20110310


»Am Ende steht AUFRÄUMEN.« Der Friedrich. Wir sitzen im GEMEINSCHAFTSRAUM (Echtholznußbaumfurnier) und essen Kirschstreuselkuchen mit Schlagsahne. Tässchenkaffeedosenmilch.
Der Friedrich hat seine Tage.
»Du räumst das Tablett in die Küche, mit den Medikamentenschachteln und den NICHT MEHR AUSGETRUNKENEN Flüssigkeiten, bist ganz geschäftig, das Bett hat einen Kotzfleck. Du machst das alles SAUBER und bist ERLEICHTERT, nach den LANGEN NÄCHTEN DER ANGST, es ist wenigstens vorbei, es ist NACH DER SCHLACHT und die Toten hat schon jemand weg...«
Er weint. Ganz undramatisch laufen ihm Tränen während des Redens durchs Gesicht, als gehörten sie schon immer dazu, als wäre das Gesicht mit seinen Höhen und Tiefen seit Anbeginn der Zeit eine LANDSCHAFT, in der es fließt. Nur die Blase, die sich beim Sprechen immer wieder vor seinem Mund bildet, wie ein Kaugummi, die finde ich ekelig.
»Du denkst, ER hat es besser gehabt als dieser entführte Junge aus dem Fernsehen, der einfach verschwunden ist, man soll noch einen Schrei gehört haben ...«, er schüttelt sich, der Friederich, »ER hat auch geschrien, und du sitzt bei ihm und machst blöde Schschsch-Geräusche und er beschreibt dir noch, wie sich sein Körper auflöst, wie die Finger DÜNN werden, immer dünner, und der ganze Körper immer dünner und von ETWAS DICKEM ganz langsam zerdrückt wird und du sagst, da ist nichts Dickes und dein Sohn sagt doch!, und du kannst es ihm nicht ausreden und nach diesen Kamilleteetagen ist er ja wirklich hauchdünn und windet sich beim Erbrechen in deinen Händen wie eine Knochenschlange.«
Der Friedrich hebt seine Hände, ganz theatralisch, dass sogar die Wächter aufmerksam werden:
»UNTER DIESEN HÄNDEN WIRD GESTORBEN!«
Ich denke an die zärtlichen Hände des Henkers. Der ganze Raum schweigt, ohne hinzusehen. Einer rührt porzellankratzend in seiner Tasse. Rühr-Rühr-Rühr.
»Wenn einer zu Recht hier sitzt, dann ich! DIESE HÄNDE saugen aus jeder GUTEN SEELE LEBEN aus! Diese meine wundervollen Hände, die so einladend winken und mein Baby einst wie eine Schale umschlossen haben, diese Hände sind SAU - GER!«
Frauundkinder (minus eins) war heute da. Sie: Krebs, Chemo, Haarausfall. Kommt trotzdem einmal im Monat, dann darf er IHRE Hände halten. Bzw. AUSSAUGEN. Und sie merkt nichts davon. Denkt womöglich, es würde ihr guttun, so ein warmer Druck des Ehemanns, der nun vom Kaffeetisch aufspringt, man kennt das schon, »Schieß doch!« brüllt und auf die Wächter feuert, mit seinen unbewaffneten Fingern »Piu! Piu! ... Paupaupau!« Einer von links, einer von rechts, Breitschultern, weiße Westen, Zappeln, Schreien, Spritze und nach fünf Minuten tun wir wieder Kaffeetrinken, als wär' nix.
»Wie komme ich hier raus?«, fragt der Mann (ich) den Gnom.

Kommentar der Putzfrau: »Wie wär's MIT SYSTEM?: Der Wachturm im Nordflügel hat einen Zugang zu einem Versorgungsschacht - für Strom, Wasser etc. -, und jetzt, wo die Thujahecke im Park so gewachsen ist, gibt es einen toten Winkel, da kann man sich vom Rosengarten aus unbemerkt nähern. Den Schlüssel für den Turm könnte ich besorgen, man müsste also rein, die Klappe öffnen, absteigen und dann, aufgepasst: Richtung Norden ... Aber mich fragt ja keiner.«