzgelben durch das Angebot erhöhter Bezüge Sokratis' Hand bei der Vertragsunterschrift in Leverkusen erlahmen ließ. Hoppenheim ist bestimmt froh, seit dem Abgang von Jonas Hofmann endlich wieder ein Bett im Nachwuchsinternat frei zu haben.

Borussia Dortmund ist ein börsennotiertes Fußballgroßunternehmen und wird von Sponsoren, Uefa, DFL und dem Fernsehen mit Geld zugeschissen. Mit Kohle sollte ein Traditionsverein aus dem Ruhrgebiet umgehen können. Der BVB hat aber seine Probleme. Mit der traumhaften Philosophie, ausschließlich auf junge und entwicklungsfähige Spieler zu setzen, feierte man dank Jürgen Klopp riesige Erfolge und schloss bis zu den Großen Europas auf. Nun steht man am Scheideweg. Will man dort oben bleiben, müssen die hehren Vorgaben zumindest in Teilen modifiziert werden. Die Folklore eines Malocherklubs gehört in Kiste, in den Keller. Zu den Ringelsocken von Lothar Emmerich. Die Klubführung kann nicht beleidigte Leberwurst spielen und einem hochwertigen Stürmer die Freigabe verweigern, um bei Vertragsende mit leeren Händen da zu stehen. Da heißt es: Zähneknirschen, 40 Mio. einstreichen und umsetzen, damit die Mannschaft nicht bei der ersten Verletztenmisere in sich zusammen fällt wie ein Käsesoufflé.

Man kann sich aber auch treu bleiben und all diejenigen erfreuen, die Fußball gerne bei Kerzenschein genießen. Aber dann bitte nicht mehr heulen, Herr Watzke.