4LYN: "Musik sollte man machen, weil es aus einem rauskommt!"

Verfasst von Lady Reason am .

IV_2012-1-7unruhr traf einmal mehr die sich immer wieder neu erfindenden 4LYN im Rahmen des diesjährigen Bochum Total. Nachdem ich mein "geiles Spacegerät" (wie Ron es nannte) sicher und aufnahmebereit in der Konsole des 4LYN-Transporters verstaut hatte, konnte es nach einem bis dahin stressreichen Tag (wie mir die Band mitteilte) mit ein wenig Verspätung losgehen – und das ohne meinen sonst so helfenden Fragenzettel, den hatte ich nämlich zu Hause vergessen... Aber das sollte kein Problem sein, denn der äußerst gut gelaunte Ron war in Plauderlaune...

Heute gab's hier Megagewitter, aber ihr habt schönes Wetter mitgebracht?
Selten für uns, normalerweise sind wir diejenigen, die immer den Regen mitbringen, normalerweise ist immer wenn wir auftanzen voll Regenalarm.

Das neue Album kommt aus dem Weltall?
(Ron muss grinsen)
Jaaa, der Name zumindest. Quasar ist ein Wort, das hätte auch alles Mögliche bedeuten können, Quasar ist einfach n geiles Wort und dieses Sinnbild von dem Stern, der eigentlich keiner ist, und trotzdem heller strahlt als alle anderen, das passt einfach bei 4LYN, die sich ja auch gerne "the most famous band you've never heard of" nennen...

IV_2012-1-1Oder "your favourite black sheep"...
Ja, all solche Sachen. Wir selber haben uns ja noch nie wirklich selber als Stars gesehen, aber die Leute begegnen uns ganz oft so, wo ich einfach sag: Selbst jetzt noch – nachdem wir wirklich dreieinhalb Jahre weg vom Fenster waren irgendwie mit unserem Rechtsstreit da – treten uns die Leute, auch Künstler, die jetzt auch schon ihr Nummer 1-Album haben, so wie Casper, oder so, mit einem Monsterrespekt entgegen und sagen: "Ich kenn euch. Ihr seid die Inspiration gewesen." Das hört man ganz oft und "mein erstes Konzert" und "mein erster Moshpit" und "mein erster Braveheart" und "meine erste Rock-CD". Wir haben da schon in Deutschland n bisschen Pionierarbeit geleistet, ist natürlich blöde - und daran sieht man auch wie schnelllebig dieses Geschäft ist – ich mein, dreieinhalb Jahre ist nix, aber trotzdem ändert sich die Aufmerksamkeit der Leute. Wenn du die Leute fragst: 4LYN? Nee! Da war doch was... Ach ja, die waren das!

Was bringt ihr Neues mit? Mit Quasar und Tour demnächst...
Also Quasar ist der Aufhänger natürlich, ohne neue Platte keine Festivals, keine Alben, keine Tour, keine Interviews. Wir bringen ein großartiges Album mit, wie ich finde, das abwechslungsreichste bisher.

Themenmäßig?
Von Sozialkritik über Swag bis hin zu offener und aufrichtiger Liebe alles drin, aber auch Wut und Aufbruchstimmung was soziale Brennpunkte weltweit angeht, da haben wir mal hier und da n bisschen losgelegt.

Vielleicht könntest mal was zur Single "Club Exploitation" sagen?
Uns war schon klar, dass wir damit vielen Leuten vor den Kopf stoßen werden, uns selber auch ein kleines bisschen... Wir sind immer so ne Traditionsband und normalerweise, weißte, erst mal was Hartes und dann den soften Song. "Club Exploitation" war eigentlich n 7-Minuten-Lied. Wir saßen im Studio mit hochroten Köpfen und haben uns angeschriehen, Björn und ich. Ich wollte daraus n 7-Minuten-Epos machen, aber trotzdem merkten wir alle, dass das zu nix führt, dass das alles nicht wirklich das gelbe vom Ei ist oder wir für diesen Song noch ewig lange brauchen würden. Und wer das weiß: Studiotime ist Moneytime, Und dann sind wir kurz eine Rauchen gegangen, haben uns abgeregt, uns wieder vertragen, sind wieder rein und dann haben wir den Song gestrippt ohne Ende. Es wurde immer weniger, wir haben alles rausgenommen was ging: das Intro, das Outro, den Mittelteil, dies und das und auf einmal hatten wir ne Single, die natürlich sowas von mit ner Baseballkeule daherkommt im Sinne von anbiedern, aber wir haben von vorneherein gesagt, es soll ein Protestsong sein. Wie kriegste heutzutage nen Protestsong ins Radio? Indem du eben nicht schreist und brüllst und gröhlst und zig Schimpfworte benutzt, sondern indem du quasi das Trojanische Pferd nimmst. Wir kommen rein, viele Redakteure haben auch gar nicht so auf den Text geachtet. Schwupp di wupp. Und dann ruft mich mein Vadder nachts an und sagt: "Ron, ich hör dich im Radio! Das erste Mal. Ich bin stolz auf dich." Nach elf Jahren. Und dann kam immer mehr: "Ey, ihr lauft auf den komischsten Sendern!" wo ich sag: Ja, Mann, warum denn auch nicht?! Und dass wir brüllen und schreien und kreischen können, das wissen die Leute. Dementsprechend war auch die Erwartungshaltung so, dass die Leute gesagt haben: "Ja, und was ist denn jetzt? Jetzt verkauft ihr euch total?" Aber die Leute kannten das Album halt noch nicht, das Komplettkonstrukt. Und da haben wir dann gleich erst mal "Phantom" hinterher geschickt, wobei dass auch nicht wirklich n harter Song ist, aber es ist auf jeden Fall ne Ansage, es ist n reiner Hip Hop-Track, wo ich MCen darf bis der Arzt kommt.

"Ron on the mic, Chi on the beat"
Ja, genau. Aber dann auch so Sachen wie "Hollow Man", ne ernste Liebeserklärung.

IV_2012-1-2Und "My Guide"?
Rein textlich gesehen eine Homeage an meine Mama, weil meine Mama immer an meiner Seite ist, und ohne sie, ohne ihr Zutun und ohne ihre positive Energie in meinen dunkelsten Momenten, "even in my darkest hour", meine Mama ist ein großartiger Mensch.

Es hätte ja vielleicht auch religiös sein können?
Ich hab keine Affinität zu irgeneiner Religion. Die einzigen Religionen, die ich nachvollziehen kann sind einmal der Buddhismus und Rastafarai. Wir kennen alle die bekannte Zeile von Bob Marley: "How long till they understand, the mighty God is a living man". So seh ich das nämlich auch. Der Mensch könnte das volle Potential einer Gottheit auspacken, bzw. sich aneignen, aber ansonsten... Religion ist überhaupt nicht mein Ding. Das sind vor allen Dingen zwei Glaubensrichtungen, die von ihren Jüngern kein Geld wollen. Das ist das Allerwichtigste. Und da sind wir ja bei "Money", das ist ja nun auch so n Song. Also wenn ich eine Sache wirklich mitgeschnitten hab in den letzten fünf Jahren, dass Geld wirklich "the root of all evil is". Ich war sehr, sehr lange sehr materialistisch, ich war als Hip Hopper natürlich auch sehr materiell eingestellt zwischenzeitlich und hab mich von Geld auch oft blenden lassen, bis ich am Boden angekommen bin. In der Abwesenheit, als wir nicht da waren, das war mein persönliches Shadow Valley. Ich hab gedacht: Wenn ich hier wieder rauskomme, keine Bleibe, kein Geld, keine Frau, kein nix, also wirklich alles inne Binsen... Da hab ich dann irgendwann angefangen zu realisieren, was für ein Horror Geld eigentlich ist.

Wenn du dich dem verschreibst...
Ja, wenn du Geld zu deiner Gottheit erklärst, role model und so. Da hab ich einfach gesagt: das geht nicht, das bin ich nicht. Geld ist ne schöne Sache, aber dieses Glorifizieren, das geht einfach nicht. Rapper halt...

Was anderes. Ihr habt ziemlich viele Keyboard-Sounds mit drin.
Da hatten wir Bock drauf, wenn man schon so spacig daherkommt... Wir sind ja immer interessiert an neuen Stilmitteln. Das find ich schon extrem wichtig, dass wir Samples und Keyboardgeschichten immer mit reinbringen.

Über die Technik oder könnte es auch n fünftes Mitglied geben?
Nee, 4LYN ist und bleibt ein 4-Mann-Gespann, ein Quartett.

Never change a winning team...
Exactly!

Wie weit hast du Einfluss auf's Songwriting?
(Ron will erst spontan antworten)
Ja, gut, ich kann... (muss dann aber lachen und doch genauer überlegen)

IV_2012-1-4Fangfrage?
Eigentlich bin ich natürlichzu nem Viertel mit meinem Instrument daran beteiligt, aber auch da ist in der Entscheidungskraft Demokratie. Ich bin kein großer Fan von Demokratie innerhalb Band, das weiß die Band auch. Leider muss ich mir aber eingestehen, dass das der einzige Weg ist bei vier Menschen, die alle ne eigene Meinung haben, die alle ihrer Meinung nach den Song am weitesten nach vorne bringen möchten, so, und da musst du dann wieder demokratisch daherkommen. Wenn einer sagt: So wird's gemacht und drei Leute rennen lächelnd in die Kreissäge, das ist auch Scheiße. Eigentlich ist es immer schnell geklärt, eigentlich merken wir ziemlich zügig, wenn n Part nicht schiebt. Und ich kann mich auf drei Leute verlassen, wir haben alle vier ein sehr großes Musikverständnis. Wenn einer von denen sich für einen Part besonders einsetzt, weiß ich, dass er das nicht nur tut um sein Ego zu pushen, sondern weil er von etwas überzeugt ist, und das muss ich akzeptieren, auch wenn es vielleicht nicht mein Part ist.

Ich war letztens auf nem Konzert und da hat der Sänger gesagt: "Ich hatte letztens nen regulären Job, aber jetzt bin ich wieder Musiker, weil: Arbeiten ist scheiße!"
Wenn deine Verträge geregelt sind und du aufgepasst hast, was du da unterschreibst – haben wir alles first hand gelernt nach knapp vier Jahren Rechtsstreit – dann... wer mag denn schon arbeiten gehen, wer mag denn schon etwas machen, was nicht seine Passion ist? Ich find's eigentlich falsch, was er gesagt hat. Musik ist nicht etwas was man machen sollte, weil man nichts besseres zu tun hat und weil man nicht anders an Geld kommt, Musik sollte man machen, weil es aus einem rauskommt, in erster Linie. Und wenn nicht, mein Gott, jeder hat andere Beweggründe um Songs zu schreiben. Aber zu sagen: Arbeiten ist kacke, also mach ich jetzt wieder Musik – Musik ist doch kein Lückenbüßer.

Und es ist doch auch Arbeit?
Du kennst unsere Shows, wir machen jetzt mittlerweile alles self-made. Unsere Plattenfirma freut sich nen Keks, weil wir so viel selbst machen. Das Phantom-Video ist komplett von uns, bei Club Exploitation hat sich Sascha als Co-Producer monstermäßig eingebracht, Quasar Artwork ist self-made, die Songs sind self-made, die Grafiken, das Merchandise, alles ist self-made. Nur, am Ende des Tages bist du ganz schön fertig, weil du musst auch proben und du musst auch spielen und du musst auch Promo machen. Also, es verteilt sich nur anders. Es sieht nach außen hin mehr nach Spaß aus. Klar, wir mussten alle uns wieder Jobs suchen, denn die Bank kann man nicht ewig mit Promo und T-Shirts flach halten.

Was hast du genau gemacht?
Ich arbeite seit meinem neunten Lebensjahr im Geschäft meiner Eltern, die Schausteller sind und Süßigkeiten verkaufen. Deswegen hab ich nebenher ganz ganz viel Obst, Schokolade und Mandeln verkauft.

Du hast vorhin schon "I am a phantom" genannt. Wie kam es dazu, dass Dominik im "Phantom"-Video mitspielt?
Das war meine erste Idee, während ich den Text schrieb und an dem Song rumgedoktort hab. Je mehr sich der Song zusammengefügt hat, hab ich immer wieder Dominik gesehen, wie der ne Choreographie auf diesen Track macht. Phantom – schnell, sanftmütig, ausgeglichen...

Aber auch Power...
Power, hohe Power. Und wir haben gedacht: Warum in die Ferne schweifen, es gibt kein Musik-Video, wo ein original Shaolin-Meister mir ne Hauptrolle spielt, und das wollten wir machen.

Trotz harter Arbeit gibt es Kritik. Wie gehst du damit um, wie viel kommt bei dir an?
(lachend) Das ist das erste Album wo ich noch nicht eine Rezi gelesen hab, weil si mich nicht interessieren... Ich les mir Rezis von Fans durch, auch wenn die komplett zerissen sind, denk ich mir: Ja, aber ihr seid mit Herzblut dabei. Ihr habt nciht noch 30 andere CDs, die ihr heute noch rezensieren müsst, und dementsprechend habt ihr da nen freien Kopf. Ich kann viele nicht ernst nehmen, denn wer jetzt noch mit nem Limp Bizkit-Vergleich mkommt, da steh ich daneben und schüttel mitm Kopf, und das tu ich mir nicht mehr an.

Ich nenn mal n paar andere Vergleiche: Prodigy
Jein, jeder Song hat so n paar Elemente, wo man sagen könnte: Ja, OK, das kommt zumindest aus dem musikalischen Bereich. Wenn überhaupt sowas wie "I am a Phantom" oder "Jewellery store".

Depeche Mode
Wir alle sind bekennende Fans, aber nicht unter der Prämisse: Wir wollen jetzt klingen wie Depeche Mode. Als wir "Frost" geschrieben haben und noch keinen Arbeitstitel hatten, war das so der Depeche Mode-Song. N Song wo wir alle Herzrasen und n warmes Bauchgefühl hatten, das geht schon in die Richtung. Uns mit diesen Bands zu vergleichen halte ich für falsch, aber man kann auf jeden Fall sagen, es geht in die Stilrichtung. Das ist natürlich das, was der Spartenrezensionheini wahrscheinlich schreibt: "Da haben sie sich da bedient, und da haben sie sich da bedient..." Das ist Quatsch.

Billy Joel
Ja, kann man machen. Jein... Also kann man sagen. Es gibt so Momente auf dem Album von der Stimmung her, aber auch Manic Street Preachers, sowas wie "When alone" oder "Ten minutes ago", das geht schon verschärft ion diese alte Independent-Pop-Ecke. Hätten wir längst schon mal machen sollen. Ich sing in ner anderen Tonlage jetzt, nicht meht wie früher so hoch. Es ist halt in meiner Sprechstimme gesungen, und das fand ich infach mal cool, das auszuprobieren. Und dieses Album hat keine Kreischer verlangt.

Was gibt's sonst noch?
Ja, wir gehen jetzt bald auf Tour, vorher noch paar kleine Festivals, aber wir waren monsterspät mit der Platte dran, weil die Perfektionisten bis zum letzten Moment im Studio gefeilt haben.

IV_2012-1-RREin unruhr-4LYN-Interview wäre natürlich kein unruhr-4LYN-Interview ohne...?
Star Wars-Fragen.

Richtig!
Yeah!

Ron stellte sich diesmal furcht- und tadellos einem Audio-Star Wars-Quiz, d.h. er sollte anhand von mp3s die Szene erkennen, den Zusammenhang erklären und Zitate vom Stapel lassen. Die entsprechenden Szenen waren:

Cantina Szene "What's the cargo?"

Taun Taun Szene auf Hoth "What does Luke say?"

Luke Skywalker VS Darth Vader "How does the scene end?"

Yoda VS Sidious "What does Sidius say to Yoda?"

Das Ganze hatte – wie auch nach vorigen Erfahrungen kaum anders zu erwarten – einen souveränen, fehlerfreien Ausgang, oder wie sonst sollte man das nennen, wenn jemand die Szene nach zwei Tönen oder Lauten erkennt und das nächste Zitat rausfeuert?! Respekt! Und wieder mal einen Riesen-Dank an den Front-LYNner und die Crew!

 

Lady Reason

unruhr traf einmal mehr die sich immer wieder neu erfindenden 4LYN im Rahmen des diesjährigen Bochum Total. Nachdem ich mein "geiles Spacegerät" (wie Ron es nannte) sicher und aufnahmebereit in der Konsole des 4LYN-Transporters verstaut hatte, konnte es nach einem bis dahin stressreichen Tag (wie mir die Band mitteilte) mit ein wenig Verspätung losgehen – und das ohne meinen sonst so helfenden Fragenzettel...

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