tod der herzogin

aus allen richtungen kamen sie scharenweise angereist, stiegen aus bunten kutschen, traten auf dunklen sand und machten fröhliche, überaus strahlende gesichter. der vorplatz war gerammelt voll, man trat sich auf die füsse, aber man blieb freundlich, trotzalledem. absperrungen wurden errichtet, wege  eingezäunt. ordnungshüter mahnten zur ruhe. kinder wurden in einen gesonderten bereich geführt und vorsichtshalber nahm man ihnen alles bunte und laute spielzeug ab.
 

willig folgten alle den anweisungen, ließen sich einweisen und notfalls sogar zurechtweisen, denn niemand wollte vom platz verwiesen werden, unfreiwillig ausgeschlossen, fern ab vom großen ereignis. so benahm man sich und zog friedlich die eingepackten fahnen heraus, schwenkte ein wenig und lief langsam voran. immer dem vorgänger nach, immer bemüht, ihm nicht in die hacken zu treten. langsam gings voran auf dem sandboden, wie im zaum gehaltene pferde, von den ordnungshütern geführt, runde um runde um die arena, oder war es nur ein saal? niemand wusste das so genau. also trabte man geduldig weiter auf das große ereignis zu, trabte weiter runde um runde um die halle, um den saal, was immer es sein mochte. denen, die es vor aufregung nicht mehr aushielten, unruhig ihre köpfe nach links und rechts warfen, unentwegt ihre augen verdrehten, legte man scheuklappen an, das beruhigte ungemein und machte alles noch berechenbarer, als es ohnehin schon war. als man dann endlich in die arena einzog, die bei-ne waren schon lahm, manch ein fuss vom ewigen rundendrehen angeschwollen, konnten einige nur noch mit mühe dem schleichenden tempo folgen. aber was machte das schon, man war schließlich dabei. wenn es gar nicht mehr ging, dann ließ man sich eben nach hinten fallen.

reihe für reihe gelangte ins innere, und es wurden schon wieder runden gedreht, aber das kannte man schon und hob schon wieder die fahnen. die arena füllte sich, oder die halle, oder der saal (aber das ist unwichtig, keine entscheidung notwendig). man stapfte hinein, manch eine nüster hing einem im nacken, aber man stapfte weiter und hoffte, hoffte auf ein bild, runde für runde. hoffte und drängelte ein wenig. aber die ordnungshüter wachten streng und bellten jeden an, der sich vorzudrängen wagte, aber auch das nahm man hin, denn hier ging es ums ganze. schließlich näherte man sich dem bild, dem bild der grossen herzogin, wenn auch nur schrittweise, wenn auch nur langsam. die ersten reihen jauchzten bereits, hatten es wahrscheinlich geschafft, die herzogin zu sehen, so wie man sie kannte, die herzogin, stolz, fröhlich und klug zugleich, gut gekleidet aber nicht modisch, denn sie hatte ja ihre eigene mode. strahlend, dennoch zurüchhaltend, unaufdringlich präsentierte sie in allem den guten geschmack. aber da nahm das fröhliche jauchzen schon wieder ab. jetzt sah es auch der rest. da lag sie inmitten auf einer schlichten liege, in schlichten kleidern, schlecht gekleidet. warum lag sie? das hatte niemand erwartet. die herzogin auf einer schlichten liege, ungeschminkt mit zerzaustem haar. sie lächelte müde. ein stöhnen ging durch die menge. die stimmung kippte, denn das hatte man nicht erwartet, die herzogin, liegend, fahl und ohne glanz. aber sie liefen weiter ihre runden ab. diejenigen die den anblick nicht ertrugen und auszubrechen drohten, wurden rigoros zurückgedrängt. müde trabten sie weiter. war man den hierher gekommen, um die herzogin liegend oder sogar sterben zu sehen? hatte man den langen weg auf sich genommen, fahnen gewaschen, das beste gesicht aufgelegt, um das hier zu sehen? niemand hatte sie darauf vorbereitet. aber sie trabten weiter auf vorgegebenen bahnen und hoffte auf rasche genesung.

hofften, dass die so viel bewunderte sich wieder erhebt.

aber dann war man erstaunt. die ordnungshüter drangen plötzlich zur herzogin vor. griffen ihr unter die arme, zogen sie in einem ruck hoch. tätschelten ihr die wange, holten einen lippenstift hervor und malten ihren grossen mund rot aus.

alle jauchzten wieder fröhlich auf. die menge war bei bester stimmung. aber man übersah dabei, dass die herzogin langsam aus den armen der ordnungshüter, wieder abwärts rutschte. als sie sie dann, im letzten moment noch halten wollten, klatschte sie schon auf die liege. aber das war selbst, den sonst so geduldigen ordnungshütern zuviel, schließlich hatte man mit größter sorgfalt ein großes publikum hier hineingefercht. sie stießen gegen die liege. die herzogin verzog nur den roten mund. sie stießen nochmals dagegen. sie lächelte. und noch ein tritt, denn man wollte jetzt unbedingt mehr. aber sie sagte keinen ton. die herzogin sprach nicht. warum sprach sie nicht? die ordnungshüter stießen gegen das dach der souffleuse. die guckte nach einigen minuten verschlafen heraus, guckte erst erschrocken, wusste aber dann, was zu tun war. sie flüsterte der herzogin einige worte zu, erst leise, dann lauter, aber auch das liess die herzogin kalt. war sie schon kalt? die souffleuse zitterte und fürchtete neue tritte gegen ihr dach, unter dem sie  doch früher so ungestöt geblieben war. schnell also formte sie einige gebärden, in einer sprache, die sie kürzlich erlernt hatte und fuchtelte in richtung liege. die herzogin aber hatte bereits  ihre augen geschlossen. und auch die weiteren tritte der ordnungshüter die folgten, konnten daran nichts ändern. ihre augen blieben geschlossen. nichts regte sich mehr. die menge war sichtlich entäuscht, murrte und war bereit zu meutern. schließlich war man nicht hierher gekommen, um die herzogin sterben zu sehen.

die ordnungshüter wechselten spontan die seite, entfernten die absperrungen, drängten die menge ein wenig zurück. die liefen hinaus, aus der halle auf den vorplatz zurück. manch einer wurde in der eile überrannt, manch ein kind ging verloren. aber sie konnten nicht eilig genug aus der halle entkommen, der stickigen luft, dem leichengestank. sie hasteten hinaus, denn man hatte die herzogin sterben sehen. aber darüber sprach man jetzt nicht.