Redaktionspoll 2008

Verfasst von den Redaktionsmitgliedern am .

Foto: Katja Helten Das Jahr geht. Die Lieder bleiben. Und wieder nehmen wir sie mit ins kommende Gewesene - für immer. Die Redaktion hat gegrübelt und gelauscht, verworfen und sich berauscht - an dem, was uns 2008 so um die Ohren geflogen ist. Hier ist das, was gelandet ist.

Camille  - Music Hole Gibt uns den Glauben an die instrumentelle Vielfalt der Stimme zurück, hinreißendes Konzert im Kölner Gloria, zum Verlieben, zeitlos.
Peter Licht - Melancholie und Gesellschaft Wie Bionade, für die es bei der amtlichen Meldung keine Kategorie gab. Schmeckt zwar irgendwie nach Frucht - ist aber definitiv auf andere Art hergestellt. Und gelegentlich kommt eine neue Sorte hinzu. Heute das offizielle Getränk für eine bessere Welt. Und irgendwie fragen wir uns: Steht nicht auch PeterLicht für eine bessere Welt? 
Portishead - Third
Klingt auch digital so analog als hätte es nie eine technische Evolution gegeben, nur eine künstlerische. Und genau darauf kommt es an.
TV on the radio - Dear Science Fanden alle irgendwie toll, ich auch. Weiß nicht genau, warum.
Get well soon - Rest Now, Weary Head! You Will Get Well Soon Musik gut, Stimme gut, Konzert beim Juicy beats (trotz Regen) gut, alles gut.
Tuxedomoon - 77-0-7 Eine Chronik, ausreichend für mehr als ein Jahr
Lawrence English - Kiri No Oto                      Für das Leben.
Morton Feldman - For Philip Guston               Perfekt
Luis Bonfa & Maria Toldeo -  Braziliana                         2008 first cd release
Fripp / Eno - Evening Star                    2008 remastered cd re-release
Rummelsnuff - Halt durch Fürs fleischgewordene Gesamtkunstwerk.
Bauhaus - Go Away White Die einmalige Chance hier einmal Bauhaus zu nennen, lasse ich mir natürlich nicht entgehen. „Go Away White“ ist eigenwillig, unangepasst und kraftvoll wie die Bauhaus-Alben zuvor und doch auch ganz anders.
Cut/Copy - In Ghost Colours Wundert mich selbst, dass diese Platte hier auftaucht. Aber die Leichtigkeit und  hemmungslose Poppigkeit der Songs macht einfach zuviel Spaß.
Olaf Boqwist - Hundert Kronen (7“) Hätte schon 2007 hier stehen müssen. Hiermit hole ich dies nach.
Foals - Antidotes
„Olympic Airways“ und „Electric Bloom“ reichen, um Foals hier nennen zu müssen.
Ganjaman - Das gleiche alte Lied In diesem Fall wiederhole ich mich gern: Das Wirken dieses Herrn ist beseelt und beispiellos kraftvoll.
Peter Licht - Melancholie und Gesellschaft Gegenstrichgebürstete Gesangslyrik und ein-, zwei, dreigängiger Pop. Herrlich!
Patrice - Free-patriation Schwer zu kategorisierende Musik. Und man hofft, das ist so, weil der Mann auf Verkaufszahlen scheißt. Coole-Sau-Musik.
Markscheider Kunst - Café Babalu Schuster, bleib' bei deinen Leisten! Auf Café Babalu tun die Russen, was sie am besten können: Lateinamerikanische Musik produzieren...oder so...
Taj Weekes & Adowa - Deidem Wer wissen will, wie Reggae in der güldenen Ära klang, aber Oldie-Hitparaden hasst, kauft sich Taj Weekes. Das ist modern.
creature „creature" echte überraschung / langzeitwirkung bei minimalhaltung / gitarre x ambient = noch lange nicht ausgereizt
dirk serries „microphonics" er kann auch anders / und das, wo doch eigentlich alles gleich bleibt
fennesz „transition" perfekte single / perfektes gleichgewicht zwischen schön und böser schön
KTL "live at krems april 07" böse / ganz böse / und die besser studioplatte / live ist doch immer noch die richtige prüfung
light of shipwreck "through the bilge lies a calm and bloodless sea" 1A umsetzung des thema / und alles andere als blutarm
Russian Circles - Station
Postrock, mal wieder. Langsam werden nicht nur die einzelnen Strukturen repetitiv. Glücklicherweise machen Russian Circles alles richtig, errichten Soundwände in Chinesische-Mauer-Größe und durchbrechen das Laut-Leise-Schema zugunsten des guten, alten Laut-Schemas. Rockt, aber richtig.
The Mars Volta - The Bedlam In Goliath Nach der Angst vor dem, was nach Amputechture wohl kommen mag, jetzt die Beruhigung. Oder doch eher das Gegenteil davon. Songorientierter waren The Mars Volta nie, inkl. Unter-3-Minuten-Single. Trotzdem gibt es da mehr musikalische Gehirnwindungsachterbahn also anderswo auf Albenlänge.
Herausragend, immer noch.
Foals - Antidotes Die ultimative Mischung aus anspruchsvoll und tanzbar. Gleich gut geeignet für die heimische Couch und die samstägliche Indie-Disko. Das macht denen so schnell keiner nach.
These Arms Are Snakes - Tail Swallower & Dove Die Entdeckung des Songs sorgt bei These Arms Are Snakes für einen echten Sprung nach vorne. Anstelle wirren, nicht nachvollziehbaren Post-Hardcores gibt es jetzt wirren, aber nachvollziehbaren Post-Hardcore. Und mit "Red Line Season" sogar einen echten Hit.
Get well soon - Rest Now, Weary Head! You Will Get Well Soon Das neue deutsche Wunderkind. Oder so. Singer-/Songwriter Konstantin Gropper braucht sich jedenfalls auch international vor keiner Konkurrenz verstecken. Mit seinem Debüt lässt er sogar Conor Obersts Soloscheibe hinter sich. Hat übrigens auch gerade eine der schönsten Webseiten überhaupt:
http://www.youwillgetwellsoon.com/
Blind - Blind
Die sympathische Band Blind aus Koblenz hat mich als Newcomer 2008 mit Tatendrang, unverwüstlicher Zielstrebigkeit und Hardrock (ja, genau, was denn sonst?) mit super Melodien und energischem Gesang sowie nicht zuletzt mit einem frischen abwechslungsreichen Album - schlicht "Blind" betitelt - voll überzeugt. Die Live-Qualität von Blind ist ebenfalls bemerkenswert.
Yoav - Charmed & Strange Lediglich ein (rastloser, quasi heimatloser) Mann und seine Gitarre (ok, plus ein paar Effektgeräte) können den Hörer für satte ...Minuten Spielzeit in eine andere Galaxie befördern? Ich hätte das nicht für möglich gehalten bevor ich es mit eigenen Ohren gehört habe und dann auch live miterleben durfte. Cosmopolit Yoav verzaubert, regt an, ist nachdenklich-provokativ und bannt den gewillten Hörer total - egal wo, dauerhaft.
4LYN - Hello Die nimmermüden 4LYN haben mit "Hello" ein sehr melodisches, wieder mal erstaunlich anderes Album hingelegt, dass den üblichen Kritikern neue Herausforderungen beschert haben dürfte. Kein viel bemäkeltes Schreien und Schimpfen, sondern schöne Songs mit Power und Schmacht, aber mir gefällt ja eh alles was die Jungs fabrizieren.
Emil Bulls -  The Black Path   Etwa aus der gleichen Gründungszeit und -stimmung wie 4LYN stammen Emil Bulls, die aber über sie Jahre in eine ganz andere Richtung gegangen sind. Düster-schaurig aber einfach genial kommt "Black Path" daher, dass viele Denkanstöße präsentiert und zudem sehr variantenreich und kraftvoll komponiert ist. Das beweisen die Bulls auch äußerst vital und glaubwürdig auf der Bühne.
Useless ID - The Lost Broken Bones Die Scheibe von Useless ID kam noch Ende des Jahres in den Player. Hier gibt es richtig schönen Punkrock nach altbewährter Manier - flott, melodisch, mitreißend und kompromisslos. Diese Scheibe macht durchweg gute Laune und scheint gut über den kargen, tristen, oft grauen Winter zu helfen. Aus Israel stammend gehören sie zwar nicht zu meinem hauptsächlichen Einzugsgebiet, aber der Sound überzeugt.

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