haus aus pappe

fr papphauser verliebte sich in das schüchternste mädchen der klasse. sie, die schüchterne, hatte ein kleines haus auf einer großen wiese außerhalb der stadt. manchmal hat sie uns davon erzählt; nicht viel, aber es reichte, um neugierig zu werden. bald darauf erzählte sie uns, dass sie jetzt dort zusammen lebten, in diesem kleinen papphaus wie sie es liebevoll nannte. ich ging also hin. dort vor ihrer tür, überall dieses dicke schwere grün. ich klingelte. sie öffnete schnell; ich hinein, schwer vom grün, ziemlich angeschlagen. aber sie lächelte, ging vor, winkte mich einladend weiter. ich folgte ihr stumm. am ende eines schmalen flurs ließ ich mich einfach in einen dicken sessel fallen.

herzsprung, ich riss die augen auf, irgendwas raschelte neben mir. sie hockte auf dem boden, beide hände in einer großen schachtel. sie suchte etwas, kramte ausgiebig, schmiss dutzendweise ketten heraus. der boden bedeckte sich, ein feld schwarzer schlangen.

sie griff wieder in die scheinbar bodenlose kiste, wühlte nach etwas bestimmten. lange ketten, ringe, armbäder, alles landete auf dem boden; nichts schien das gesuchte zu sein. ich wollte schon die augen schließen, da hielt sie mir einen langen ohring vor die nase, grau, strähnige maserung, ein zu klein geratener walrosszahn. dann flüsterte sie: nimm ihn, er ist schön. tatsächlich, er war schön. ich hängte das gerät ein. der zahn baumelte wuchtig, mein kopf kippte zur seite.
inzwischen waren auch die anderen eingetroffen und breiteten sich angemessen ihrer neugierde entsprechend schnell aus. ich grüsste freundlich, aber sie rasten zielstrebig und grußlos an mir vorbei, drängelten in die zimmer, stolperten wieder heraus. der nächste schub trat mir ignorant auf die füsse, schob sich an den anderen vorbei, rein in die hütte, raus aus der hütte, bis daraufhin alle, fast übergangslos, gähnend langsam wurden. ihre bewegungen, ihre worte schienen irgendwie hängen zu bleiben. ruckweise ging es in die zimmer zurück. auch ich hing in meinem sessel fest, schwerfällig, bewegungslos, nur mein kopf baumelte in unangenehmer horizontallage.
so konnte es einfach nicht weitergehen, steif und tranig hockte ich in der breitkrempigen chaise und hatte noch kein zimmer gesehen. nicht ein einziges. nur diesen dunklen flur. ich blinzelte, schüttelte den kopf, warf den lästigen ohrring ab und hievte mich, die arme fest auf die lehnen gestemmt, gewaltsam hoch. ich stand, aber meine beine wäre am liebsten wieder eingeknickt, sie schlackerten und wackelten trotz meiner entschlossenheit, sodass ich mich gezwungen sah, mir kurz mit flacher hand auf die schenkel zu schlagen. die hände klatschten hart auf den festen hosenstoff, es brannte kurz aber scharf und mein schlaffes oberschenkelfleisch zuckte erschrocken. so also zwangsläufig wiederbelebt, und mein blut raste jetzt förmlich durchs gewebe, nahm mein bewegungsapparat endlich wieder haltung an. ich setze meine füsse nacheinander auf, eichte noch wild meine wieder horizontalgestellten bildempfänger und klotzte davon.
lichtstreifen, das erste zimmer, fast wäre ich dort über einen haufen dösender gestolpert. alte bekannte vom stoßtrupp zur pressware mutiert, breit vertikal gestapelt, zahm, so friedvoll duldsam klebten sie aneinander, dass ich ... naja, ich kniff in die erst beste nase, dann in ein ohr. keine reaktion, also noch so ein ohr, noch mehr ohren und es tat sich nichts. na, so was, also um die brauchte ich mich nicht mehr zu kümmern, wächsern, geruchsarm haltbar gemacht, bekamen die kein bein mehr auf den boden. ich hatte jetzt also die beste aussicht. aber plötzlich musste ich wieder an sie denken, wie sie in der kiste wühlt, wie sie berge schichtet zu lebhaft quirligen ..., aber da ging mir wohl die fantasie durch. ich wollte dann später mal nach ihr sehen.

das zimmer ein langer schlauch, holzplatten auf dem boden, kaum möbel, die wände grauzart wie aus pappe, keine bilder, kein schmuck, aber am ende ein großes helles fenster. tolle aussicht. ich ging näher heran und öffnete das fenster. das hatte ich so nicht erwartet: ein abhang fiel steil unter der hauswand ab, etliche meter tief, heller sand rieselte. warum liebte er sie.

Text und Bild: Ilka Berger