20111030


Geschichten aus der Todeszelle

Später gelange ich in meine Zelle. Der Machobulle starrt mich ungläubig an, sagt nix. Auch die anderen. Dann bin ich allein.
Ein Morgen wie neulich: Sonne (hinterm Vorhang, wie eine leichte Brise aus Licht),

gestärktes Erwachen, gute Gedanken. Als würde gleich Rosea zur Tür hereinkommen. Mit Kaffee (ich rieche aber keinen) und Frühstück. Riechen wir nicht, und so, nur zwei oder drei Sekunden nach Bewusstwerdung keine guten (im Sinne von WOHLIGEN) Gedanken mehr, sondern KLARE. Klar im Sinne von AUFKLAREND. Oder: AUFKLÄREND.
An der Zeit, dich, Leser, aufzuKLÄREN, über dieses (schrill:) weg-ge-worf-en-e Le-ben!
Ich werde sentimental, schlimmer, selbstmitleidig. Nichts ist in Wahrheit weggeworfen, und wenn, dann gehört dieses erbärmliche Gejammer in die Tonne! Nichts habe ich weggeworfen, aber so einiges versaubeutelt, ver...
Ich - bin - ein - MÖRDER.
Wie das klingt. Kannst du, Leser, DAS von dir behaupten?
Nein.
Ich schon. Ich habe Rosea umgebracht!
Für einen kurzen Moment zieht sich mein Hirn zu einer Art Schlick zusammen, der mir aus allen Kopflöchern quillen will. Dann der Gegenangriff der freiwilligen Selbstkontrolle: Schlucken, Schlucken, Schlucken.
Mensch!
Das war doch Rosea gewesen! Das war doch Rosea da draußen gewesen! Das war doch ... Keine Einbildung, SPRUNG in die VERGANGENHEIT, nur GETRÄUMT? Quatsch!
Ich bin doch nicht bekloppt, ich war doch da draußen bei Rosea! Mit Rosea am Meer, mit Rosea einen Backfisch gegessen, ich habe sie gar nicht ... jedenfalls hat es - gottlob gottlob - nicht geklappt! Anschlag misslungen, hat sich befreien können, habe ich je wirklich das Haus abgefackelt? War DAS etwa ein Traum?
Flammen, die aus dem Fenster schlagen, und ihre Schreie, in der Grillglut pfeifende Bratwürste ...
Jetzt klopft das Herz so penetrant, als zerschlüge es den schwarzen Schlick, als triebe mein Herz diesen Schlick durch meine Adern, Rundlauf um Rundlauf durch meinen Körper, vermengt und immer mehr verdünnt mit frischem Blut, verdünne das Böse, die bösen Gedanken, die falschen Erinnerungen.
Der Mann ohne Rollstuhl schwitzt sich DAS aus dem Körper, sogar die Beine kribbeln, für einen Moment statt falscher Erinnerungen falsche Hoffnung, dass auch die Lähmung eine trügerische sei, aber das wäre dann doch zu viel verlangt.

>>> Kommentar der Putzfrau: »Diese innere Morgenröte am Ende deiner Reise ist nichts weiter als das falsche Geleit in die nächste Stufe der Eskalation unaufhörlichen Zerfalls der Zeit ...«
»Woher hast du das?«
»Hoffnung? ... mach Platz, ich muss Wischmoppen.«