episoden aus der neuen welt; ein roman -episode 3-

Verfasst von Ilka Berger am .

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das wird eng. ...dahinten … ein freier zipfel. ...bei dem!? ...ein bein … der hat keine chance. hey, ... was machst du da? ...das siehst du doch. ich will... mensch, hau ab. such dir einen anderen platz, verstanden. hier ist nichts mehr zu holen, klar... das seh ich anders. hier ist genug platz. sieh her, ... werde meinen arsch genau hierhin platzieren und du ... du kannst gar nichts machen. also hör auf, so mit deinen krücken herumzufuchteln. du machst mich nervös. es gibt wirklich keinen grund sich so aufzublasen. zwei dünne ärsche wie wir passen hier locker nebeneinander und ne flasche duftspray dazwischen.

 

...sehr witzig. ungeheuer witzig. aber bei dir braucht man mindestens ein fass essigsäure, um deinen gestank abzutöten. ...kannst es ja versuchen. aber, nimm jetzt endlich deine krücken runter. ich bleibe so oder so. …na, also. ich bin eik. ...na was, hast du keinen namen? ...noch beleidigt. du bist drollig, im grunde bin ich es, der allen grund hätte beleidigt zu sein. schließlich wolltest du mich loswerden. nicht umgekehrt. tja, was man nicht ändern kann muss man wohl akzeptieren. ...mark. also, ich bin mark. ja, mark wir sind jetzt nachbarn. …zwangsläufig. …sei nicht so stur. wir haben andere probleme. die strasse ist ziemlich voll. wir werden mühe haben unseren anteil abzugreifen. hä, ich lach mich tot. wirklich weise erkenntnis. da wäre ich so niemals drauf gekommen. ja verdammt, es ist von vorne bis hinten zum kotzen voll hier. und du ... du musst unbedingt deinen arsch auch noch hier reinquetschen. ein gestank weniger hier ist besser. versuchs woanders. sieht schlecht aus. sie haben wieder strassen eingeebnet. kann mir auch was besseres vorstellen, als mit dir hier auf sonem mickrigen fleck zu hocken. ach so, sie haben schon wieder strassen platt gemacht, erzählst du. woher willst du das wissen? war ziemlich lange unterwegs. ...habs von vielen gehört. müssen wie üblich die bevölkerungszahl überschaubar halten und dann die verluste. …gms 4 oder 5 oder... wer weiß schon genau wo sie jetzt angelangt sind. beschweren wird sich da keiner, schließlich wollen wir ja alle dahin. verluste sind mit einkalkuliert. irgendwann werden sie dann wieder neue strassen aus dem boden stampfen. die bevölkerung wächst. neue strassen, neue kulissen. aber jetzt und die nächsten tage, darauf kannst du dich verlassen, werde ich hier bleiben und du wirst dich endlich damit abfinden. jäh … gut, gut, wenn das so aussieht. dann müssen wir wohl auf die nächsten strassen warten, was. dann haben wir das ja jetzt endlich mal. keine lust das noch mal mit dir durchzukauen. ich bin jetzt hier. hier in dieser strasse. ...ja, ja, jaa … is schon gut. klingt zwar nicht überzeugend aber … mal ein anderes thema: was hältst du im übrigen von diesem aufgeblasenen barockstil. ausnahmsweise haben sie ja mal nichts anderes dazwischen gesetzt. ich jedenfalls... hör bloß auf, seit monaten habe ich hier dieses riesige rundbogenfenster im kreuz. der rahmen, die verstrebungen, alles mit goldfarbe beschmiert. du siehst es ja... und diese girlanden. akanthusranken. das sind akanthusranken mein lieber; da ärgert man dich vollkommen stilgerecht. interessiert mich herzlich wenig. man hätts besser weggelassen. aber mich fragt ja niemand. …wenn man wenigstens durchsehen könnte, da wäre ich schon zu frieden. stattdessen dieses ätzend grüne landschaftplakat. und klebt auch noch schlampig aufm rahmen. da frag mich noch mal, was ich davon halte. nichts, absolut gar nichts. die ganze strasse entlang goldbepinselte riesenfenster. das macht mich irre? ganz deiner meinung. da bin ich ganz deiner meinung, mark. sie habens gründlich übertrieben. ja ja, was die strassenkulisse betrifft auf alle fälle. aber eine sache … ja, dass muss ich zugeben. da bin ich ganz scharf drauf. is vielleicht ein bisschen sentimental oder so was, verstehs auch nicht. aber... na, was denn? also abends, wenn es dunkel ist, ziehen sie dort leuchtende putten entlang. da oben an den stangen. was...? du hast richtig gehört. die ziehen leuchtende putten die runde rum. du wirst es erleben. nein, nicht das noch. ich hasse putten. nicht jedermanns sache, ja... aber für mich eine gelungene bespaßung. prall und saftig drehen sie ihre runden; ein schöne aufführung. du lässt dich einlullen von dicken kinderbäuchen, von fliegenden leuchtbojen. das darf nicht... ? sie wecken träume und helfen beim einschlafen. besser als in den öden baracken. so rund und ganz möchte ich auch mal wieder sein. ...du armer. damit haben sie mir wirklich eine freude gemacht. …das scheint ja so. du warst mir schon fast sympathisch. lass es auf dich zukommen. wenn ich dein gesicht sehe, hast du auch den traum vom ganzen nötig. wie hast du das denn hingekriegt. dein gesicht... siehst herbe aus, eik. deine narben... nimm die finger weg. ...ja, ja schon gut. da warst du garantiert selbst dran. das seh ich. ganz richtig geraten. da war ich selber dran. bevor ich mich bei anderen unters messer lege, scheide ich mir doch gleich selbst die klinge durchs fleisch. da weiß ich auch wies hinterher aussieht. da kann nichts mehr schief gehen. dass kann man wohl sagen. hast ganze arbeit geleistet. schlimmer gehts nicht. ziemlich dicke wulst da neben deiner nase. beeindruckend, eik. beeindruckend. ach was, übertreib nicht. wenn ich mir dein bein so ansehe, dann hast du dich keinesfalls geschont. ordentlicher stumpf. verrats mir … ein unfall? ...unfall! schön wärs, da muss man schon mächtig glück haben bis einen das genau so trifft. genau an dieser stelle. ist mit leider nie passiert. habe ich also machen lassen. nicht ganz billig. aber, muss ich sagen ... sauber verheilt. hier sieh…vollständig abgeheilte narben. hast recht, saubere arbeit. da gibts nichts zu meckern. und im ganzen... lass dich mal ansehen. dreh dich mal. ja … ja, deine krücken. passt wie die faust aufs auge. ja, da machst du was her hier. das bringts. da bist du der könig. ...von wegen. sieh dich um; die da hinten hätts nicht besser machen können. ihre beine biegen sich nach hinten durch. mir ein rätsel wie sie das anstellt. extrem dehnbare gelenke oder was angeborenes, eine seltene krankheit, wer weiß. sie schlottert, stakst, ihr ganzer körper wackelt, eine gymnastik, die hier niemand auch nur annähend so hinkriegt. manch einer hatts versucht. alle sind gescheitert. du siehst, ich bin hier also nichts besonderes. das kann sich nun wirklich jeder machen lassen. einfach absägen und fertig der stumpf. ok, aber wir beide. ...das ist mir gerade so durch den kopf geschossen. eine idee. du mit deinem bein und ich mit meinem verkorksten gesicht. wir beide zusammen könnten gemeinsam abgreifen was abzugreifen ist. wir beide sollten zusammenarbeiten. …äh, was…?

 

text und bild: ilka berger

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